
50 Jahre Annabel's "Hello, rich people"
Welchen Drink nimmt die Queen in einer Disco? "Gin Martini, ohne Zitrone", sagt Mohammed Ghannam. Der frühere Barmann von Annabel's, dem berühmtesten Londoner Nachtklub, erinnert sich noch gut. Es sei der Höhepunkt seiner Karriere gewesen.
Der Besuch fand 2003 statt, Elizabeth II. war zum Geburtstagsessen einer adeligen Freundin eingeladen. Bis Mitternacht immerhin hielt sie es in dem Keller am 44 Berkeley Square aus, dann ging es zurück in den Palast. Getanzt hat sie nicht, die Presse freute sich dennoch über die "Disco-Queen".
Seit 1963 ist Annabel's der Treffpunkt der Londoner High Society. In den dezent beleuchteten Räumen im noblen Stadtteil Mayfair vergnügen sich Royals, Banker und Hollywoodstars. Man ist unter sich: Rein kommt nur, wer Mitglied ist oder von einem Mitglied eingeladen wird. Als Lady Gaga vor ein paar Jahren ein Livekonzert in dem exklusiven Kreis gab, sagte sie zur Begrüßung: "Hello, rich people".
Prinzessin Diana in Polizeiuniform
Diese Woche feierte der Klub sein 50. Jubiläum. Der Stichtag war streng genommen schon letztes Jahr, damals hatte es auch ein Fest gegeben. Doch man wird nur einmal 50, und so wurde den Mitgliedern nun ein einstündiger Jubiläumsfilm über die bewegte Geschichte ihres Klubs vorgeführt. Produziert wurde die Dokumentation "A String of Naked Lightbulbs" von Hollywoodregisseur Ridley Scott. Zur Premiere erschienen das britische Supermodel Kate Moss, der frühere Oasis-Sänger Noel Gallagher und die frühere First Lady von Frankreich, Carla Bruni.
Die Royals kommen in dem Film etwas kurz, der Klub hat auf Diskretion bestanden. Der Besuch der Queen war eine einmalige Ausnahme, dafür vergnügen sich ihre Familienmitglieder regelmäßig im Annabel's. Früher kamen Prinz Charles und Diana, heute Pippa Middleton. Diana und Fergie seien immer lustig gewesen, erzählt der langjährige Empfangschef Eddie Wetton in dem Film. Unvergessen ist die Kostümparty, zu der Diana in Polizeiuniform erschien.
John Wayne hat sich bei einem Besuch derbe daneben benommen, erfährt der Zuschauer. Sturzbetrunken griff er weiblichen Gästen an die Brust. Im Männerklo erklärte er den neben ihm stehenden Gästen: "Hey, jetzt kannst du deinen Kumpels erzählen, du hast mit John Wayne abgehangen."
Mischung aus "Sex und Exklusivität"
Klubgründer Mark Birley warb damit, dass die Mitglieder sich in den gemütlich eingerichteten Kellerräumen wie zu Hause fühlen sollten. Es sollte jedoch nie langweilig werden, er versprach eine Atmosphäre aus "Sex und Exklusivität". Die Gäste schätzen vor allem, dass sie hier vor neugierigen Augen sicher sind. "Annabel's ist großartig, weil es keine Journalisten und Paparazzi gibt", sagt Sänger Bryan Ferry. Als sich einmal ein "Sun"-Journalist einschlich und eine Kamera zückte, wurde der Film umgehend vom Türsteher unbrauchbar gemacht.
Bis heute gelten strikte Klubregeln: Handys müssen an der Garderobe abgegeben werden, für Männer sind Anzugjacken vorgeschrieben. Nur der Krawattenzwang wurde vor einigen Jahren aufgehoben. In der Hausordnung werden die Mitglieder daran erinnert, dass sie die Verantwortung für ihre Gäste tragen: "Stellen Sie sicher, dass Ihre Gäste (und Ihr Schoßhündchen, wenn es dabei ist) sich anständig benehmen."
Es gab immer schon Stars, für die andere Regeln galten: Mick Jagger von den Rolling Stones etwa wurde immer reingelassen, egal, was er gerade anhatte. Die Beatles hingegen wurden einmal abgewiesen - weil sie keine Schuhe trugen.
Als Birley den Klub 1963 gründete und nach seiner adeligen Frau Annabelle Vane-Tempest-Stewart benannte, war die englische Klassengesellschaft bereits im Umbruch. Das Wort "High Society" meinte nicht mehr nur Adel und altes Geld. "Friseure waren plötzlich so berühmt wie Gräfinnen", sagt Anna Wintour, die britische Chefredakteurin der amerikanischen Modezeitschrift "Vogue". "Annabel's war der Ort, an dem alle diese Menschen zusammenkamen."
Die Parties wurden im Laufe der Jahrzehnte immer aufwendiger: Es gab weiße Nächte, russische Wochen, Modeschauen und brasilianischen Karneval. Birley wollte von allem nur das Beste. Bei einer Weihnachtstombola gab es einen Aston Martin DBS V8 zu gewinnen, als zweiten Preis eine Safari in Afrika. Annabel's wurde zum Symbol der Dekadenz, auf dem Männerklo lief sogar ein Börsenticker mit Kursnachrichten aus New York und Tokio. In den ungezügelten Achtzigern war der Höhepunkt erreicht, es folgte eine Krise. Die Mitglieder starben weg, die Jugend suchte sich neue Spielplätze.
Doch der altmodische Charme des Klubs hat bis heute seine Fans. Die Künstlerin Tracey Emin feierte ihren Geburtstag hier, und für Hollywood-Prominenz auf der Durchreise bleibt der Klub die erste Anlaufstelle. Kurz vor seinem Tod 2007 verkaufte Gründer Birley sein Lebenswerk für 90 Millionen Pfund an den Modeunternehmer Richard Caring. Dieser ließ das Konzept unverändert - es scheint zu funktionieren.