Saba Afeworki, Gründerin der »Black-owned Business association« in Frankfurt
Saba Afeworki, Gründerin der »Black-owned Business association« in Frankfurt
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Katharina Dubno

Feminismus-Fotoprojekt »Für ein selbstbestimmtes Leben«

Für das Frauenreferat in Frankfurt am Main hat die Fotografin Katharina Dubno mehr als 100 Menschen porträtiert – und sie nach ihrem Feminismusbegriff gefragt. Ein Gespräch über Zugänge, Diversität und Überraschungsmomente.
Ein Interview von Enrico Ippolito

SPIEGEL: Frau Dubno, für das Projekt »This Is What A Feminist Looks Like « haben Sie im Auftrag des Frankfurter Frauenreferats 167 Fotos von Protagonist:innen gemacht. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?

Dubno: Ich wollte vor allem zeigen, wie vielfältig Feminismus in Frankfurt gelebt wird, generations- und geschlechterübergreifend, in den unterschiedlichsten Berufsfeldern, Lebensstilen und Stadtteilen. Ich wollte sichtbar machen, wofür die Menschen einstehen, sich engagieren, wie bunt Feminismus ist. So viel Vielfalt wie nur möglich – von Politiker:innen über Künstler:innen bis hin zu Aktivist:innen. Ich wollte mich allen intensiv widmen, zeitlich wie auch inhaltlich, ihre Anliegen, ihre Themen verstehen, um ein nahbares Porträt zu erschaffen. Das Projekt entstand in einem Zeitraum, in dem die Rassismusdebatte durch die weltweiten Black Lives Matter-Proteste stärker wurde, in dem der Anschlag von Hanau passierte, die Coronakrise, in der sich soziale Ungleichheit und zahlreiche Probleme zeigten. Themen, mit denen sich die Protagonist:innen des Projektes jahrelang auseinandergesetzt haben und die zu lange im Hintergrund blieben. Ihnen nun eine Stimme durch die Fotografien zu geben – das lag mir am Herzen.

SPIEGEL: Die Diversität, die Sie ansprechen, zeigt sich auch in den Fotos. Sie haben die Menschen an Orten abgelichtet, die für sie wichtig sind.

Dubno: Mit dieser sehr persönlichen Frage habe ich viele überrascht und auch herausgefordert. Politiker:innen sind es ja zum Beispiel gewohnt, auf eine gewisse Art und Weise fotografiert zu werden, und als ich ihnen erklärte, dass alles möglich sei, ob ein Shooting im Wohnzimmer, der Badewanne, im Café oder auch einem Schwimmbad, waren einige erst mal irritiert und etwas zurückhaltend. Aber das war eben spannend, weil es dazu geführt hat, dass sich einige mehr mit sich beschäftigt und sich mir komplett anvertraut haben.

Fotostrecke

Feminismus in Frankfurt: Jenseits von Klasse, Bildung, Nationalität

Foto: Katharina Dubno

SPIEGEL: Menschen haben Sie in ihre eigene Wohnung eingeladen, das erfordert eine gewisse Intimität. Wie haben Sie die Orte letztlich ausgewählt?

Dubno: Ich denke, dass Offenheit dabei eine zentrale Rolle spielt. Es ist mir wichtig, den Menschen zunächst ohne die Kamera zu begegnen, bevor ich sie porträtiere, auch, um ein Gefühl für sie und für den Ort zu bekommen. Ich habe versucht, mich bei der Wahl des Ortes so gut wie möglich zurückzuhalten, manchmal wurde ich auch gefragt. Wenn mir eine Person gesagt hat, dass Kunst sie beispielsweise inspiriert, habe ich begonnen, zu überlegen, Menschen kontaktiert, die ich teilweise durch das Projekt kennengelernt habe und die mir geholfen haben. In Zeiten der Pandemie wurden uns einige Türen geöffnet an Orten, die sonst schwerer zugänglich gewesen wären.

SPIEGEL: Wie haben Sie es geschafft, eine gemeinsame Bildsprache zu finden?

Dubno: Das war wegen der Vielzahl der Orte und der unterschiedlichen Protagonist:innen eine große Herausforderung. Für mich ergibt sich die Bildsprache durch die Nähe und das Gefühl für den Menschen. Einen Moment voller Leichtigkeit und Zutrauen zu schaffen – darum geht es mir. Porträts sind immer eine Zusammenarbeit, und wenn die Person sich wohl mit mir fühlt und ich auch Vertrauen habe, dann erkennt man das in dem Bild auch. Dass ich eine Kamera dabei habe, wird schnell vergessen, weil es vor allem um den Austausch geht, um eigene Erfahrungen, Geschichten. Da ergeben sich Parallelen oder auch Reibungspunkte. Das sichtbar zu machen – das ist das Schöne an meinem Job.

SPIEGEL: Haben Sie durch die ganzen Begegnungen etwas gelernt, gab es ein Überraschungsmoment für Sie?

Dubno: Ja, ich habe viel über den Feminismus, über Klischees, die Geschichte, natürlich auch viel über mich selbst gelernt und wie viel man im Kleinen bewirken kann. Mir sind viele Menschen ans Herz gewachsen, weil sie mir unter anderem ihre Lebensgeschichten anvertraut haben, wie die 90-jährige E.R. Nele. Sie ist eine wundervolle Künstlerin, Bildhauerin, hat den Krieg erlebt, in London und Berlin studiert, alle Frauenbewegungen mitgemacht, sich für Gleichberechtigung und Freiheit eingesetzt. Sie ist ein so lebensfroher und lebensbejahender Mensch. Das Wort »Kampf« mag sie wegen der Kriegserfahrung nicht, aber auch, weil sie sich eher auf das Positive konzentriert, auf die Kraft, die in uns allen steckt, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das ist eine Sichtweise, die ich teilen und mit der ich mich identifizieren kann. Sie ist für mich Inspiration und Vorbild geworden.

SPIEGEL: Sie haben schon die verschiedenen Generationen angesprochen, haben Sie Unterschiede erkannt?

Dubno: Verschiedene Zeiten und Erfahrungen haben alle auf unterschiedliche Weise geprägt – klar gibt es verschiedene feministische Bewegungen und Strömungen, aber ich würde sagen, dass vor allem eine große Offenheit herrscht, voneinander zu lernen. Es gibt mehr Zusammenhalt als Auseinanderdriften.

SPIEGEL: Das Projekt ist intersektional ausgerichtet. Was bedeutet das für Sie?

Dubno: Wenn wir über Feminismus sprechen, dann geht es mir darum, dass alle Aspekte, verschiedene Lebensrealitäten und Zugehörigkeiten und die daraus resultierenden Benachteiligungen in unserer Gesellschaft miteinbezogen werden. Neben der Gleichstellung oder der gleichen Bezahlung – ich verdiene beispielsweise als Frau ca. 30 Prozent weniger als meine männlichen Kollegen – müssen in feministischen Diskursen unterschiedliche Diskriminierungsformen wie Rassismus, sozioökonomischer Status, geschlechtliche Identität, Ableismus oder die sexuelle Orientierung immer auch eine Rolle spielen. Menschen werden aufgrund ihres Aussehens, ihres Nachnamens, Körpers etc. mehrfach diskriminiert – ihr Alltag ist davon geprägt. Der intersektionale Feminismus bezieht alle Punkte mit ein, schafft sichere Räume und Chancen. Es ist viel Aufklärung, Sensibilität und Unterstützung in allen Lebensbereichen nötig. Ich hoffe, dass dieses Projekt andere inspiriert, sich zu verbinden und gemeinsam für mehr Menschlichkeit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung einzustehen.

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