Die Städter haben's ja immer schon gewusst. Von wegen Alpenglühn und Rosenkranz - so weit kann's nicht her sein mit dem beschaulichen Leben auf dem Land. Ist dieses ganze Kuhglockenidyll nicht bloß Fassade? Verbirgt sich dahinter nicht ein Ausmaß an Doppelmoral und Verkommenheit, das noch den schlimmsten Metropolenmoloch übertrifft?
Fans solcher Vorurteile werden den bitterbösen Krimi von Matthias Edlinger und Jörg Steinleitner mit Vergnügen lesen. »Hirschfänger« erzählt von der tiefbayerischen Provinz, wo jeder jeden kennt, der Jungbauer keine Frau findet und der Altbauer den Gesundbeter einschaltet, weil seine Tochter keinen Mann will. So weit, so urig - wäre da nicht dieser mordlustige Unbekannte, der ein Reh nach dem anderen abknallt. Und der rechtsradikale Dorfbonze, der den Wald abholzen will. Dazu die haschrauchende Wirtin und der verhaltensauffällige Bundeswehrsoldat, der am liebsten mit seiner Pumpgun spielt. Das pittoreske Bergdorf strotzt nur so vor zwielichtigen Gestalten, die alle irgendwie Dreck am Stecken haben - idyllisch ist hier gar nichts mehr. Und am Schluss, das weiß der Leser schon am Anfang, wird es auch noch Tote geben.
Die Autoren sezieren in ihrem Gemeinschaftswerk den Zerfall einer provinziellen Dorfgemeinschaft, die von den Auswüchsen der großen, modernen Welt brachial heimgesucht wird. Eifersucht, Geldgier, verlogene Politik und verbotener Sex regieren im neuen Jahrtausend auch den abgeschiedensten Winkel im ach so malerischen Alpenland. Da legst di nieder. Und bleibst doch lieber gleich in der Stadt. Matthias Edlinger, Jörg Steinleitner: »Hirschfänger«. Lagrev Verlag, München; 272 Seiten; 11 Euro.