
Alpine Architektur Neuer Bergbau

Es ist natürlich von Grund auf eine Schnapsidee: Häuser in den Alpen zu bauen. Jeder, der mal ein paar Stunden auf einem Berg saß und still den Blick schweifen ließ, kennt das Gefühl: Geradezu lächerlich, wie wir Menschen versuchen, auch nur Stromleitungen zu spannen entlang dieser 20, 30 Millionen Jahre alten Faltengebirgsketten. Von Chalets und Seilbahnstationen ganz zu schweigen.
Eine vierteilige Dokumentation zeigt nun, wie zeitgenössische Architekten versuchen, diesen Grat entlangzuwandern: Egal ob in der Schweiz, in Südtirol, Bayern oder Österreich, diese "Neue alpine Architektur", so der Titel der Arte-Reihe, zollt im Idealfall der überbordenden Natur Tribut. Immer derart spektakulär in Fensterrahmen inszeniert, als hätte Caspar David Friedrich seine Finger im Spiel.
Nur eines bringt einen sofort ins Stutzen: Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wieso die Doku als vier halbstündige Einzelhappen im Wochenabstand programmiert wurde; denn gerade im direkten Vergleich, wenn man alles in einem Rutsch schaut, scheinen die regionalen Eigenheiten und Gemeinsamkeiten auf. Etwa, wie wichtig die Maxime ist, hoch droben möglichst wenig Boden zu versiegeln.
Es überwiegt, selbst bei imposanten Bauten, die Demut vor der Natur: So hat die zum Bergkristall umgebaute Monte-Rosa-Hütte auf 3000 Meter Höhe, die der Schweizer Alpenverein im Wallis in Auftrag gab, eine Energiebilanz, die jedes Öko-Baugruppenprojekt in Freiburg blass werden lässt. Architekt Andrea Deplazes schiebt nach, dass sein Vorbild die Urform mittelalterlicher Bergfriede war - unmissverständlich: Die landläufige extravagante Kristallassoziation gefällt ihm nicht.
"Ein ganz leises Summen erzeugen, das lange anhält"
Diese Haltung taucht wiederholt auf: "Etwas Lautes zu produzieren, um der Größe der Berge etwas entgegenzusetzen, wäre kindisch", findet etwa der Vorarlberger Architekt Carlo Baumschlager. Es gehe in dieser Landschaft darum, "ein ganz leises Summen erzeugen, das aber lange anhält", sagt der Designer Nils Holger Moormann, der im Chiemgau ein denkmalgeschütztes Haus so sacht umbaute, dass der Ursprung unübersehbar blieb.
Allein dieser Tonfall macht klar: Die Reihe besticht durch die Auswahl an Protagonisten, die die Filmemacher Birgit Eckelt und Frieder Käsmann für die vier Teile gewinnen konnten. Da sind die erwartbaren Größen wie Jacques Herzog, Matteo Thun oder Peter Zumthor, der genau erklärt, wie er der Valser Kommune mehr oder weniger seine berühmte Berg-im-Berg-Therme untergejubelt hat. Und daneben stehen ganz gleichberechtigt aufstrebende Architekten wie Peter Pichler, der Ferienhäuser in Bozen rundum verspiegelte, so dass sie in der Landschaft komplett verschwinden, oder Selina Walder, die in Graubünden ein Haus als zurückhaltenden Betonabguss einer alten Holzhütte entwarf.
Dass Eckelt und Käsmann immer wieder Dokumentationen über Architektur und Alpenländisches gedreht haben, merkt man: Die Reportagen sind dankenswerterweise so informativ wie nüchtern aufklärend. Da werden zwar selbstverständlich die Schönheit der Bauten und ihre hochdramatischen Fensterblicke panoramabreit abgefilmt, aber genauso kommentieren die beiden trocken, dass Zaha Hadids Alpenarchitektur zwar beeindruckt, aber eher mäßig nachhaltig ist, oder dass die bayerischen Ansätze im Vergleich zu Gebäuden in den anderen Regionen deutlich abfallen - da sei "noch Luft nach oben".
