Berufseinstieg als Straßenwärterin »Ich mag es, die Verantwortung für große Maschinen zu tragen«

Straßenwärterin Sophie Sommer mit ihrem Trecker: »Der Beruf kann ganz schön auf die Knochen gehen«
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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Sophie Sommer, 23, arbeitet in einer Straßenmeisterei der Niedersächsischen Landesbehörde.
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»Als Kleinkind fuhr ich auf dem Aufsitzrasenmäher meiner Eltern mit, als Sechsjährige düste ich mit einem Kinderquad durch die Gegend. Jetzt habe ich als Straßenwärterin meinen eigenen kleinen Trecker. Mit dem fahre ich Radwege ab, kontrolliere, ob es Schäden oder Hindernisse gibt, schneide Büsche zurück, mähe den Rasen und entferne Unkraut.
Nach meinem Hauptschulabschluss begann ich zunächst eine Ausbildung zur Tischlerin. Doch in meinem Betrieb wurden die Möbel mit großen automatisierten Maschinen gesägt und gebaut, mit Handarbeit hatte das wenig zu tun. Ich hatte mir den Job völlig anders vorgestellt. Bei einer Jobmesse drückte mir dann jemand den Flyer einer Straßenmeisterei in die Hand. Viel draußen sein, im Team arbeiten und jeden Tag etwas anderes machen – das klang gut, also bewarb ich mich spontan. Zunächst bekam ich einen Praktikums-, dann einen Ausbildungsplatz, direkt in meiner Heimatstadt.
Ich durfte von Anfang an mitanpacken. Meine Straßenmeisterei ist in im Umkreis für 360 Kilometern Straßen innerorts sowie Kreis-, Landes- und Bundesstraßen zuständig. Die Aufgaben unterscheiden sich je nach Jahreszeit. Jetzt im Winter schneiden wir die Bäume zurück und reinigen die Wasserrückhaltebecken am Straßenrand. Kleinere Schlaglöcher flicken wir selbst mit einem Asphaltgemisch, bei größeren beauftragen wir eine externe Firma.
Als erste Frau in der Straßenmeisterei
Ich habe während der Ausbildung einen Lkw-Führerschein gemacht, außerdem den für Motorsägen, Gabelstapler und Bagger. Ich mag es, die Verantwortung für große Maschinen zu tragen. Außerdem habe ich viel über Grünpflege gelernt, über die Materialien im Straßenbau, auch viel Mathematik.
In der Straßenmeisterei waren manche Kollegen mir gegenüber zunächst etwas skeptisch. Ich war die allererste Straßenwärterin dort und bin nur 1,60 Meter groß. Die fragten sich sicher, ob ich das schaffe, denn die Arbeit ist körperlich ziemlich schwer. Inzwischen freuen sie sich, dass ich dabei bin.
Oft bin ich den ganzen Tag allein unterwegs, aber mich stört das nicht. Ich höre Musik, manchmal begegne ich meinen Kollegen und wir machen zusammen Pause. Im Winter beginnt die Arbeit um sieben Uhr morgens, im Sommer um sechs. Wenn Schnee geschoben werden muss oder ein umgestürzter Baum auf einer Landstraße liegt, kann es sein, dass man bis morgens um vier arbeitet. Meine Kollegen und ich haben reihum jeweils eine Woche Rufbereitschaft. Dann nimmt man ein Arbeitshandy mit nach Hause und kann jederzeit von der Polizei angerufen werden – zum Beispiel, wenn eine Ölspur beseitigt werden muss.
Immer draußen auf den Straßen unterwegs
Wenn man es gewohnt ist, macht einem die Kälte nicht mehr so viel aus. Manchmal gehe ich im Winter mit meiner Familie spazieren und alle sind sehr dick eingepackt, bis auf mich. In meinem Beruf ist man immer in Bewegung. In einem Büro zu arbeiten, kann ich mir gar nicht vorstellen.
Mein Arbeitgeber ist die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr , deshalb werde ich nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlt. In meiner Entgeltgruppe verdiene ich aktuell bei 38,5 Wochenstunden brutto rund 2760 Euro Grundgehalt. Dazu kommen rund 100 Euro Zulagen, etwa, wenn ich bei so viel Lärm arbeite, dass ich einen Gehörschutz tragen muss. Die Bezahlung finde ich angemessen. Und es ist gut, von vornherein zu wissen, wie viel man in einigen Jahren verdienen wird.
Man kann auch aufsteigen und etwa Teamleiterin werden, aber ich mag meine Arbeit so, wie sie jetzt ist. Ich kann mir vorstellen, das ein Leben lang zu machen. Bei uns arbeiten auch die älteren Kollegen noch den ganzen Tag draußen. Sie bekommen die körperlich etwas leichteren Aufgaben. Der Beruf kann trotzdem ganz schön auf die Knochen gehen, er ist auch nicht ungefährlich. Wenn wir zum Beispiel mit dem Freischneider – einer Motorsense – hantieren, müssen wir sehr aufpassen, uns nicht selbst zu schneiden.
Zur Straßenwärter:in wird man in einer dualen Ausbildung, mit Theoriephasen in der Berufsschule sowie praktischen Anteilen, zum Beispiel in einer Straßenmeisterei. Die Ausbildung dauert drei Jahre und kann im öffentlichen Dienst oder in der Industrie absolviert werden. Voraussetzung ist die Berufsschulreife, also ein Hauptschulabschluss.
Eingesetzt werden ausgebildete Straßenwärter:innen zum Beispiel in Straßen- und Autobahnmeistereien, aber auch in Straßenbauverwaltungen oder Baustellensicherungsunternehmen. Sie sind für die Instandhaltung von Verkehrswegen zuständig, pflegen die Grünflächen am Fahrbahnrand und auf Parkplätzen, kontrollieren, reinigen und reparieren Straßen und Wege und räumen oder streuen dort im Winter. Außerdem kümmern sie sich um die Beschilderung und Absicherung.
Straßenwärter:innen können je nach Tätigkeit und Einsatzort aufsteigen und zum Beispiel Teamleiter:in, Bauaufseher:in oder Abteilungsleiter:in werden. Nach mindestens drei Gesell:innenjahren ist es möglich, eine Weiterbildung zur Straßenwärtermeister:in zu machen.
Wenn ich am Straßenrand arbeite, habe ich oft Zuschauer:innen. Manchmal finden die nicht gut, was ich mache. Einmal hielt ein Radfahrer an und stellte sich vor das Mähwerk meines Treckers. Ich würde die Frösche totmähen! Wir haben eine halbe Stunde diskutiert. In solchen Situationen muss man ruhig bleiben. Meistens bekomme ich aber positive Rückmeldungen bei der Arbeit. Ein paar Leute haben sogar schon bei meinem Chef angerufen und gesagt: ›Das Mädel, das da mäht, ist echt klasse!‹«
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