Kochmagazine Schlechtes Gewissen oder schlechter Geschmack

SPIEGEL-ONLINE-Korrespondent Hasnain Kazim stiftet Chaos im Kiosk - und muss zur Strafe zwei Kochmagazine kaufen. Bei der Lektüre stellt er fest, dass Fleischliebhaber und Gemüsefreunde mehr gemeinsam haben, als sie denken.
Magazine "Beef!" und "Vegan Magazin": Tiere essen oder nicht?

Magazine "Beef!" und "Vegan Magazin": Tiere essen oder nicht?

Ich gestehe, dass ich in größeren Zeitschriftenläden manchmal, wenn ich mich unbeobachtet fühle, Bücher und Magazine umsortiere. Regelmäßig sorge ich zum Beispiel dafür, dass die Titel "Beef!" und "Vegan Magazin" nebeneinander liegen.

Seltsamerweise ist das nämlich meistens nicht der Fall. Dabei sind beide Magazine zwei Seiten einer Medaille. Es geht um ein gemeinsames Thema, welches "Beef!" und "Vegan Magazin" nur aus entgegengesetzter Perspektive betrachten. Ihre Prinzipien ergänzen sich wie in der chinesischen Idee des Yin und Yang.

Tatsächlich steht "Beef!" meist bei den Männerzeitschriften, in der Nähe des "Playboy", während "Vegan Magazin" eher in der Rubrik "Lifestyle" zu finden ist. Aber nicht mehr, nachdem ich da gewesen bin.

Leider wurde ich kürzlich am Hamburger Flughafen beim Umstellen erwischt. "Was machen Sie denn da?", fragte mich die Verkäuferin misstrauisch. Aus Verlegenheit kaufte ich dann beide Titel. Zum ersten Mal überhaupt.

Es ist wie im Supermarkt: Fleisch ist teurer als Gemüse. "Beef!" kostet stolze zehn Euro, während man für das "Vegan Magazin" nur 4,90 Euro hinblättern muss. Auf dem einen prangt, ernsthaft, ein rohes Steak auf dem Titel, darunter die Zeile "Nimm mich!". Ein Stück Tierleiche als Modell!

Eine Fee auf dem Cover

Das andere Cover zeigt eine junge, feenhafte Frau mit grüngefärbten Haaren. Über ihrem Kopf schwebt ein Blumenkranz, in Oberlippe und Nase stecken Piercings. Außerdem hat sie so ein gedehntes, riesiges Ohrloch, man nennt diesen Schmuck, das habe ich recherchiert, "Fleischtunnel". (Notiz an mich selbst: Prüfen, ob Veganismus das Verhältnis zum eigenen Fleisch verändert, denn im Heft sind mehrere abgebildete Personen gepierct.) Im Editorial steht übrigens, dass es sich dabei um das "Veganmodel Victoria van Violence" handelt, fotografiert von der "Menschenfotografin Lena".

Ein dreistündiger Flug lag vor mir, nun hatte ich also immerhin Reiselektüre. Ich entschied mich zuerst für das "Vegan Magazin". Diese Welt ist mir einerseits fremder, andererseits stelle ich fest, dass sich in meinem Bekanntenkreis immer mehr Menschen für Veganismus interessieren. Vor ein paar Tagen sagte mir zum Beispiel ein Industrielobbyist, er ernähre sich jetzt vegan. "Jedenfalls immer, wenn ich zu Hause bei der Familie bin." Ein Teilzeitveganer also.

Neben mir im Flugzeug saß eine Vegetarierin, die neugierig beobachtete, was ich las. Sie bemerkte mein Entsetzen nicht, denn die "Vegan Magazin"-Redaktion verzichtet nicht nur auf tierische Produkte, sondern auch komplett auf Großbuchstaben. In Eigenschreibweise sieht der Name des Blattes so aus: "vegan magazin". Gerichte ohne Fleisch, Milch und Ei könnte ich mit Genuss essen, Texte ohne Großbuchstaben aber kann ich nicht mit Genuss lesen. Ob das bei denen an Rechtschreibschwäche oder an Faulheit liegt oder ob es zum veganen Lebenskonzept gehört - ich weiß es nicht. Die Zeitschrift "Beef!" wiederum schreibt sich selbst ganz groß, nämlich so: "BEEF!"

