

Selbstzweifel im Studium Wie lerne ich, an mich selbst zu glauben?


Klausuren, Präsentationen, Hausarbeiten: Das Studium steckt voller Herausforderungen, die am Selbstvertrauen nagen können (Symbolbild)
Foto: Lubitz + Dorner / plainpictureHeute möchte ich auf eine E-Mail eingehen, die mir eine Leserin geschrieben hat. Erstens, weil die Frage wichtig ist, und zweitens, weil ich diesem Problem bei meiner Arbeit als Fachstudienberater häufig begegne.
Mara, 22, fragte mich: »Wie baut man Selbstvertrauen im Studium auf und glaubt mehr an sich selbst? In der Theorie weiß ich das, aber es zu verinnerlichen, fällt mir oft schwer. Ich mache mich kleiner, als ich bin, mit Sätzen wie: ›Dafür bin ich eh nicht schlau genug.‹«
Ob zu Beginn des Studiums, wenn sich das gesamte Umfeld ändert, während der Vorbereitung auf eine Monsterklausur oder im Angesicht der Bachelorarbeit: Es gibt zahlreiche Situationen, in denen Studierende an sich zweifeln. Wenn sich diese negativen Gedanken jedoch häufen oder gar verfestigen, wird es problematisch.
Gutes Zeitmanagement, die richtige Lernstrategie vor Prüfungen, Tipps für den Einstieg ins digitale Semester: In dieser Kolumne gibt Dr. Tim Reichel Rat zu Herausforderungen im Studium und zeigt, wie Studierende erfolgreich durch den Bachelor kommen – ohne Dauerstress.
Du stehst auch vor einem vermeintlich unlösbaren Problem im Studium oder hast eine Frage an Tim Reichel? Dann schreib uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de.
Wie verbessert man also sein Selbstvertrauen? Eine Anleitung.
Selbstvertrauen verstehen
Zunächst solltest du dir klarmachen, womit du es zu tun hat. Selbstvertrauen ist nämlich etwas anderes als Selbstbewusstsein. Und das ist keine akademische Worthuberei. Selbstbewusstsein bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein, also: sich zu kennen. Selbstvertrauen hingegen reicht weiter. Es beschreibt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Wir trauen es uns selbst zu, in einer unberechenbaren Welt zurechtzukommen, weil wir auf uns selbst zählen können.
Selbstvertrauen trainieren
Der französische Philosoph Charles Pépin erklärt in seinem Buch »Sich selbst vertrauen« anhand von Beispielen berühmter Persönlichkeiten, wie Selbstvertrauen entstehen kann. Daraus lässt sich auch für uns Nichtpromis eine universelle Regel ableiten: Wir können uns Selbstvertrauen nicht herbeiwünschen oder es erdenken. Wir werden nicht selbstsicherer, nur weil wir uns vor den Spiegel stellen und uns sagen, wie großartig wir sind. Positives Denken und übertriebene Autosuggestion können sogar ins Gegenteil umschlagen.
Selbstvertrauen kommt vielmehr von außen. Indem wir handeln und damit in der Realität Erfolg haben, finden wir Vertrauen in uns selbst. Das funktioniert auch beim Studieren.
Destruktive Gedankenmuster durchbrechen
Doch bevor wir zum Handeln kommen, müssen wir zunächst das negative Gedankenkarussell stoppen. Warum? Weil ständiges Grübeln lähmt. Und wie? Oft hilft schon eine abrupte Unterbrechung durch Ablenkungen wie Lesen oder Sport. Auf lange Sicht empfehle ich eine Umformulierung der toxischen Gedanken. Anstatt »Dafür bin ich eh nicht schlau genug«, könntest du zum Beispiel sagen: »Dafür bin ich noch nicht schlau genug, aber ich werde daran arbeiten, und zwar so…«. Auf diese Weise gehst du auf deinen inneren Kritiker ein und transformiert Selbstzweifel in einen hoffnungsvollen Plan um. Ein ziemlicher Boss-Move.
In Schritten denken
Als Nächstes brauchst du einen Aktionsplan. Handeln allein reicht nämlich nicht – deine Aktionen müssen zielgerichtet sein. Wenn du dich zum Beispiel in Statistik überfordert fühlst, hilft es dir nicht, Englisch-Vokabeln zu lernen. Frage dich daher: In welchem Bereich möchte ich mehr Selbstvertrauen aufbauen? In welchen Situationen fühle ich mich nicht gut genug?
Nachdem du eine Antwort festgelegt hast, überlegst du dir eine konkrete Handlung, mit deren Ausführung du deine Fähigkeiten in diesem Bereich verbessern kannst. Suche nach möglichst kleinen Teilzielen, damit du dich nicht überforderst. Die Aktion »Statistik verstehen« ist zu groß für den Anfang, »Übungsaufgabe 3.1 bearbeiten« nicht.
Mit Erfolgsspiralen arbeiten
In Schwung kommt dein Plan mit sogenannten Erfolgsspiralen. Beginnend mit einer kleinen Anfangshandlung startest du eine Serie von Aktionen mit zunehmender Intensität. Beispiel: Du liest eine Woche lang jeden Tag eine Seite in einem Lehrbuch. Ab der zweiten Woche liest du zwei Seiten pro Tag und so weiter. Du steigerst dich von Erfolg zu Erfolg und nutzt diese Aufwärtsspirale, um stetig an deinen Fähigkeiten zu arbeiten. Mit dem Erfolg kommt das Selbstvertrauen automatisch.
Positive Gewohnheiten etablieren
Damit du dranbleibst, kannst du die Kettenregel des amerikanischen Autors und Schauspielers Jerry Seinfeld nutzen: Besorge dir einen großen Wandkalender. Immer, wenn du etwas für dein Selbstvertrauen getan hast, markierst du den Tag mit einem großen roten X. Nach ein paar Tagen hast du eine Kette – und wenn du weitermachst, wird diese von Tag zu Tag länger. Die Kette nicht zu unterbrechen hilft, jeden Tag positive Gewohnheiten zu pflegen.
Fazit
Selbstvertrauen ist keine Kopfsache. Es entsteht aus unseren Handlungen. Indem wir uns unseren Problemen stellen und aktiv werden, fassen wir Vertrauen in uns selbst. Wenn du dich in deinem Studium nicht schlau genug fühlst, dann ist ein kleinschrittiger und konsequenter Lernplan die beste Maßnahme, um diesem Gefühl entgegenzuwirken.
Abgesehen davon: Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der in seinem Studium nie gezweifelt hat. Ich denke, Zweifel gehören dazu. Oder wie Kollege Descartes es ausdrückt: »Der Zweifel ist der Weisheit Anfang.« Zweifle deswegen ruhig ein bisschen, aber verzweifle nicht – sondern handle.