
Degree Clothing: Faire Shirts aus Augsburg
Öko-Modemacher Pullover aus PET-Flaschen
Fabian Frei (26) und Wolfgang Schimpfle (25) sind Inhaber von Degree Clothing. Die beiden Augsburger haben einen Bachelor in Umwelt- und Verfahrenstechnik und machen ihren Master gerade parallel zur Unternehmensleitung. Anfang August ist ihre "Beachmaster"-Kollektion erschienen.
SPIEGEL ONLINE: Herr Frei, Herr Schimpfle, warum heißt Ihr Modelabel ausgerechnet Degree Clothing , also "Grad-Bekleidung"?
Frei: Damit beziehen wir uns auf die Klimaerwärmung. Wir machen Mode, die ökologisch und fair hergestellt ist, die die Umwelt bei der Produktion möglichst wenig belastet. Außerdem hat das Wort schöne runde Buchstaben.
SPIEGEL ONLINE: Wie kamen Sie auf die Idee, Degree Clothing zu gründen?
Frei: Das ging los, als ich 2009 nach dem Abitur mit Freunden in Neuseeland war. Wir sind acht Monate durchs Land gefahren und waren hauptsächlich surfen. Wir lebten sehr naturverbunden, dabei kam uns die Idee, die Lebenseinstellung der Surfer mit Kleidung transportieren zu wollen: Mode mit ökologischem Anspruch.
SPIEGEL ONLINE: Aber warum ausgerechnet Mode?
Frei: Ich habe mich beim Einkaufen früher oft gefragt: Warum trage ich immer nur Klamotten aus dem Laden hinaus - warum kann ich nicht mal welche hineinbringen, meinen eigenen Style und meine Haltung verbreiten? Wenn die Leute dein Label auf der Brust tragen, hast du eine große Reichweite und kannst was verändern. Es war mir klar, dass es in der Textilindustrie eine falsche Entwicklung gibt - ich wollte zu einer sinnvollen Herstellung zurück.
SPIEGEL ONLINE: Und nach der Rückkehr aus Neuseeland ging es direkt an die Umsetzung?
Frei: Ich habe begonnen, Umwelt- und Verfahrenstechnik zu studieren. In meiner Bachelor-Arbeit habe ich später sogar eine CO2-neutrale Textilfabrik konzipiert. Neben der Uni habe ich mit Freunden angefangen, fair und ökologisch produzierte Standard-Shirts einzukaufen und sie bei mir im Keller zu bedrucken. Wir sind da ohne Kenntnisse rangegangen und haben viele Nächte mit Siebdrucktests verbracht. Die Shirts haben wir an Kommilitonen verkauft, zunächst so zwei, drei Teile im Monat. Das war eher ein Hobby. Die anderen beiden sind irgendwann ausgestiegen.
SPIEGEL ONLINE: Wie ging es danach weiter?
Frei: Über die Uni habe ich Wolfgang kennengelernt, mit dem ich die Idee einer lokalen Fertigung entwickelt habe. Irgendwann hat ein Augsburger Laden unsere Sachen ins Sortiment genommen. Mit der Zeit kamen weitere dazu, sogar in Lima und Paris. Weil wir das Ganze irgendwann nicht mehr von unseren WGs aus organisieren konnten, haben wir vergangenes Jahr in Augsburg ein eigenes Büro mit Showroom eröffnet.
SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie sich diesen schnellen Erfolg?
Frei: Was uns ausmacht, ist unser Style, sind Ideen wie das Shirt mit dem Druck "Wenn Bayern ein Meer hätte" oder der Hoodie mit Holzpropeller auf der Kapuze. Dazu kommen unsere hohen Produktionsstandards.
Schimpfle: Dadurch dass wir sehr viel selber machen, können wir die Kosten niedrig halten. Wir versuchen, online Werbung zu machen: So hat der Augsburger Rapper Kex Kuhl in einem Video zum Beispiel ein Shirt von uns getragen. Danach kamen die Kids.
SPIEGEL ONLINE: Was macht den Stil von Degree Clothing aus?
Frei: Wir kommen aus dem Trendsport, aus der Surf- und Longboard-Szene. Zugleich wollen wir, dass sich auch Leute außerhalb dieser Szene mit der Kleidung anfreunden können. Wir haben verrückte Design-Ideen, von denen wir 80 Prozent wieder verwerfen. Den Rest muss man einfach umsetzen. Viele Leute mit guten Ideen scheitern genau daran.
SPIEGEL ONLINE: Da Sie beide keine gelernten Schneider oder Designer sind: Woher haben Sie Ihr Wissen über Mode?
Schimpfle: Meine Mutter ist Schneiderin und hat uns ein paar Grundlagen gezeigt, was Schnittmuster anbelangt. Aber vieles haben wir uns durch Ausprobieren selbst beigebracht. Dazu gehören auch solche Dinge wie Marketing und Webdesign, das machen wir alles selbst.
SPIEGEL ONLINE: Aber vermutlich bedrucken Sie die Shirts inzwischen nicht mehr selbst im Keller?
Frei: Unsere Baumwolle ist Bio- und Fair-zertifiziert; sie wird in der Türkei von Hand gepflückt. Die Arbeiter dort verdienen deutlich über Mindestlohn. Uns ist wichtig, dass keine Pestizide eingesetzt werden. Und keine großen Maschinen, die würden den Boden zu sehr verdichten.
Schimpfle: Die Weiterverarbeitung lassen wir seit diesem Jahr in Portugal machen. Wir waren im Frühjahr dort und haben Fabriken ausgesucht. Das war transparent, wir konnten überall reingehen. Zum Beispiel haben wir darauf geachtet, dass die Abwässer aus der Färberei ordentlich geklärt werden.
SPIEGEL ONLINE: Wie soll Ihre junge Marke sich weiterentwickeln?
Schimpfle: Wir experimentieren gerade viel mit neuen Materialien: Unsere Labels sind alle aus Kork, weil wir kein Plastik verwenden wollen. In der neuen Kollektion haben wir eine kurze Hose, die komplett ohne Metall und Plastik auskommt. Die hat statt eines Reißverschlusses eben eine Schnürung. In den neuen Pullovern haben wir recycelte PET-Flaschen verarbeitet. In Zukunft wollen wir mit Hanf, mit Brennnesseln arbeiten, mit alten Fasern, die früher verwendet wurden.
Frei: Langfristig ist es unser Ziel, möglichst viel hier in Augsburg zu produzieren. Vergangenen Winter haben wir eine 80 Jahre alte Strickmaschine auf Ebay ersteigert, für einen Euro! Es hat etwas gedauert, bis wir das Ding bedienen konnten, aber jetzt funktioniert es. Damit stellen wir Stoff her, den zwei Näherinnen zu Mützen und Stirnbändern verarbeiten.
SPIEGEL ONLINE: Kann man sich Klamotten, die unter diesen Bedingungen produziert werden, überhaupt noch jemand leisten?
Schimpfle: Unsere T-Shirts liegen zwischen 30 und 40 Euro. Man muss da zurück zu einem normalen Maß finden, vieles ist einfach viel zu billig.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt sehr idealistisch. Ist die Mode von Degree politisch?
Frei: Wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, sinnvoll einzukaufen. Dabei müssen sie nicht auf ihren Lifestyle verzichten, haben also eine echte Alternative. Wir versuchen aber, gar nicht zu sehr mit dem Öko-Thema zu werben. Für uns ist das eigentlich der Standard und was sonst in der Textilindustrie abläuft, das ist das Abartige.