Meine Sitznachbarin sagte: "Ich bin ovo-lacto-vegetarisch. Vegan wär mir zu krass." Sie erwartete, dass ich etwas sage. "Hmmm", antwortete ich. Später kam die Stewardess. Die Ovo-lacto-Nachbarin hatte natürlich ein vegetarisches Menü vorbestellt. Ich nahm die Rindfleischköfte. Sie schaute mich verwundert an. Ich dachte mir: Zeit, um reinen Tisch zu machen, und zog "Beef!" aus der Tasche. "Na, Sie sind ja 'ne Type!", sagte sie lachend, schüttelte den Kopf und widmete sich ihrem Spinat.

"Beef!" mit schlechtem Gewissen

Im ersten Heft hatte ich erfahren, dass Veganismus ein Lebenskonzept ist, das weit über fleischloses Essen hinausgeht. Ich hatte über Mode gelesen, die ohne tierische Produkte auskommt, und über grausame Versuche an Affen, die mitten in Deutschland stattfinden. Und ich hatte eine beeindruckende Fotostrecke über die Schlachtung von Schweinen gesehen. Ich verstand, dass die "Vegan Magazin"-Macher eine bessere Welt anstreben, einen verantwortungsbewussteren Umgang mit allen Kreaturen. Das gefiel mir.

In "Beef!" blätterte ich nun nicht ohne schlechtes Gewissen. Erst jetzt sah ich den Untertitel des Heftes: "Für Männer mit Geschmack". Mögen Frauen etwa kein Fleisch? Die Ausgabe behandelte das Schwerpunktthema Grillen. Ich bin ein Grillfreund, ich habe jahrelang in Pakistan gelebt und lebe jetzt in der Türkei. Grillen ist in diesen Ländern ein Grundrecht.

Ein Artikel drehte sich um das Thema, dass man sich mal wieder den Innereien widmen und durchaus auch mal Bries, Kutteln, Lammleber, Hähnchenmägen, Kalbsleber, Rinderleber und -milz sowie Kalbslunge grillen sollte. Titel: "Alles muss raus!" Es schüttelte mich. Aber klar, wenn man schon Tiere tötet, warum sollte man dann nicht alles verwenden? Die Fotos der Organe in rohem und gegartem Zustand sahen ansprechend aus. Kann man mal probieren, dachte ich mir.

Geräucherte Raubkatze

Dann erblickte ich die Meldung über einen Mann, der in Chile an einer Puma-Jagd teilgenommen hatte. Eine vermutlich verletzte oder geschwächte Raubkatze wurde erlegt - und geräuchert. Tatsächlich probierte er das Katzenfleisch. "Dieses Wildfleisch war ein absoluter Hochgenuss! Aromatisch und zart, eher hell, geschmacklich hat es mich an Lamm und Hase erinnert. Am allerbesten fand ich die Rippen." (Zweite Notiz an mich selbst: Recherchieren, ob "Beef!" schon mal eine Geschichte darüber gebracht hat, wie man Aas für den menschlichen Verzehr zubereitet.)

Texte von Spitzenköchen über ihr Lieblingsfleisch und die Fotos dazu machten hingegen Appetit. Und auch in diesem Heft fanden sich Geschichten übers Tieretöten, gleich zwei: eine über eine Landschlachterei und eine über einen Landwirt, der sich auf Ziegen spezialisiert hat.

Ich zeigte sie meiner Sitznachbarin und sagte: "Sehen Sie, in beiden Zeitschriften geht es um den verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren." Sie nickte und fügte hinzu: "Aber in der zweiten geht es letztlich doch um tote Tiere." Dann bestellte sie sich einen Gin Tonic. Die Stewardess mixte ihr den Drink, die Gin-Marke hieß "Beefeater".

Die Welt ist doch ein lustiger Ort.

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