
UX-Designerin Celine Nasuhoglu: »Mein Job wird oft mit anderen gestalterischen Berufen verwechselt«
Foto:privat
Berufseinstieg als UX-Designerin »Den kritischen Blick kann ich gar nicht mehr abstellen«
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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Celine Nasuhoglu, 27, arbeitet als UX-Designerin bei einer Agentur in Berlin.
Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .
»Auf UX-Design stößt man im Alltag ständig: beim Bezahlen an der Supermarktkasse, auf Displays im Bus oder beim Onlineshopping. UX-Designer:innen entscheiden, wo Informationen, Buttons und andere Elemente platziert sind – oder anders gesagt: wie man sich durch Software bewegt und dort möglichst schnell findet, was man braucht.
Seit ich in dem Bereich arbeite, laufe ich anders durch die Welt. Wenn ich mir manche Apps auf meinem Handy anschaue, frage ich mich: ›Gab es da einen Plan, oder wurden die Buttons einfach irgendwo platziert?‹ Diesen kritischen Blick kann ich gar nicht mehr abstellen. Sogar meine Mutter schickt mir inzwischen manchmal Fotos von Websites und schreibt: ›Celine, das haben die aber nicht gut gelöst, oder?‹
Mein Job wird oft mit anderen gestalterischen Berufen verwechselt. Ich selbst habe auch mal als Grafikdesignerin gearbeitet, doch mit UX-Design ist das nicht zu vergleichen. UX steht für User Experience. Es geht also hauptsächlich darum, dass sich Nutzerbedürfnisse in einer App oder einem Computerprogramm widerspiegeln und sie sich gut bedienen lassen – nicht nur darum, dass alles gut aussieht. Ich muss diejenigen verstehen, die das Produkt am Ende verwenden: Was sind ihre Wünsche, welche Probleme haben sie und wie kann ich die lösen? Gerade haben meine Kolleg:innen und ich etwa eine neue Software für eine Kundenservice-Hotline entworfen. Dazu haben wir als Erstes die Mitarbeitenden dort gefragt, wie sie momentan mit Kundenanfragen umgehen und was ihnen bei der aktuellen Software fehlt.
Ich habe Medieninformatik an der Berliner Hochschule für Technik studiert. Und schnell gemerkt: Reines Programmieren ist nichts für mich. Ich will nicht in irgendwelchen Datenbanken unterwegs sein, sondern eher daran arbeiten, was die Nutzer:innen am Ende sehen. Auf der Suche nach einem Job, der dazu passt, bin ich schnell auf UX-Design gestoßen.
Bis ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber landete, hat es trotzdem rund 40 Bewerbungen und drei Vorstellungsgespräche gebraucht. Hier durfte ich, anders als in anderen Agenturen, ohne Berufserfahrung anfangen – und in meinen ersten drei Jahren so viel lernen, weil ich direkt auf Augenhöhe in Projekte eingebunden wurde. Als Einstiegsgehalt bekommt man zwischen 35.000 und 40.000 Euro brutto im Jahr, dazu ein ÖPNV-Ticket und ein Fitnessabo beim Urban Sports Club.
Als Agentur für UX-Design werden wir von anderen Firmen beauftragt. Meist kümmern wir uns um das Konzept und den Designentwurf, die wir dann zusammen mit den Entwickler:innen der Unternehmen umsetzen. Am Anfang fehlte mir das Selbstbewusstsein, meine Ideen ihnen gegenüber durchzusetzen. Mittlerweile kann ich das viel besser.

UX-Designerin Nasuhoglu: »Bis die fertige Idee steht, dauert es«
Foto: privatVom Moodboard zum Ping-Pong-Spiel
Bis die fertige Idee steht, dauert es. Ich fange mit einem sogenannten Moodboard an. Dort sammle ich alles, was mich inspiriert, also etwa Elemente, die ich von anderen Designs übernehmen möchte. Wenn Nutzer:innen es etwa gewohnt sind, dass die Navigation auf Websites oben links ein- und ausklappbar ist, dann baue ich das nach, anstatt etwas komplett Neues zu entwerfen. Ich muss außerdem daran denken, dass meine Designs barrierefrei sind: Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche helfen Icons, also kleine Bilder. Wer eine Farb- oder Sehschwäche hat, braucht starke Kontraste.
Anschließend zeichne ich einen ersten Entwurf davon, wie die Website oder App später aussehen soll, das nennt man Scribbeln. Ich mache das am liebsten handschriftlich auf meinem Notizblock, andere benutzen Designprogramme. Beim Scribbeln geht es zunächst darum, welches Element wo stehen soll. Ein bisschen ist das wie Tetris.
Während das Produkt dann im Ping-Pong-Spiel zwischen uns UX-Designer:innen und den Entwickler:innen entsteht, muss ich immer wieder testen, ob meine Konzepte wirklich funktionieren. Dabei hilft der Blick von außen: Neulich schaute eine Kollegin auf einen Entwurf, der für mich total Sinn ergab, und sagte, dass man nach drei Klicks in einer Sackgasse landen würde. Also baute ich ihn um.
Kommunikation ist in meinem Job sowieso sehr wichtig. Ich muss kritik- und teamfähig sein, die Bedenken der Entwickler:innen ernst nehmen, Kompromisse finden. Mein bisheriges Lieblingsprojekt etwa fing wirklich frustrierend an. Wir sollten eine Software bauen, die Ärzt:innen nutzen, um ein Röntgengerät zu bedienen. In den Meetings mit den Entwickler:innen des Kunden war schlechte Stimmung, weil sie unsere Aufgabe nicht verstanden: Sie dachten, wir wollen alles nur hübsch machen und achten nicht darauf, ob die Vorschläge auch umsetzbar sind. Bei einem Krisengespräch merkten wir, dass eigentlich alle dasselbe Ziel hatten – nämlich, dass die Software möglichst gut bedienbar ist. Danach war es meine bisher beste Zusammenarbeit.«
UX-Designer:innen gestalten digitale Produkte so, dass Menschen sie möglichst intuitiv benutzen können. UX steht für User Experience, es geht also um die Erfahrung der Nutzer:innen. Der Beruf ist noch jung und hat sich vor allem in den letzten zehn bis 15 Jahren etabliert.
Bislang gibt es wenige auf UX-Design spezialisierte Bachelor- oder Masterstudiengänge. Die Technische Hochschule Ingolstadt bietet einen Studiengang in Präsenz an, die Internationale Hochschule (IU) einen im Fernstudium. Der Berufseinstieg ist aber auch mit vielen anderen Studiengängen möglich, etwa Medieninformatik, Mediendesign oder Wirtschaftspsychologie. Außerdem gibt es zahlreiche Weiterbildungsangebote, häufig auch berufsbegleitend, etwa am Fraunhofer Institut . Der Berufsverband der deutschen Usability und User-Experience Professionals, German UPA , listet Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Einer Auswertung des Karriereportals Stepstone zufolge verdienen UX-Designer:innen im Schnitt 41.700 Euro brutto im Jahr.
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