Fotostrecke

Nischenparfüms: Damit duften Sie nicht wie alle anderen

Foto: Bond No. 9

Parfüm Diese Düfte können Sie sich schenken

Parfüm gehört zu den beliebtesten Last-Minute-Weihnachtsgeschenken. In der Eile orientieren sich die meisten Käufer an großen Namen, dabei gibt es in der Nische sehr viel persönlichere Düfte. Stil-Klassiker

Parfüms sind komplexe Kompositionen aus vielen verschiedenen Duftstoffen, aus Kopf-, Herz- und Basisnote. Moleküle wie Iso E Super vermählen die verschiedenen Noten und Essenzen, intensivieren ihren Geruch, bringen ihn auf den Punkt. Was passiert nun, wenn man allein diesen Katalysator als Riechstoff verwendet? Der Berliner Parfümeur Geza Schön hat es 2005 ausprobiert: Sein Duft Molecule 01 ist nichts anderes als Iso E Super in Flaschen. Begeisterte Anwender berichten von purer Anziehungskraft, einer magischen Wirkung Pheromonen gleich.

Was Geza Schön in seinem Labor herstellt, sind Nischenparfüms, nicht für den Massenmarkt hergestellte Eigenkreationen. Schön ist nicht der Erfinder des Nischenparfüms, aber er hat dem Begriff zu einiger Berühmtheit verholfen. Und das ausgerechnet mit einem Duft, der pure Synthetik ist - wo doch viele Entwickler von Nischendüften auf echte, oft kostspielige Parfümöle schwören. Damit hat er nicht nur den Nerv jener Käuferschaft getroffen, für die alles anders und außergewöhnlich sein soll, sondern die Begehrlichkeiten der Zeit auf den Punkt gebracht: Eigentlich wünscht man sich den Konsum dessen, was eigentlich gar nicht konsumiert werden kann.

Natürlich ist die Unterscheidung zwischen Nische und Mainstream eine der neueren Zeit. Als zum Beispiel Pierre-Francois Guerlain Ende des 19. Jahrhunderts mit seinem ersten Duft den Grundstein für sein Kosmetikimperium legte, wäre er nach heutiger Definition durchaus als Nischenparfümeur durchgegangen: Seine Kompositionen wurden anfangs in kleiner Auflage hergestellt, zur Anwendung kamen ausschließlich hochwertige Parfümöle, und ein großes Unternehmen stand zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht hinter Guerlain.

"Die Nische wächst auch kommerziell"

Wolfgang Krause, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parfumeure (DGP), spricht daher auch lieber von "exklusiven und innovativen, kleineren Brands". Um die erfolgreich zu führen, brauche man nicht nur einen guten Geruchssinn, sondern vor allem Ahnung von Vermarktung und Vertrieb - und natürlich Kontakte. Die romantische Vorstellung vom einsam im Labor werkelnden Duftkünstler treffe auf die allerwenigsten zu. Das Zauberwort des Konsumenten, bestätigt auch Krause, laute heute Differenzierung: "Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Nische auch kommerziell wächst", erklärt er.

Einer der größten Anbieter für Nischendüfte in Deutschland befindet sich im beschaulichen Bruchsal: Aus Liebe zum Duft, der Versandhändler bietet Kleinstauflagen genauso an wie die Bestseller der Branche. Was sollte der Nicht-Kenner unbedingt ausprobieren, um sich selbst zu überzeugen, dass "Niche Perfume" mehr ist als ein Marketingschlagwort? Neben Molecule 01 empfiehlt Harmen Biró, der PR-Fachmann des Unternehmens, Parfüms mit vielsagenden Namen wie Aether oder Black Afgano. Seine Assoziationen zu Letzterem hat er unter der Überschrift "Sich Haschisch spritzen" zusammengefasst. Klassischer Werbesprech gerät bei manchem "Konzept- oder Kunstduft", wie Biró die Nische definiert, an seine Grenzen.

Fotostrecke

Nischenparfüms: Damit duften Sie nicht wie alle anderen

Foto: Bond No. 9

Vielleicht liegt hier überhaupt der Unterschied zwischen Parfümeuren, die Duftmischungen für die Industrie kreieren, und solchen, die mehr oder weniger unabhängig agieren: Im besten Falle ist dem Nischenparfümeur erst einmal egal, ob sein Duft von möglichst vielen Menschen gemocht wird. Einen massenkompatiblen Duft zu komponieren, kann selbstverständlich ebenso kreativ fordern wie die sperrige Wunderkonstruktion. Der ultimative Luxus der Nischenduftmischer liegt eben im künstlerischen Experiment, das vom Duftlabor bis zum Verpackungsdesign reicht.

Auch bei Bond No. 9, dem ersten Nischenparfüm-Label New York Citys, schert man sich nicht so sehr um den Zeitgeist. Wer den Laden im Südwesten von Manhattan aufsucht, der findet sich in einem schreiend bunten Willy-Wonka-Wunderland für Duftfreunde wieder: Hier liegt die knallige Gegenwelt zu den umliegenden Micro-Parfümerien und Conceptstores ganz in existenzialistischem Schwarz oder im Apotheken-Stil.

Die volle Bandbreite an subjektiver Dufterfahrung

Seit Laurice Rahm 2003 ihr Parfümlabel gründete, sind über 70 Düfte mit allen nur erdenklichen Bezügen zum Big Apple entstanden. I love New York for all heißt einer davon. Die Mischung aus hochkonzentrierten Noten von Vanille und Kaffee, Patschuli, Pfeffer, Bergamotte und Tabak im kitschigen Kunststoffflakon lässt den einen an "gebrannte Mandeln auf Coney Island" denken, wie ein Nutzer im Duftliebhaberforum schreibt, den anderen an Kinderkotze: Die volle Bandbreite an subjektiver Dufterfahrung auf die Spitze getrieben.

So exzentrisch geht es nicht überall in der Nische zu: Von waldig-leichten Abenteuerdüften bis zu den ultra-hochdosierten Gourmands im orientalischen Stile ist alles dabei. Stefanie Hanssen, Inhaberin des Berliner Labels Frau Tonis Parfum, fasst es so zusammen: "Für uns hat der Begriff eher mit Einzigartigkeit zu tun. Wir möchten Düfte kreieren, die für sich selbst stehen."

Exklusiv ja, aber nicht im Sinne knapper Verfügbarkeit: Alle Kreationen von Frau Toni sind online erhältlich und kaum teurer als das herkömmliche Parfüm. Neulingen, die keine Zeit haben, im Laden vorbeizuschauen oder sich einen individuellen Duft mischen zu lassen, empfiehlt Hanssen ein Set mit Abfüllungen von Accroche-Coeur, Aventure und Oud Weiss: orientalisch, pudrig und würzig - und wie alle Erzeugnisse aus der Duft-Manufaktur und typisch für viele Nischen-Labels, unisex.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren