Streit über Camembert Starköche warnen vor "vulgärer weicher Paste ohne Geschmack"
"Schande, Skandal, Betrug" - ein zur Rettung des traditionellen Normandie-Camemberts veröffentlichter Appell spart nicht mit deutlichen Worten. Der Käseklassiker werde seinen Charakter verlieren und eine "vulgäre weiche Paste ohne Geschmack" werden, heißt es in einem offenen Brief, den die Zeitung "Libération" abdruckte. Doch "gutes Essen", und dazu gehört für Franzosen Käse, sei ein Grundrecht.
Unterzeichnet haben den Gastbeitrag unter anderem die französischen Starköche Sébastien Bras, Olivier Roellinger und Anne-Sophie Pic sowie Käseproduzenten und Winzer. Sie protestieren darin gegen eine Entscheidung des Inao-Instituts, das in Frankreich über die traditionelle Herstellung von Lebensmitteln wacht. Im Februar hatte das Institut verkündet, dass künftig auch Camembert aus pasteurisierter Milch - die zu mindestens 30 Prozent Milch von normannischen Kühen stammen muss - das begehrte AOP-Herkunftssiegel tragen darf.
Bisher gab es die geschützte Herkunftsbezeichnung - AOP steht für "appellation d'origine protégée" - für "echten Camembert aus der Normandie" nur, wenn ausschließlich Rohmilch von Kühen verwendet wurde, die in der Normandie grasen. Bislang durfte zwar auch schon hocherhitzte Milch zu Camembert werden, der war dann aber nur "erzeugt in der Normandie".
Mit der umstrittenen Entscheidung will das Inao-Institut das Nebeneinander verschiedener Normandie-Camemberts beenden und einen seit Jahren andauernden Käse-Krieg zwischen industriellen und handwerklichen Produzenten befrieden. Ab sofort ist alles "Camembert aus der Normandie". Für handwerklich und aus Rohmilch gemachten soll es allerdings noch den Zusatz "véritable" (deutsch: echt) geben.
"Freiheit, Gleichheit, Camembert!"
In der Lockerung der Erzeugungsregeln sehen die Unterzeichner des Käse-Appells jedoch ein "verhängnisvolles Risiko für Bauern und Verbraucher". Der "echte" Camembert werde zum Luxusgut, während sich die meisten Verbraucher mit industriell hergestellter Ersatzware zufriedengeben müssten.
Das Inao rechtfertigt seine Entscheidung außerdem damit, dass Käse aus pasteurisierter Milch gesünder sei, weil er sich besser transportieren und lagern lässt. Doch das Hygiene-Argument wollen die Käsemacher und Köche nicht gelten lassen. Ohne naturbelassene Kuhmilch könne man keinen vernünftigen Camembert machen. Schließlich seien es doch die Bakterien, Keime und Mikroorganismen, die den Geschmack geben.
"Wir fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik!", schreiben die Käse-Hüter deshalb und enden mit einem augenzwinkernden: "Freiheit, Gleichheit, Camembert!"