

Porträtserie zu Black Lives Matter "Jeder Mensch stammt aus Afrika"
Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in Polizeigewahrsam gab es auch in deutschen Städten Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung. Unter anderem in Berlin demonstrierten mehrere Hundert Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Fotografin Shirin Esione war bei einer der Veranstaltungen im Juni vor Ort und hat Demonstranten porträtiert.
Die Idee zu der Fotoserie kam ihr mit Rebecca Rütten, einer befreundeten Fotografin. "Ich fand aber, es würde nichts bringen, wenn wir nur Fotos machen", so Esione, "die Leute haben ja was zu sagen." Also haben sie den Teilnehmern der Demonstration jeweils eine Frage gestellt. Zum Beispiel "Was ist für Dich das Wichtigste, das Leute von dieser Demonstration mitnehmen können?" oder "Wie hat die aktuelle Situation Dein Leben persönlich beeinträchtigt?" Die Bilder selbst entstanden in Nahaufnahme vor einem weißen Hintergrund und mit minimaler Beleuchtung.

Gesichter des Protests
Shirin Esione / Assistenz Rebecca Rüten
"Uns war die Mischung wichtig", sagt Esione, die als Fotografin den nigerianischen Namen ihres Vaters nutzt, bürgerlich aber mit Nachnamen Siebert heißt. Mit Mischung meint sie nicht nur "Männer und Frauen, Alte und Junge", sondern auch verschiedene Hauttöne. Denn "je dunkler jemand ist, desto stärker wird er in der Regel angefeindet", weiß Esione aus ihrem Freundeskreis zu berichten: "Es gibt definitiv Abstufungen."
Sie selbst sei vergleichsweise privilegiert mit ihrer helleren Haut und ohne Behinderung: "Mir persönlich werden nicht wirklich direkte Beleidigungen hinterhergerufen, was meinen dunkleren Freunden schon passiert. Dennoch gelten für mich andere Standards als für Weiße, zum Beispiel bei der Arbeit oder in der Schule." Oft sind es eher "kleine Sachen, unüberlegte Kommentare", die ihr aufstoßen. Etwa wenn jemand über "Ausländer" redet.
Shirin Esione glaubt nicht, dass die Welt durch die Proteste grundlegend verändert wird. Dafür kämpfen möchte sie aber weiterhin. "Es geht nicht nur darum, dass jeder nett zueinander ist oder Leute besser repräsentiert werden, wenn dabei die gleichen rassistischen Strukturen bestehen bleiben", sagt Esione. Für sie ist es ein globales Thema. "In Deutschland geht es uns vielleicht noch vergleichsweise gut, aber anderswo werden schwarze und braune Menschen weiterhin ausgebeutet."
Der Verein "Neue Deutsche Medienmacher*innen" hat ein Glossar erstellt. Darin werden Begriffe erklärt wie "People of Color (PoC)", "Schwarze" "Geflüchtete" oder auch "Grenze des Sagbaren". Das Glossar richtet sich in erster Linie an Journalistinnen und Journalisten - lesen dürfen es aber natürlich auch alle anderen. Hier geht es zum Glossar .
Am Rande der Demonstration fragte Esione auch einen kleinen Jungen, ob er stolz auf seine Hautfarbe sei. Die Antwort des Fünfjährigen: "Ich mag nicht schwarz sein. Ich wäre lieber heller. Schwarz ist nicht schön." Esione kann das "zu hundert Prozent nachvollziehen". Als Kind habe sie auch weiß sein wollen, sagt sie und erinnert sich, wie sie damals für ihr Aussehen gehänselt wurde. "Ich bin fast zwanzig Jahre älter als der Junge, aber weiß leider genau, wie er sich fühlt", sagt die 22-Jährige.