Styling für künstliche Intelligenz Mensch, Maschine!
Kip hat Angst und er zeigt es. Wenn man sich über ihn beugt, in die Hände klatscht, poltert, dann schreckt er mit seinem an einen Lampenschirm erinnernden Papierkopf zurück. Er zittert wie ein Schoßhund, den man gerade erschreckt hat. Das ist natürlich ein Riesenspaß, denn Kip macht das nichts aus. Kip ist ein Roboter aus Acryl, Garn und Papier, der 2015 von Guy Hoffman und Oren Zuckerman entwickelt wurde, um menschliche Kommunikation zu begleiten, quasi deren emotionale Stoßrichtung zu kontrollieren.
Vielleicht steht Kip bald in unseren Büros. Wenn jemand in der Morgenkonferenz zu laut wird, wenn aus einer produktiven Diskussion ein Streit wird, wenn der Ton aggressiv wird, greift er ein. "Eine Messinstanz für menschliches Miteinander", so steht es im Ausstellungskatalog geschrieben, könnte Kip werden. Ein irrer Gedanke. Ein Zukunftsgedanke.
"Hello, Robot" heißt die neue Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein - und Kip ist eine gutes Beispiel, um zu erklären, was ein Roboter überhaupt ist. Beziehungsweise: um sich so etwas wie einer Erklärung zu nähern, denn ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Handlung bedingt Interaktion
Der Begriff "Roboter" stammt aus der Dramaturgie: Der tschechische Schriftsteller und Dramaturg Karel Capek inszenierte mit "R.U.R. - Rossums Universal Robots" vor bald 100 Jahren ein Stück über eine mechanische, also entmenschlichte und damit ihrer Würde beraubten Arbeiterklasse, die der Menschheit nicht, wie erwartet, dient, sondern diese vernichten möchte.
Der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling sagt: "Roboter sind ein Werkzeug für den dramatischen Effekt." Am nüchternsten ist wohl die Definition von Carlo Ratti, Leiter des MIT City Lab, der wie auch Sterling als Berater der Ausstellung diente. Roboter, so der Wissenschaftler, bräuchten dreierlei: Sensoren, Intelligenz und Aktoren. Sie müssen also Informationen aufnehmen, verarbeiten und daraus eine Handlung ableiten können. Das wiederum erklärt, was so eine Ausstellung in einem Designmuseum zu suchen hat. Handlung bedingt Interaktion. Und Interaktion benötigt immer auch Design.
Das mag etwas kompliziert klingen, wurde von den Machern der Ausstellung aber mit einem interessanten Kniff umgesetzt: Sie wiegen die Besucher gerade in den ersten Räumen in Sicherheit. Sie bestätigen hier das Bild, das man vom Roboter hat, um es anschließend je nach Sichtweise in Frage zu stellen oder zu erweitern. Da steht der wohl bekannteste Roboter der Filmwelt, R2-D2. 96 etwas dicklich wirkende Zentimeter, die wohl jedem vertraut vorkommen. Daneben eine kleine Sammlung Spielzeugroboter: buntlackierte Blechbüchsen aus Fernost, die bis zu 70 Jahre alt sind und Namen wie Radar Robot oder Sparky Robot tragen. Dazu laufen Filme, die sich mit der Thematik befassen.
Trickfilm trifft Spielzeug. Science Fiction trifft Wissenschaft. Gut trifft Böse. Eine schon jetzt ganz schön smarte Umgebung trifft unsere diffusen Zukunftsängste. Von alldem erzählt "Hello, Robot", und zwar mit einer guten Portion Humor: Als Besucher muss man manchmal ziemlich lachen, etwa wenn für einen Roboter, der beim Stillen eines Babys helfen soll, eigens ein Tarnanzug angefertigt wurde: Als lustiger Drache verkleidet sieht das Ding furchteinflösender aus als in seiner eigentlichen, streng der Funktion folgenden Optik.
Können wir Robotern trauen?
Außerhalb des Museums steht der "Elytra Filament Pavilion", konstruiert aus Modulen, die von einem Algorithmus definiert und von Industrierobotern produziert wurden. Die 200 Quadratmeter große Dachkonstruktion aus Glas- und Karbonfasern folgt dabei dem Prinzip eines Insektenflügels und besitzt gegenüber herkömmlichen Dächern einen großen Vorteil: Sie wiegt gerade einmal zweieinhalb Tonnen. Was nach einem riesengroßen Spinnennetz aussieht, könnte die Bushaltestelle der Zukunft sein.
Die über 200 Exponate von "Hello, Robot" verteilen sich auf vier unterschiedliche Bereiche. Der erste gehört R2-D2 und seinen Freunden, bildet also das Zwischenspiel von Popkultur und Robotik ab. Der zweite beschäftigt sich mit Robotern in Industrie und Arbeitswelt. Der dritte Teil erzählt vom Roboter als "Freund und Helfer", bevor im vierten Teil die zunehmende Verschmelzung zwischen Mensch und Robotik geschildert wird.
Als Leitfaden dienen zusätzlich 14 Fragen. In großen weißen Lettern hängen Sie über den Exponaten. Eine davon lautet: "Vertrauen Sie Robotern?" Um sie positiv zu beantworten, ist Design ein immens wichtiges Werkzeug. Von der dystopischen Blechkisten-Optik hat sich die Robotik längst verabschiedet, zumindest, wo sie uns den Alltag erleichtern soll. Hier ist Harmlosigkeit gefragt. Da ist etwa BlabDroid. Noch ein Kunstprojekt, aber eines, das erstaunlich realitätsnah wirkt. BlabDroid sieht aus wie ein Hybrid aus Brio-Eisenbahn und Tamagochi und fragt mit glockenklarer Stimme die Geheimnisse seines Besitzers ab.
Gegen Ende der Ausstellung werden einige der Fragen übrigens beantwortet. Obwohl, nein. Das stimmt nicht ganz. Die "Slogans For The Twentyfirst Century" des amerikanischen Autoren Douglas Coupland sind eine Installation aus 35 bunten Spruchtafeln, die sich jeweils mit einer der Veränderungen beschäftigen, die aus dem Wechsel des 20. zum 21. Jahrhunderts resultieren. "Machines Are Talking About You Behind Your Back", steht da, "Honk If You're Driving A Driverless Car" oder "It's All Happening Way Faster Than We Thought".
Vor allem letztere These möchte man nach dem Besuch der Ausstellung zustimmen. Vielleicht steht Kip schon in drei, vier Jahren in unseren Büros. Eigentlich ein ganz schöner Gedanke.
Ausstellung: "Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" im Vitra Design Museum , 11.2.-14.5.2017
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es im Teaser, die Ausstellung sei in der Schweiz. Tatsächlich ist sie im baden-württembergischen Weil am Rhein.