Fotostrecke: Hollywoodstars, die auf Nudeln starren
Alfredo Di Lelio Wie der Nudelkönig Hollywood eroberte
In New York kriegt man Alfredo's Pasta an vielen Ecken. Im Restaurant "Paesano", Mulberry Street, Lower Manhattan, beispielsweise. Auch bei "Tonys Di Napoli", nicht weit vom Broadway, steht es auf der Menukarte. Sogar im "New Tavarez" in Brooklyn, das eigentlich auf lateinamerikanische Küche spezialisiert ist.
So ähnlich ist es überall in den USA. Selbst auf dem Weg in den Grand Canyon kann man sich in Tusayan, im Schnellrestaurant "We cook Pizza and Pasta", noch einmal für 15,25 Dollar mit "Fettuccine Alfredo" stärken.
Das sind Bandnudeln, "al dente" gekocht, mit einer dicken Sauce aus sehr viel Butter und noch mehr zerlaufenem Käse überzogen. Sie gelten in den USA als "das" italienische Nudelgericht überhaupt, das echteste vom echten.
Am Anfang war die Wirtin krank...
Tatsächlich hat es ein Italiener im Jahr 1907 oder 1908 erfunden, ganz genau weiß man es nicht, und ihm später seinen Namen gegeben. Alfredo Di Lelio, Wirt und Koch eines kleinen Gasthauses in Rom, wollte dabei eigentlich nur seine Frau retten. Die hatte nach der Geburt ihres Sohnes keinen Appetit, kränkelte, magerte ab, verfiel - bis Alfredo ihr die kalorienreichen Nudeln vorsetzte. Sie gedieh prächtig, das Rezept kam auf die Speisekarte und die sagenhafte Geschichte konnte beginnen.
Es dauerte freilich noch ein Weilchen, bis 1920 Filmstar Douglas Fairbanks und Mary Pickford, Schauspielerin und Mitbegründerin der Filmgesellschaft United Artists, auf ihrer Hochzeitsreise bei Alfredo vorbeischauten, dessen dicke Nudeln aßen und hin und weg waren. Von den Nudeln und vom Wirt, denn der war ein echtes Wirtshaus-Original, lachte viel und brachte die Leute zum Lachen. Er umarmte sie, sie umarmten ihn, alles mehrfach wiederholt, so sagt man.
...dann rückte Hollywood an
Zurück in den USA schwärmte das Kino-Traumpaar vom Wirt und seiner Wunderspeise. Und nun begann das Märchen wirklich. Alfred Hitchcock, Ava Gardener, Ella Fitzgerald und alles was sonst einen Namen auf Leinwand oder Bühne hatte, musste zu Alfredo. Rockefeller habe sich eigens einen Stuhl anfertigen lassen, der dort im Keller seiner Besuche harrte. Und auch Tony Curtis war, etwas später, Stammgast.
Da wo die Reichen und Schönen hingehen, wollen auch die nicht ganz so üppig damit Ausgestatteten sehen und gesehen werden. Und wo schon so viele sind, drängt der Rest nach. Alfredos Gasthaus brummte. Das Ehepaar Fairbanks und Pickford kam ab und zu vorbei, brachte 1927 zwei goldene Bestecke mit - Gabel und Löffel jeweils - mit der Gravur: "To Alfredo the King of the noodles". Mit denen ließ Alfredo seine allerberühmtesten oder -reichsten Gäste gabeln und löffeln.
Dann kam der 2. Weltkrieg - und kein Ami und kein Promi mehr nach Rom.
Plötzlich gab es zwei Alfredos...
Auch nach dem Krieg lief das Geschäft eine Weile schleppend. Alfredo verkaufte sein Restaurant in der Via Scrofa, unweit der Piazza Navona, an die Familie Mozetti. Als die schlimmen Zeiten vorbei waren und die Touristen wieder kamen, präsentierte die ihr Gasthaus unter dem Namen "Alfredo alla Scrofa" und übernahm den Ruhm des Originals - "Geburtsort der Fettuccine all'Alfredo" - und natürlich viele alte Kunden.
Das hielt der eigentlich abgedankte "König der Nudeln" nicht lange aus. Er eröffnete an der Piazza Imperatore Augusto, nur ein paar Minuten zu Fuß vom alten Ort entfernt, ein neues Restaurant und nannte es "Il vero Alfredo" - übersetzt: "Der wahre Alfredo". So heißt es bis heute und darunter steht, draußen an der Wand wie auf der Homepage: "Imperatore delle fettuccine", also "Kaiser der Nudeln". Und wenn schon als König, wie sollte er da nicht als Kaiser erfolgreich sein? Der Speisesaal war bald so edel und originell wie der alte, mit Fotos berühmter Kunden an den Wänden, Stuck an der Decke, weißem Leinen auf den Tischen. Edel und gemütlich, gut gefüllt, bis heute ein erfolgreicher Betrieb. Und Alfredo III., der Enkel des Gründers, der dem Nudelmärchen eine Zukunft geben soll, hat Dependancen in Mexiko, Brasilien und Chile gegründet.
...und zwei Jubiläen
Diese Woche nun wird beim "wahren Alfredo" der 110. Geburtstag des ebenso simplen wie märchenhaften Bandnudel-Rezeptes gefeiert, sieben Tage lang. An einem Abend sind bekannte Sport- und Theaterleute geladen, am nächsten gibt es ein Festmahl, zu dem die Gäste Masken tragen, ein anderer Abend steht unter dem Motto "Karneval in Rio" und dergleichen gibt es noch viel mehr.
Beim anderen Alfredo, dem in der Via Scrofa, gibt es diese Woche natürlich keine Festlichkeiten. Die Nudel-Konkurrenz der Großväter hat sich bis ins dritte Glied gut gehalten. Gemeinsam feiern geht deshalb gar nicht, heißt es heute bei den Enkeln so wie einst bei den Großvätern. Ihr Opa hat zwar nicht das berühmte Rezept erfunden, aber sie, nur sie, können den Gästen den historischen Geburtsort der Super-Pasta bieten.
Darum haben sie dort schon voriges Jahr gefeiert, einen "National Fettuccine Alfredo Day". Auch ganz groß, gemeinsam mit vielen Amerikanern drüben in den Staaten.
Von einem sind freilich beide Enkel-Generationen gleichermaßen überzeugt, von der völkerverbindenden Funktion der Hartweizengrieß-Nudeln. Das Gericht sei international, sagt Mario Mozzetti, das Via Scrofa-Pendant zu Alfredo III. vom Kaiser-Augustus-Platz, "aber mit römischer Seele".
Ein Weltgericht - nur die Römer "beutelt es"
Da freilich sind Zweifel angebracht. Denn in Rom kann man das Rezept, abseits der beiden Alfredo-Etablissements, lange und meist vergeblich auf den Speisekarten suchen. Wie auch in italienischen Kochbüchern. Den Römern, wie den meisten Italienern, wäre das Nudel-Mahl schlicht zu fett.
Auch Römer, die in die Alfredo-Restaurants gehen, was viele durchaus tun, wählen kaum die fetten Fettucine. "Es würde mich beuteln", sagt einer und spricht gewiss für viele seiner Nachbarn.
Die Amerikaner dagegen haben in landestypischer Weiterentwicklung des italienischen Basisrezeptes noch ein weiteres Element zu Butter und Käse hinzugefügt: Einen üppigen Schlag Sahne. Mag sein, dass Alfredo, ohne seine Schuld natürlich, damit mitverantwortlich ist für das jenseits des Atlantiks weit verbreitete Phänomen der extremen Übergewichtigkeit.
SWR-Doku: Kochen wie die Römer