Die komplexe Logistik, Baustoffe zu transportieren
Der größte Gewinn dieser Reihe aber ist, dass die Filmemacher fast en passant herausarbeiten, inwiefern architektonische Konzepte in den Bergen anders funktionieren als in der Stadt oder im Tal - so dass man sich glatt wünscht, die Alpenarchitekten würden die anderen nachhaltig inspirieren. Etwa, weil die komplexe Logistik, Baustoffe zu transportieren, schon im Entwurf mitgedacht werden muss. Oder wie es der Südtiroler Architekt Matteo Thun bedächtig formuliert: Er könne in seinen Entwürfen immer nur versuchen, das komplexe Mikroklima eines Ortes zu verstehen - die Intelligenz der Bergbauern damals bleibe unerreichbar.
Schutz vor der Natur, das war der Anfang aller Architektur. Nirgends wird das so deutlich wie im Gebirge. Nur, dass beim Bauen dort nun mitgedacht werden muss, wie die Natur vor den Menschen geschützt werden kann. Das Dilemma zeigt diese Reihe: Die Touristen kommen längst auch wegen der Architektur.
"Neue alpine Architektur", Arte
Teil 1: ... in der Schweiz. am 4.12., 11:20 Uhr
Teil 2: ... in Südtirol; am 11.12., 11:20 Uhr
Teil 3: ... in Bayern: am 18.12. 11:45 Uhr
Teil 4: ... in Österreich, am 25.12., 11:40 Uhr
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Das von Zaha Hadid entworfene Messner-Museum in Corones steht auf dem Gipfel des Kronplatzes in Südtirol. 2275 Meter über dem Meeresspiegel hat Hadid unterirdische Galerien und eine Aussichtsplattform platziert.
Die alpinen Bauten der im April 2016 verstorbenen Stararchitektin sind zwar beeindruckend, aber die Nachhaltigkeitsbilanz der Gebäude ist eher mäßig.
Die Mirror Houses von Architekt Peter Pichler verschwinden nahezu vollständig in der Landschaft. Möglich macht das eine verspiegelte Fassade.
Beim Bauen in den Bergen geht es mehr als andernorts darum, die Schönheit der Umgebung zu unterstreichen, oder eben Häuser so unauffällig wie möglich zu gestalten.
Die Häuser im Bungalowstil stehen am Stadtrand von Bozen inmitten der Südtiroler Dolomiten. In dem Gebäude sind zwei Ferienwohnungen untergebracht.
Die Chesa Futura in St. Moritz wurde von Norman Foster erbaut und vereint futuristische Bauformen und traditionelle Baustoffe.
Das Refugi Lieptgas in der Schweizer Gemeinde Flims ist quasi eine Holzhütte aus Beton. Erdacht hat sie das junge Architektenduo Selina Walder und Georg Nickisch. Der Bau sorgte nicht nur in Fachkreisen für Aufsehen.
Mit seiner Therme in Vals setzte Peter Zumthor Maßstäbe: Der radikal reduzierte Monolith aus Valser Quarzit fügt sich in den Berghang ein, sein archaisch wirkender, streng puristischer Innenbereich scheint direkt in den Fels gehauen.
Der heimatverbundene Schweizer Architekt Andrea Deplazes hat vor allem durch die Monte-Rosa-Hütte auf sich aufmerksam gemacht.
Das spektakuläre Gebäude dient als Experimentierlabor für nachhaltiges Bauen in den Alpen.
Die Monte-Rosa-Hütte knüpft an die Tradition expressiven Bauens im Hochgebirge an.
In Aschau im Chiemgau, am Fuße der Kampenwand, liegt das Gästehaus "berge" mit seinem ungewöhnlichen Charme.
Für die reduzierte Formensprache ist der Hausherr, der Möbelproduzent und Designer Nils Holger Moormann, verantwortlich.
Es gehe in dieser Landschaft darum, "ein ganz leises Summen erzeugen, das aber lange anhält", sagt Nils Holger Moormann. Sein Gästehaus baute er in ein denkmalgeschütztes Anwesen.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden