Selbstständigkeit im Studium »Am Anfang habe ich mich komplett unterbezahlen lassen«

Lohnt es sich, schon während des Studiums zu gründen oder freiberuflich zu arbeiten? Wie viel darf man nebenher verdienen, um weiter Bafög zu bekommen? Und wo bekommt man Hilfe? Das Wichtigste im Überblick.
Studieren und nebenbei gründen? Das kann funktionieren – wenn man ein paar Dinge beachtet.

Studieren und nebenbei gründen? Das kann funktionieren – wenn man ein paar Dinge beachtet.

Foto: E+ / Getty Images

Man ist unabhängig, kann das Arbeitspensum flexibel einteilen und die eigene Chefin sein – sich parallel zum Studium selbstständig zu machen, klingt erst mal nach einem verlockenden Nebenjob. Laut KfW-Gründungsmonitor  lag die Zahl der Existenzgründungen schon im Jahr 2021 wieder auf dem Niveau von vor dem Ausbruch der Coronapandemie. Auch im Nebenerwerb, also neben Studium oder Beruf, wird das Gründen wieder beliebter. Der Weg in die berufliche Selbstständigkeit sei jedoch »kein Sonntagsspaziergang«, warnt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in seiner »Starthilfe«  für Gründer:innen. Sondern eher: wie eine Bergwanderung, für die man auch die richtige Ausstattung brauche.

Wie diese Ausstattung aussieht, hängt von Art und Umfang der Gründung ab. Denn »Selbstständigkeit« kann erst mal alles Mögliche bedeuten. Nicht jede Gründerin und jeder Gründer eröffnet ein Tech-Start-up mit großem Startkapital. Auch eine freie Übersetzerin oder ein Nachhilfelehrer kann auf selbstständiger Basis arbeiten.

Ein paar grundlegende Dinge gibt es für alle zu beachten, die den Schritt bereits während des Studiums gehen möchten. Vier Expert:innen erklären, wie man nicht über Steuergrenzen stolpert – und welche Vorteile sich für das anstehende Berufsleben auftun.

Selbstständigkeit und Studium – passt das zusammen?

»Die Uni ist ein guter Schoß, um sich unternehmerisch auszuprobieren«, sagt Jana Theuerkauf vom Gründungsservice der Universität Erfurt. »Manche Kontakte zu Förderstellen oder potenziellen Kunden können noch über die Hochschule laufen.«

Zusammen mit Martin Hellmann begleitet Theuerkauf Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende bei den unterschiedlichsten Gründungsvorhaben – von der Ausarbeitung der Idee bis zur finanziellen Planung, und unabhängig vom jeweiligen Studienfach. Der fachliche Schwerpunkt der Anlaufstelle liegt verstärkt auf Sozialem Unternehmer:innentum. Die Berater:innen haben zum Beispiel schon einen Doktoranden betreut, der ein Zentrum für Sprache und Integration gründete, und eine Studentin, die Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit Medien vermittelt.

»Bei uns können Studierende erst mal ihren Kopf entlasten«, sagt Martin Hellmann. Meist sei der voll mit Fragezeichen. Zusammen wird überlegt: Wie ist es zu der Idee gekommen? Wo liegt die eigene Motivation? Und was ist der Mehrwert für bestimmte Zielgruppen? An erster Stelle steht die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells – danach kann nach passenden Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden.

Bei guter Planung spricht der Beratungsstelle zufolge also grundsätzlich nichts dagegen, den Schritt in die Selbstständigkeit bereits während der Studienzeit zu wagen.

Die wichtigsten Begriffe erklärt

Die Bezeichnung mag nach Start-up klingen – doch jede Person, die eine selbstständige Tätigkeit aufnimmt, ist ein:e Gründer:in. Ganz gleich, ob sie selbstständig fotografiert, imkert oder Werbeeinnahmen als Influencer:in erzielt. Vom Kleingewerbe über die Freiberuflichkeit bis hin zur GbR sind viele Rechtsformen möglich. Welche man wählen sollte, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.

Bin ich wirklich die Richtige?

Auch Anika Luthart kam damals zu Theuerkauf und Hellmann in die Beratung. »Ich habe mich nie wie die klassische Gründerpersönlichkeit gefühlt«, sagt sie. Eine Person nämlich, die auf Networking-Partys sofort potenzielle Investor:innen anspricht. Eigentlich sei sie eher ein introvertierter Mensch.

Noch während des Masterstudiums entdeckte die 26-Jährige das private Blog »feelslike.erfurt« auf Instagram, übernahm ihn und verwandelte ihn in ein Stadtmagazin. Ein großer Schritt, der ihr durch die Begleitung des Gründungsservice aber leichtfiel, wie sie erzählt. »Es hat sich weniger angefühlt wie dieser krasse Sprung: Ich mache mich jetzt selbstständig und bin sofort auf mich allein gestellt.« Mittlerweile hat Luthardt ihren Master hinter sich, die erste Mitarbeiterin eingestellt und den Thüringer Gründungspreis ThEx Award 2022  in der Kategorie »Impulsgeberin« gewonnen.

Man wachse in die Rolle der Gründerin hinein, sagt sie. Mit jedem Erfolgserlebnis falle es leichter, den Schalter umzulegen und etwa selbstbewusst ins Gespräch mit Werbekund:innen zu gehen. »Am Anfang habe ich mich als Auftragnehmerin komplett unterbezahlen lassen.« Für Anzeigen habe sie damals nur ein Zehntel ihrer jetzigen Preise verlangt. Stundenvergütung nach Mindestlohn? Damals: Fehlanzeige.

Mit der Zeit habe sie gelernt, den Wert der eigenen Arbeit zu schätzen. »Vor meinem ersten Kundengespräch hätte ich fast einen Schluck Schnaps getrunken, um mich hineinzutrauen.« Heute gehörten solche Termine zu ihrem Alltag.

Laut KfW-Gründungsmonitor  gehört die Bürokratie zu den häufigsten Hindernissen, die Menschen vom Gründen abhalten. Gescheitert seien die meisten Vorhaben jedoch an »finanziellen Risiken«, etwa weil Rücklagen fehlen. Aber auch die Angst zu versagen oder im Privatleben zurückstecken zu müssen, hält offenbar viele ab. Besonders wenn Prüfungen anstehen, hätten schon einige Studierende ihre Gründungsabsichten abgebrochen, sagt Beraterin Theuerkauf. Zu wenig Zeit für Uni und Hobbys, zu viel Druck.

»Vor meinem ersten Kundengespräch hätte ich fast einen Schluck Schnaps getrunken, um mich hineinzutrauen.«

Anika Luthardt über ihre Anfänge als Selbstständige

Aber es gibt auch positive Aspekte. Die Fähigkeiten, die man im Prozess des Selbstständigmachens erlernt, seien auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt, betont Theuerkauf. »Egal ob man einfach selbst gebastelten Schmuck verkauft oder Websites baut – letzten Endes hat man fachliche Kompetenzen und unternehmerische Skills erworben.« Selbst wenn die Gründung scheitere, gewinne man am Ende wertvolle Erfahrungen. Mit denen man auch im Bewerbungsgespräch für eine Festanstellung punkten kann.

Wichtiger als eine vermeintliche »Gründer:innenmentalität«, da sind sich Luthardt und Theuerkauf einig, sei das intrinsische Interesse, also, »hinter der Sache zu stehen«. Meist stecke man nämlich mehr Zeit und Nerven in die Selbstständigkeit als geplant. Nur Projekte, mit denen man sich auch identifizieren kann, seien am Ende besonders Erfolg versprechend, so Theuerkauf. Trotzdem ist es ratsam, sich langsam heranzutasten. »Einige merken bereits in den ersten Planungen, dass sie sich mit der Selbstständigkeit nicht wohlfühlen – das ist dann auch völlig in Ordnung.«

Wo gibt es Hilfe?

Beratungsstellen für Gründungsvorhaben gibt es in allen Bundesländern und an den meisten Hochschulen. Einige Unis bieten sogar kostenfreie Onlinekurse an. Auch die Bundesagentur für Arbeit  oder die Industrie- und Handelskammer  beraten zur Selbstständigkeit. Erste Informationen sind über die Gründerplattform  abrufbar, eine Seite vom Bundeswirtschaftsministerium und der KfW.

Wie muss ich mich versichern, wenn ich selbstständig bin?

»Als Studentin ist man versicherungstechnisch noch in einer sicheren Bubble«, sagt Gründerin Luthardt. Als nebenberuflich Selbstständige seien anfangs deutlich weniger Abgaben auf sie zugekommen als erwartet. Drei Punkte waren dafür ausschlaggebend: ihr Alter, das Einkommen und die Arbeitszeit. Wer insgesamt nicht mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet und monatlich nicht mehr als 2546,25 Euro brutto verdient, übt die Selbstständigkeit nebenberuflich aus (75 Prozent der monatlichen Bezugsgröße , Stand: 2023). Außerdem war Luthardt unter 30, daher konnte sie in der studentischen Versicherung bleiben.

Hauptberufliche Gründer:innen hingegen müssen sich regulär gesetzlich oder privat versichern und zahlen deutlich mehr Abgaben. Ob es sich um eine haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit handelt, schätzt die Krankenkasse zu Beginn der Selbstständigkeit ein. Sie kann Beiträge aber auch rückwirkend einfordern, daher sollte man mögliche Änderungen immer frühzeitig melden.

Für einige Berufsgruppen fallen trotz Selbstständigkeit außerdem Abgaben für die Rentenversicherung an. Dazu gehören etwa Handwerker:innen, Hebammen oder Kunstschaffende. Wer versicherungspflichtig ist und wer sich von der Pflicht befreien kann, ist bei der Deutschen Rentenversicherung  aufgelistet.

Welche Krankenversicherung ist die richtige?

Die Familienversicherung ist die kostengünstigste Option für Studierende, dafür müssen sie nämlich nichts zuzahlen. Um bei den Eltern mitversichert zu bleiben, muss man unter 25 Jahre sein, das monatliche Einkommen aus selbstständiger Arbeit darf nicht mehr als 485 Euro im Monat betragen.

