Berufseinstieg in der Verwaltung »Es ist klar, dass ich nicht jeden Tag die Gute sein kann«

Verwaltungsfachangestellte Nadja Voisin auf ihrer Arbeitsstelle
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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend – und oft ganz anders als geplant. In der Serie »Mein erstes Jahr im Job« erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Nadja Voisin, 24, Verwaltungsfachangestellte im kommunalen Dienst in der Kämmerei der Stadt Leipzig, die eigentlich Erzieherin werden wollte, die Arbeit mit Kindern aber gar nicht vermisst.
Alle bisherigen Folgen von »Mein erstes Jahr im Job« finden Sie auf unserer Serienseite. Sie haben Ihren Berufseinstieg selbst gerade hinter sich und möchten davon erzählen? Dann schreiben Sie uns an SPIEGEL-Start@spiegel.de .
»Bei der Stadt Leipzig arbeite ich seit einem Jahr im Dezernat Finanzen, dort bin ich für die Grundsteuer im Bereich der Innenstadt zuständig. Vor allem stelle ich Grundsteuerbescheide aus. Mein Job ist sicher nicht der aufregendste, ich mache nicht jeden Tag Menschen glücklich oder heile Krankheiten. Trotzdem gehe ich nachmittags mit einem guten Gefühl nach Hause.
Die Arbeit in der Verwaltung
Die Grundsteuer ist eine Steuer, die auf den Grundbesitz erhoben wird. Das heißt: Jede:r, die oder der ein Grundstück oder ein Gebäude besitzt, zahlt dafür Abgaben. Auch auf Mieter:innen kann die Grundsteuer zukommen, wenn sie als Betriebskosten, also über die Nebenkosten, veranschlagt wird. Die Grundsteuer wird einmal im Jahr erhoben und fließt komplett an die Städte und Gemeinden. Ich stelle sicher, dass die Grundsteuerbescheide an die Steuerschuldner übermittelt werden, vermerke Eigentümer:innenwechsel oder ermittle neue Anschriften, damit die Stadtkasse Mahnungen versenden kann.
Es ist klar, dass ich nicht jeden Tag die Gute sein kann. Manchmal muss ich Menschen mitteilen, dass sie die Grundsteuer noch bis Ende des Jahres zahlen müssen oder dass Mahngebühren entstanden sind.
In meiner Jugend hätte ich mir nicht vorstellen können, einen Nine-to-five-Job wie meine Mutter zu machen. Sie arbeitet in der Schadensabteilung einer Versicherung, das klang für mich einfach langweilig. Mit 15 träumt man, glaube ich, von einem Job, der aufregend ist und jeden Tag Spaß macht. Nun ja, was soll ich sagen.
Eigentlich wollte ich Kindergärtnerin werden. Als ich dann mit 16 bei uns im Dorf mehrere Praktika machte, merkte ich, dass der Job zwar schön, aber auch anstrengend ist. Ich kam abends nach Hause, hatte Rückenschmerzen, war komplett am Ende. Ich wusste: Das schaffe ich nicht die nächsten 50 Jahre.
In den zwei Jahren vor dem Abitur wuchs in mir dann immer mehr der Wunsch nach einem Job, der mir Sicherheit und Flexibilität gibt.
Über die Empfehlung eines Bekannten wurde ich auf das duale Studium Sozialverwaltung an der Fachhochschule in Meißen aufmerksam, das für den öffentlichen Dienst der Stadt Leipzig ausbildet. Nach dem Tag der offenen Tür war ich mir sicher, dass ich das wagen wollte.
Vom Studium zur Ausbildung
Das Studium in Meißen machte mir Spaß, vor allem der juristische Teil. Wir lernten dort, wie Sozialhilfeleistungen gewährt werden oder was zur Kinder- und Jugendhilfe gehört. Die drei Jahre waren aufgebaut in wechselnde Praxis- und Theoriephasen. Praktisch kam ich gut mit, doch juristische Gutachten zu schreiben, bereitete mir Probleme, vor allem ihr Aufbau und die Sprache. Nach eineinhalb Jahren fiel ich durch meine Zwischenprüfung – und war raus. Das war im Februar 2017.
Mein Glück war damals, dass ich während meines Studiums eine tolle Ausbilderin bei der Stadt kennengelernt hatte. Ich sei ihr positiv in Erinnerung geblieben, sagte sie. Ich bekam so die Chance, mich bei der Stadt Leipzig für einen Ausbildungsplatz als Verwaltungsfachangestellte zu bewerben. Nachdem ich das Auswahlverfahren erfolgreich gemeistert hatte, konnte ich im September meine Ausbildung beginnen.
In den drei Jahren als Auszubildende:r muss man Stationen in der allgemeinen Verwaltung, in der Finanzverwaltung, Sozialverwaltung, im Ordnungsrecht und im Personalrecht absolvieren. Jede dieser Stellen war wie ein kleines Praktikum, zwischen sechs Wochen und drei Monaten, in denen man komplett eingearbeitet wird. Die Zeit bereitete mich super auf den Beruf vor.
Im August vergangenen Jahres hatte ich dann meinen ersten Arbeitstag als Ausgelernte im Sachgebiet Grundsteuer. Die größte Herausforderung für mich ist noch immer, meine Arbeit richtig zu priorisieren. Zu sehen, bei welchen Fällen man sofort antworten muss, etwa wegen fälliger Zahlungen, und was sich vielleicht noch klärt. Gerade bei Neubauten lohnt es sich oft, ein paar Wochen zu warten, weil das Finanzamt noch Dinge nachreicht. Hier profitiere ich sehr von der Erfahrung meiner Kolleg:innen. Sie machen für mich einen ganz großen Teil meines Berufes aus, deswegen bin ich so glücklich hier.
Flexibler als Freund:innen in anderen Branchen
Auch beim Umgang mit Bürger:innen unterstützen sie mich. Der größte Teil der Kommunikation läuft bei uns telefonisch oder per Mail. Klar bekommt man da auch mal etwas an den Kopf geschmettert. Es geht ja um Geld. Freundlich, aber bestimmt zu sein, auch offen Fehler einzugestehen, das sind sicherlich Stärken von mir.
Vielleicht möchte ich noch mal in einer anderen Abteilung arbeiten, aber einen anderen Job möchte ich nicht mehr machen. Ich habe Gleitzeit, 30 Urlaubstage, einen unbefristeten Vertrag und wurde mit der Entgeltgruppe E9a eingestellt, besser geht es mit meiner Ausbildung nicht. Momentan bekomme ich eine Vergütung von knapp 3015 Euro im Monat. Damit bin ich total zufrieden.
Um kommunal als Verwaltungsfachangestellte:r zu arbeiten, braucht man eine dreijährige Ausbildung. Eine Mittlere Reife ist zwingend erforderlich. Zusätzlich werden die Bewerber:innen über einen Einstellungstest geprüft. In der Praxis entscheiden sich Verwaltungen meistens für Auszubildende mit einer Hochschulreife.
Nach Ende der Ausbildung arbeiten Verwaltungsfachangestellte häufig in Behörden und Ämtern, etwa beim Bau- oder Ordnungsamt, oder in Gemeinde- und Kreisverwaltungen. Sie informieren Bürger:innen, Unternehmen oder auch andere Behörden.
Im Anschluss an die Ausbildung besteht etwa die Möglichkeit , sich in Anpassungsweiterbildungen (etwa im Rechnungswesen) auf dem Stand zu halten oder in Aufstiegsweiterbildung auf eine Führungsposition hinzuarbeiten, zum Beispiel zum Verwaltungsfachwirt. Auch ein Studium , etwa in Staatswissenschaften, ist eine Option.
Mit etwas Glück, wie bei unserer Protagonistin, beginnt man als Verwaltungsfachangestellte:r in der Entgeltgruppe E9a bei 3014,89 Euro. Mit drei Jahren Berufserfahrung bekommt man 3406,89 Euro, in der Spitze – im Normalfall nach 15 Jahren – dann etwas mehr als 4000 brutto Euro im Monat.
Mein Job bietet mir eine Sicherheit und Flexibilität, die Freund:innen in anderen Branchen nicht haben. Kommt in den nächsten Jahren die elektronische Akte , wird der Job sicher noch mal flexibler, ich könnte zum Beispiel besser von zu Hause arbeiten.
Mein Vater, der Fliesenleger ist, witzelt manchmal, dass wir in der Verwaltung ja nichts wegschaffen würden. Da stehe ich locker drüber. Ich bin glücklich, wie es ist. Es macht mich schon stolz, für die Stadt zu arbeiten, in der ich lebe.«
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