Berufseinstieg als Comedy-Autor »Ich wusste nicht einmal, dass das ein echter Beruf ist«

Tarkan Bagci: »Wenn die Kameras laufen, muss da etwas stehen«
Foto: Sanja PijanovicDer Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Tarkan Bagci, 26, hat sich im Oktober 2020 als Comedy-Autor selbstständig gemacht und gerade sein erstes Buch veröffentlicht.
Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .
»Mit 18 hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich mal als Comedy-Autor Geld verdiene. Ich wusste nicht einmal, dass das ein echter Beruf ist. Schreiben mochte ich aber schon immer. Als ich 17 war, suchte mein Vater die nächste Lokalzeitung raus und sagte zu mir: Da kann man schreiben, mach doch ein Praktikum! Also machte ich das.
Nach dem Abi studierte ich Kommunikationswissenschaften in Münster, arbeitete beim Campusradio und machte ein Praktikum beim Deutschlandfunk. Aber ich merkte schnell, dass Journalismus nicht meine Leidenschaft ist – das war mir zu ernst. Im zweiten Semester postete ein Comedy-Autor, der früher mal beim Campusradio gewesen war, den Aufruf zu einer zweitägigen Comedy-Masterclass in unsere Gruppe. Dort erklärten sie uns kurz, dass ein Gag aus Prämisse und Pointe besteht, dann hieß es: ›Ihr habt eine Stunde Zeit, macht mal 20 Stück.‹ Das war fast ein Talent-Scouting – und letztendlich der Beginn meiner Karriere. Nach den zwei Tagen fragten mich die Produzenten, ob ich Gags für sie schreiben wollte.
100 bis 150 Euro für einen One-Liner
So begann ich also, schon während des Studiums frei zu arbeiten. Für One-Liner gibt es zwischen 100 und 150 Euro, was nach viel klingt, aber man schreibt halt auch 50, die nicht genommen werden. Mit der Zeit lernte ich, dass nicht die Gags genommen werden, die ich am witzigsten finde, sondern die, die am besten zur Show passen. Und egal, ob One-Liner, Sketch oder Buch: Man muss das Grundprinzip kennen und dann einfach loslegen.
Ich schrieb einige Shows an: Hey liebes ›Neo Magazin Royal‹, ich würde gern Witze für euch schreiben, hier sind 30 Stück. Die bildundtonfabrik, kurz btf, die Produktionsfirma hinter dem ›Neo Magazin‹, und einige weitere Shows nahmen mich in ihren Autorenpool auf, schickten mir Themen und ich schickte Witze und Sketche zurück. Ab und an wurde einer genommen und ich hatte plötzlich einen Fuß in der Tür.
Kurz vor Ende meines Bachelors fragte mich die btf, ob ich mich für ein neues Format als Junior-Autor bewerben wollte. Das verlief sehr pragmatisch. Ich hatte Arbeitsproben dabei, im Gespräch wurde nicht gefragt, wo ich mich in fünf Jahren sehe, sondern welche Filme ich witzig finde, um zu schauen, ob wir humoristisch auf einer Wellenlänge sind. Mein Einstiegsgehalt als Junior-Autor war etwas mehr als das, was ich als Journalist im Volontariat bekommen hätte. Anfangs schrieb ich mit Stefan Titze für das YouTube-Format ›Gute Arbeit Originals‹. Dabei lernte ich das Handwerk so richtig. Denn wenn die Kameras laufen, muss da etwas stehen.
Weder »Autor« noch »Comedy-Autor« sind in Deutschland geschützte Berufsbezeichnung en, das heißt, prinzipiell darf sich jeder so nennen. Es gibt keine klassische Ausbildung oder vorausgesetzte Studiengänge – nur Weiterbildungen und sogenannte Comedy-Masterclasses , die häufig von Produktionsfirmen oder anderen Comedy-Autoren angeboten werden.
Zu den größten Arbeit- und Auftraggebern für Comedy-Autorinnen zählen Produktionsfirmen wie Brainpool und Prime Productions . Dort arbeiten fest angestellte und freie Autorinnen und Autoren an der Produktion von YouTube-Formaten, Serien und TV-Shows mit.
Abgesehen von kleinen Fortbildungen gibt es einfach keine Ausbildung zum Comedy-Autor. Das ist Learning by doing. Talent hilft, aber Training und Fleiß sind mindestens genauso wichtig. Gerade am Anfang lohnt sich Twitter – das LinkedIn der Comedy-Branche. Wer dort witzig ist, hat gute Chancen, von Produktionsfirmen wahrgenommen zu werden.
