
Körperkunst in Japan: Tabu Tattoo
Japans Tätowierer Kampf um die Körperkunst
Seit Jahrzehnten haben Tätowierungen in Japan einen schlechten Ruf. Weil Mitglieder der japanischen Mafia, die Yakuza, sich mit Tattoos schmücken, wird die gesamte Kunstform mit Kriminalität assoziiert und sozial geächtet. Seit einiger Zeit droht der traditionellen Tätowierkunst des Landes sogar das Aussterben.
Schuld daran ist eine breite Auslegung des japanischen Ärztegesetzes. In Artikel 17 steht dort: "Nur Ärzte dürfen medizinische Tätigkeiten ausüben." Laut Gesundheitsministerium fällt darunter eben auch das Stechen von Farbe in die Haut.
2001 ursprünglich als rechtliches Instrument gegen "Permanent Make-up"-Kosmetikstudios mit geringen Hygienestandards gedacht, wird diese weit gefasste Interpretation des Ärztegesetzes seit einiger Zeit dazu genutzt, mehr oder minder willkürlich Tattoo-Studios zu schließen, manchmal mit dem pauschalen Verweis auf mögliche Yakuza-Kontakte; so geschehen etwa im Verlauf des Jahres 2015 in den Städten Osaka und Nagoya, wo die Polizei gleich eine Reihe von Studios dichtgemacht hat.
Taiki Masuda ist einer der betroffenen Tattoo-Künstler. Wie alle Tätowierer in Japan, die keine medizinische Ausbildung haben, operiert der 27-Jährige aus der Stadt Suita in einer rechtlichen Grauzone. Meist wird die Ausübung des Handwerks toleriert, doch es reichen Nichtigkeiten, um Ärger zu bekommen. Bei Masuda war es ein unerlaubterweise über das Internet bestelltes Desinfektionsmittel: Er wurde im vergangenen Jahr verhaftet und erst gegen Zahlung eines Bußgeldes wieder freigelassen. Seinen Laden musste er schließen.

Blackout Tattoos: In der Schwärze liegt die Würze
Doch Masuda zieht stellvertretend für seine Profession vor Gericht, er will ein Grundsatzurteil erstreiten - "Ich werde für meinen Beruf kämpfen", sagt er. Seit Dezember läuft der Prozess, der über die Zukunft aller japanischen Tätowierer entscheiden könnte. Mit einem Team von Anwälten und verbündeten Tattoo-Enthusiasten will Masuda die einflussreiche Körperkunstkultur seines Landes retten, er hat dafür eigens das Projekt "Save Tattooing in Japan" ins Leben gerufen.
Tatsächlich sind Tätowierungen in Japan Teil einer jahrhundertealten Tradition - die Yakuza-Kultur bedient sich ihrer erst seit relativ kurzer Zeit. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts tragen japanische Verbrecher Tattoos. Davor galten Irezumi ("Einbringen von Tinte in die Haut") eher als Ausdruck einer sich erstmals entfaltenden bürgerlichen Kultur.
Protest als Imagekampagne
Der aufkeimende Protest bietet nun auch die Chance, das vor allem durch die japanische Popkultur negativ verstärkte Bild der Tätowierkunst neu zu definieren. Sogar die japanische Tourismusbehörde meldete sich in der Angelegenheit vor Kurzem zu Wort. Sie empfiehlt, auch mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, tätowierten ausländischen Touristen den Besuch öffentlicher Badeanstalten zu gestatten. Ein Vergnügen, das Trägern einer Tätowierung in Japan bislang in der Regel verwehrt bleibt.
Gleichzeitig wird über neue Gesetzesentwürfe nachgedacht. Beim jüngsten Symposium der Bewegung sprach etwa die Rechtswissenschaftlerin Kanako Takayama, Professorin der Universität Kyoto, über neue Regelungsmöglichkeiten. Takayama regte beispielsweise ein Lizenzsystem für Tätowierer an. "Das Tätowieren weitreichend zu verbieten, würde den Schaden in der Gesellschaft eher verschlimmern", glaubt sie. Tätowieren sei eine Art der Selbstdarstellung, fiele so unter die Meinungsfreiheit - und sei damit verfassungsrechtlich geschützt. Man kann dieser Auffassung folgen: Schließlich sind Tattoos ja im Grunde nichts anderes als sprechende Bilder.
Der Fotograf Manuel Chillagano stammt aus München. Der Fokus seiner Arbeit liegt allerdings in Tokio. In der japanischen Metropole findet er seine Motive meist auf der Straße oder in der U-Bahn. Die in unserer Fotostrecke gezeigten Bilder stammen aus Chillaganos Projekt "Bonded by Ink" .