
Gemeinsame Projekte im Studium Wie man eine Gruppenarbeit übersteht, ohne verrückt zu werden


Die Hölle, das sind die anderen. Gruppenarbeiten können aber durchaus produktiv ablaufen. (Symbolbild)
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Es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie eine Gruppenarbeit im Studium ablaufen kann: Entweder man findet zueinander und schafft eine produktive Arbeitsatmosphäre – oder die gemeinsame Arbeit wird zur Qual, weil einige Gruppenmitglieder nicht mitziehen. Die Pandemie verschlimmert dieses Problem noch. Nie war es leichter, vor seinen Kommiliton:innen (und den gemeinsamen Aufgaben) abzutauchen.
Gutes Zeitmanagement, die richtige Lernstrategie vor Prüfungen, Tipps für den Einstieg ins digitale Semester: In dieser Kolumne gibt Dr. Tim Reichel Rat zu Herausforderungen im Studium und zeigt, wie Studierende erfolgreich durch den Bachelor kommen – ohne Dauerstress.
Du stehst auch vor einem vermeintlich unlösbaren Problem im Studium oder hast eine Frage an Tim Reichel? Dann schreib uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .
Fünf Tipps für deine nächste Gruppenarbeit
Wissenschaftliche Studien belegen zwar die zahlreichen Vorteile von Gruppenarbeiten (besserer Lernfortschritt, kreativere Lösungen, Entwicklung sozialer Kompetenz), doch gleichermaßen bergen sie ein hohes Konfliktpotenzial. Ergebnis und Zufriedenheit der Gruppenmitglieder stimmen nur dann, wenn sich alle angemessen beteiligen . Die folgenden fünf Strategien stellen genau das sicher.
1. Vertrag schließen
Zunächst sollte die Gruppe ein gemeinsames Ziel festlegen. Andernfalls kann es sein, dass die einzelnen Erwartungen zu weit auseinanderliegen. Während die eine Kommilitonin zum Beispiel davon ausgeht, dass man mit minimalem Aufwand bestehen möchte, träumt der andere Kommilitone womöglich von einem Einser-Ergebnis. In dieser Konstellation sind Streitigkeiten vorgezeichnet.
Ein probates Mittel, um derartige Zielkonflikte zu verhindern, ist ein sogenannter Kooperationsvertrag. Lernforscher van den Bossche und seine Forscher-Clique schreiben: »Das Gefühl der gegenseitigen Abhängigkeit, des Zusammenhalts, der psychologischen Sicherheit und des Vertrauens stärkt die Überzeugung, dass sich die Investition in Gruppenaktivitäten auszahlen wird, und ermutigt die [Beteiligten], sich bei den für das Lernen wichtigen kognitiven Prozessen einzubringen.« Eine schriftliche Abmachung erhöht die Verbindlichkeit, stärkt den Zusammenhalt und verbessert die Motivation. Dazu reicht ein kurzes Schriftstück, das alle unterzeichnen.
2. Rollen bestimmen
Wechseln wir kurz von der Verhaltenspsychologie zum Projektmanagement. Dort hat es sich durchgesetzt, bestimmten Teammitgliedern eine »Rolle« für die Projektarbeit zuzuweisen. Die eine ist zum Beispiel Chefin, der andere Moderator, wieder ein anderer achtet nur auf die Einhaltung des Zeitplans und so weiter. Diese Rollenverteilung hat zwei positive Effekte: Erstens wissen die Teammitglieder genau, was sie zu tun haben. Zweitens kommt es seltener zu Konflikten innerhalb der Gruppe, weil ein Großteil der Kommunikation als Position der Rolle wahrgenommen und nicht als persönliche Kränkung interpretiert wird .
Ein abgewandeltes Modell für Gruppenarbeiten im Studium könnte zum Beispiel lauten:
Gruppenleiter:in
Gruppensprecher:in
Kontrolleur:in
Zeitmanager:in
Schriftführer:in
Wie die Rollen letztendlich heißen oder wie sie im Detail ausgestaltet sind, ist zweitrangig. Wichtiger ist, dass ihr die Verantwortung gerecht in der Gruppe verteilt.
3. Projektplan entwerfen
Da wir uns gerade schon mit Projektmanagement beschäftigen: Ein Projektplan hilft, um die Gruppenarbeit zu strukturieren. Dabei ist es sinnvoll, zunächst einen generellen Arbeitsplan zu entwerfen (Was müssen wir alles erledigen?), Verantwortlichkeiten festzulegen (Wer macht was?) und Deadlines zu bestimmen (Wann muss was fertig sein?). Das Ganze bringt man dann in eine schriftliche, chronologische Form – und tadaa: Der Projektplan ist fertig. Geübte Arbeitsgruppen einigen sich zudem auf Kontrollinstanzen (Marie kontrolliert Jans Arbeitspaket; Jan wiederum kontrolliert Sarah und so weiter), damit Abweichungen vom Plan schnell bemerkt werden und die Gruppe gegensteuern kann.
4. Transparent kommunizieren
Gerade bei einer Online-Gruppenarbeit sind gute Tools unerlässlich. Neben der klassischen WhatsApp-Gruppe empfehle ich den Einsatz von Organisationssoftware. Solche Tools ermöglichen die gemeinsame Arbeit an To-do-Listen, Projektplänen und Whiteboards. Außerdem können hierüber auch Dateien abgelegt und ausgetauscht werden. Fünf kostenlose Vorschläge, die du dir anschauen kannst (ausführlicher hier ):
5. Anreize setzen
Aus Spanien stammt ein interessantes Konzept, um den Antrieb der einzelnen Gruppenmitglieder aufrecht zu halten: Motivación . Regelmäßige Gruppentreffen (zum Beispiel jeden Mittwoch um 16 Uhr) erhöhen die Identifikation mit der Gruppe – egal ob persönlich oder digital. Auch Belohnungen tun dem Zusammenhalt gut. Nach den Arbeitstreffen könnt ihr etwa gemeinsam etwas essen oder nach bestandener Prüfung feiern gehen. Strafen können ebenfalls angedacht werden, wenn diese zum Erfolg der Gruppe beitragen: Jedes Gruppenmitglied, das ein Treffen versäumt, muss in die Gruppenkasse einzahlen oder die Rechnung beim nächsten Mal begleichen.
Fazit
Wenn du deine nächste Gruppenarbeit nicht einfach auf dich zukommen lässt, sondern ein paar der Konzepte aus diesem Artikel vorschlägst, minimierst du das Risiko einer Katastrophe.
Trotz aller Bemühungen kann es sein, dass du an Idiot:innen gerätst. In diesem Fall rate ich dazu, Probleme direkt anzusprechen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Schlage vor, die Organisation zu übernehmen, setze Fristen und verteile Aufgaben – aber ohne dabei überheblich und dominant zu wirken. Wenn nichts hilft, versuche, die Gruppe zu wechseln, oder sprich deine Dozierenden an. Manchmal ist eine Trennung die beste Alternative.