Sketche im Meerjungfrauenkostüm
2017 holte mich die btf als festen Autor ins ›Neo Magazin Royal‹. Dort stand ich für Sketche auch mal im Meerjungfrauenkostüm vor der Kamera. Ansonsten war der Alltag ähnlich wie im Journalismus: Man trifft sich zu Themenkonferenzen, arbeitet zwei Tage an den Themen, schreibt Gags und Sketche, dann schmeißt der Moderator alles um, man macht es neu und dann ist Sendung. Das Klischee, dass in Autorenräumen viel gelacht wird, stimmt übrigens – in guten zumindest. Dort testet man alle Gags, beim Brainstorming gibt es keine Grenzen. Jeder Quatsch wird ausgesprochen. Man eignet sich eine ›Yes, and …‹-Haltung an: statt zu überlegen, warum es nicht geht, spinnt man den Gedanken weiter und überlegt, wie es gehen könnte.
Vor etwas über einem Jahr starteten Christian Huber und ich, wir kannten uns vom ›Neo Magazin‹, hobbymäßig den Podcast ›Gefühlte Fakten‹. Das ist quasi ein Einblick in den Comedy-Autorenraum: Wir erzählen uns, was wir erlebt haben, improvisieren und versuchen, uns gegenseitig zum Lachen zu bringen. Rückblickend war der Podcast aus Versehen ein super Karrieremove. Durch Werbung verdienen wir inzwischen ab und an etwas, und die Reichweite hilft mir bei anderem.
Das erste Buch
Über Christian, der schon mehrere Bücher geschrieben hat, kam ich in Kontakt mit einer Verlegerin und schickte ihr ein paar Kurzgeschichten. Bei einem Treffen Anfang 2020 sagte sie mir, dass sie an denen erst mal kein Interesse habe – aber ich solle doch einen Roman schreiben. Dann musste ich improvisieren: Natürlich hätte ich schon eine Idee und könne ihr die ersten zwei Kapitel schicken, sagte ich. Es ginge um einen jungen Typen in einer Lokalredaktion, der eine Oma trifft, die den Dosenöffner erfunden hat. Die Verlegerin fand das super und ich musste die ersten Kapitel schreiben, bevor ich mich fragen konnte, ob ich das überhaupt kann. So entstand ›Die Erfindung des Dosenöffners‹.
Das zieht sich so ein bisschen durch meine ersten Jahre im Job. Ich habe immer erst gemacht, Leuten was geschickt, die haben gesagt: Cool, aber mach doch was anderes für uns. Und dann habe ich halt das gemacht.
Comedy-Autor Tarkan Bagci
Seit Oktober 2020 bin ich nun selbstständig. Von außen betrachtet wirkt das wie der dümmste Zeitpunkt überhaupt, auch wegen Corona, aber ich wollte neue Projekte: Serien, längere Formate, Drehbucharbeit – und auch mal wieder in einen Raum kommen und wissen, wir sitzen zwei Tage zusammen, brainstormen und dann bin ich wieder raus. Außerdem muss ich noch nur mich selbst versorgen. Meine Stoffkatze braucht erstaunlich wenig und bei der btf habe ich immer ein Zuhause. Mit Podcast, Buch und Autorenjob verdiene ich inzwischen durchschnittlich 3500 Euro brutto im Monat. Ein üblicher Tagessatz für mich als Autor liegt bei circa 400 Euro.
Meinen nächsten Auftrag habe ich bei Tommi Schmitts neuer Show. Und nachdem ich jetzt mit meinem Buch tatsächlich zwischenzeitlich auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand, möchte ich auf jeden Fall ein weiteres schreiben. Ich glaube, wenn mein 18-jähriges Ich mich jetzt sehen könnte, dann würde es denken: Puh, Glück gehabt.«
Wer frei fürs Fernsehen oder für Magazine schreibt, ist in der Regel Einzelunternehmer und muss seine freiberufliche Tätigkeit beim Finanzamt melden, eine Steuernummer beantragen und Steuererklärungen machen. Wer nur neben der Ausbildung oder dem Studium ab und an frei arbeitet, verdient oft nicht mehr als 22.000 Euro pro Jahr und kann daher von der sogenannten Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen. Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen.
Selbstständige Künstler und Publizistinnen müssen sich ab 3900 Euro Arbeitseinkommen pro Jahr versichern , zum Beispiel über die Künstlersozialkasse (KSK). Die KSK kümmert sich dann um die Beitragsabführung zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Da Bund und Unternehmen aufstocken, müssen Mitglieder nur die Hälfte der jeweils fälligen Beträge zahlen.