In den Semesterferien darf man mehr verdienen. Überschreitet man die Einkommensgrenze allerdings länger als drei Monate, wird man aus der Familienversicherung ausgeschlossen.

Kann ich weiter Bafög beziehen?

Um weiter Bafög zu beziehen, sollten selbstständige Studierende den monatlichen Freibetrag im Auge behalten. Aktuell liegt die Grenze bei 520 Euro brutto im Monat. »Von dem nach dem Bafög zustehenden Bedarfssatz wird das angerechnete Einkommen abgezogen«, bestätigt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Verdient zum Beispiel ein Student als selbstständiger Fotograf 620 Euro im Monat, wird seine Bafög-Förderung um 100 Euro gekürzt.

Die Grenze kann sich jedoch in Zukunft verschieben. Es ist deshalb ratsam, sich stets mit den aktuellen Regelungen vertraut zu machen und zu Beginn der Selbstständigkeit beim jeweiligen Amt für Ausbildungsförderung  anzufragen, um nicht unerwartet aus der Förderung zu fallen.

Genau wie bei den Versicherungsabgaben empfiehlt es sich zudem, großzügig abzuschätzen, wie viele Einnahmen pro Jahr voraussichtlich erzielt werden. Denn auch das Bafög-Amt kann Zahlungen zurückfordern, falls man versehentlich mehr Leistungen bezogen hat, als einem zustanden. Ein durchdachter Finanzplan hilft dabei, alles im Blick zu behalten und nicht durch nachträgliche Abgaben oder Rückforderungen in Schwierigkeiten zu geraten.

Wie viel darf ich verdienen – und welche Steuern muss ich zahlen?

Studium hin oder her – am Thema Steuern kommt niemand vorbei, der selbstständig arbeitet. Wer studiert, genießt aber auch da Vorteile. »Ist man nur in begrenztem Umfang selbstständig tätig und unterschreitet den Grundfreibetrag, muss man grundsätzlich keine Einkommensteuer zahlen«, sagt Claudia Kalina-Kerschbaum, Geschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer . 2023 liegt der jährliche Freibetrag  bei 10.908 Euro. Verdient sich eine Studentin etwa als freie Texterin durchschnittlich 800 Euro im Monat dazu, liegt ihr Jahreseinkommen bei 9600 Euro und damit unter dem Freibetrag. Sie muss also keine Einkommensteuer bezahlen. Zudem könne man im Kontext des Studiums entstehende Aufwendungen gegebenenfalls mit den Einkünften aus der selbstständigen Tätigkeit verrechnen und damit die steuerpflichtigen Einkünfte mindern, so Kalina-Kerschbaum.

»Sobald Einnahmen erzielt werden – egal in welcher Form – muss das gemeldet werden.«

Gründungsberaterin Jana Theuerkauf

Selbstständige müssen in den meisten Fällen eine Steuererklärung  abgeben. Gründungsberaterin Theuerkauf rät, sich früh Hilfe zu suchen. »Sobald Einnahmen erzielt werden – egal in welcher Form – muss das gemeldet werden«, der Krankenversicherung, dem Bafög-Amt und unter Umständen auch dem Finanzamt. Häufig kämen Gründer:innen erst relativ spät in die Beratungsstelle. »Wir hatten schon eine Studierende, die selbst gemachten Schmuck verkauft hat, ohne etwas anzumelden. Oder einen Gründer, der hohe Spenden für sein Projekt angenommen hat, ohne das Finanzamt zu informieren«, erzählt Berater Hellmann. Im schlimmsten Fall können versäumte Steuerzahlungen zu Verschuldung führen.

Ein Problem: Zwar können Theuerkauf, Hellmann und ihre Kolleg:innen den Gründer:innen Hinweise zum Anmeldeverfahren geben. Aber eine individuelle Steuer- und Rechtsberatung darf der Gründungsservice nicht leisen – genau wie im Übrigen Lohnsteuervereine oder ähnliche kostenfreie Anlaufstellen. Wer Hilfe braucht, sollte sich also an eine:n Steuerberater:in wenden.

Wie findet man die richtige Balance zwischen Studium und Selbstständigkeit?

Ihr soziales Umfeld sei während der Gründung essenziell gewesen, sagt Anika Luthardt. Ohne Verständnis und Unterstützung von Freund:innen und Familie wäre es deutlich schwieriger gewesen, Studium und Job auszubalancieren. Zwar ließe sich die selbstständige Arbeit flexibel einteilen, sie müsse aber auch gut mit allen Uniaufgaben vereinbar bleiben. Vormittags Masterarbeit, nachmittags Artikel schreiben und zwischendrin noch mit Werbekund:innen sprechen: Das sei eine Herausforderung gewesen. »Auch die Freizeit, die man als Studentin sonst genießen kann, fällt häufig einfach weg«, sagt sie.

Trotz Doppelbelastung ist die Unternehmerin jedoch froh über ihre Entscheidung. »Ich bin daran auf jeden Fall gewachsen, mutiger und eben selbstständiger geworden.«

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