
Neuer Pirelli-Kalender Knallerfrauen

Fotografin Leibovitz bei der Kalender-Präsentation: So natürlich wie möglich
Foto: Stuart C. Wilson/ Getty ImagesUm zu verstehen, warum gerade weltweit über den neuesten Pirelli-Kalender gesprochen wird, braucht es einen kurzen Blick in die Vergangenheit. Seit mehr als 50 Jahren schon beglückt der Reifenhersteller wenige Auserwählte mit seinem Werbegeschenk, das Prinzip ist denkbar simpel: die besten Fotografen, die schönsten Frauen - und möglichst wenig Kleidung.
Der Kalender - kurz: "The Cal" - gilt heute als begehrtes Kunstobjekt. Gisele Bündchen, Naomi Campbell, Laetitia Casta, Cindy Crawford, Heidi Klum, Kate Moss, Jennifer Lopez, Penélope Cruz, Hilary Swank - es sind die ganz Großen, die sich für den Kalender bisher geräkelt haben. Pirelli-Girls posieren ölverschmiert, verschwitzt, mit gespreizten Beinen oder komplett nackt in der Wildnis. Hübsche Bilder, mit denen gängige Klischees bedient werden.
Und jetzt das.
Yoko Ono, 82, Künstlerin: mit Zylinder und Blazer auf einem Holzhocker.
Patti Smith, 68, "Godmother of Punk": mit Hemd, Boots, Jeans im Studio stehend. Yao Chen, 36, Schauspielerin: in Jeans und Bluse auf einem Stuhl. Tavi Gevinson, 19, Modebloggerin: mit Rolli und Rock auf einem Stuhl. Serena Williams, 34, Tennisspielerin: mit schwarzem Slip und viel Muskelspiel an eine Wand gedrückt.
Fotografin Leibovitz bei der Kalender-Präsentation: So natürlich wie möglich
Foto: Stuart C. Wilson/ Getty ImagesDas sind nur fünf der aktuellen Kalendergirls. Starfotografin Annie Leibovitz hat für die simplen Schwarz-Weiß-Porträtfotos die Frauen gecastet, die unterschiedlich alt sind, unterschiedliche Figuren, Hautfarben und Haartypen haben. Es sei ihr ausschließlich um deren Errungenschaften gegangen, sagte Leibovitz am Montag, als der Kalender in einem noblen Londoner Saal vorgestellt wurde.
Starke Frauen für starke Frauen
Bei keinem ihrer Fotos habe sie die männliche Perspektive bedacht, sagte Leibovitz. Tatsächlich fällt es schwer zu glauben, dass sich die eingefleischten Pirelli-Liebhaber die aktuelle Ausgabe an die Wand hängen. Leibovitz wollte einen Kalender mit starken Frauen für starke Frauen schaffen. Die Bilder sollten so natürlich und unangestrengt wie möglich wirken, sagte die Fotografin.
Das ist ihr gelungen. Wohl kaum ein Foto im Kalender zeigt das so deutlich wie das von Amy Schumer: Es ist das Kalenderbild, das einem Nacktfoto noch am nächsten kommt. Die 34-jährige US-Komikerin trägt darauf lediglich High Heels, einen Slip und einen Kaffeebecher. Sie sitzt seitlich auf einem Holzhocker im Fotostudio, blickt frontal in die Kamera. Trotzig oder skeptisch könnte man den Gesichtsausdruck nennen. So, als wollte Schumer fragen: "Is was?"
Ja, da ist was. Schumer drückt nicht den Rücken durch, sie pusht nicht ihre Brüste nach oben, sie zieht nicht den Bauch ein. Sie hockt einfach nur da, und lässt ihre drei Speckrollen sein, was sie sind.
"Wunderschön, ekelhaft, stark"
Schumer ist nicht die erste prominente Frau, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht und sich nackt in der Öffentlichkeit zeigt (die häufigen Nackt-Auftritte von Lena Dunham in ihrer Serie "Girls" haben schon zu Zoff zwischen ihr und Reportern geführt). Aber selten geschah das mit einer solchen Nebensächlichkeit.
Schumer ist offensichtlich stolz auf ihren Körper und auf ihr Pirelli-Bild. Sie veröffentlichte es auf ihrem Twitter-Account, dazu schrieb sie einige Beschreibungen: "wunderschön, ekelhaft, stark, dünn, dick, hübsch, hässlich, sexy, widerlich, makellos". All das kann man in dem Foto sehen, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Am treffendsten ist wohl Schumers letzte Beschreibung: "Frau".
Ihr Foto ist deshalb großartig, weil sie so beiläufig daherkommt. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, ausgerechnet für diesen Kalender seinen Bauchspeck zu präsentieren. Oder im Rollkragenpullover zu posieren. Oder als 68-Jährige in Jeans. Für viele ist das noch nicht selbstverständlich. Aber das scheint die Frauen zum Glück kein bisschen zu interessieren.
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Serena Williams: Starfotografin Annie Leibovitz hat die Tennisspielerin für den Pirelli-Kalender fotografiert. Bislang wurden dafür meist Models abgelichtet. Doch dieses Mal ist das anders.
US-Komikerin Amy Schumer: Diesmal sind auch Frauen vertreten, deren Körper nicht perfekt ist. Schumer widerspricht dem gängigen Schönheitsideal und zeigt sich nackt in der Öffentlichkeit.
Sängerin Patti Smith: Die Fotografien der Frauen sollten so natürlich und unangestrengt wie möglich wirken, sagte Leibovitz.
Schauspielerin Yao Chen: Der Fotografin war es wichtig, einen Kalender mit starken Frauen für starke Frauen zu schaffen.
Auch Yoko Ono ließ sich von Annie Leibovitz für den Pirelli-Kalender ablichten.
Zu sehen ist auch die iranische Künstlerin Shirin Neshat.
Bislang sahen die Fotos, die im Pirelli-Kalender erschienen sind, so aus: Leicht bekleidete Frau auf Feldweg. Dieses Foto hat Starfotograf Helmut Newton im Jahr 1986 aufgenommen.
Auch typisch für den alten Pirelli-Kalender: Junge Frau entblößt ihr Dekolleté.
Im Jahr 2012 hat das brasilianische Model Adriana Lima schwanger für den Kalender des Reifenherstellers posiert. Damals hat US-Fotograf Steve McCurry den Kalender gestaltet.
Schlafzimmerblick: Das US-Model Rayne Oakes ist ebenfalls in der Ausgabe von 2012 erschienen.
Kate Moss hat sich im Jahr 2011 oben ohne für den Pirelli-Kalender fotografieren lassen. Der italienische Fotograf Mario Sorrenti hat sie so in Szene gesetzt.
Auf Steinen am Strand und oben ohne posierte damals auch das litauische Model Edita Vilkeviciute.
Die Ähnlichkeit der Aufnahmen ist erkennbar: Hier kniet das holländische Model Saskia De Brauw im Sand.
Hätten Sie diese Frau erkannt? Das ist Jennifer Lopez, die im Jahr 2006 im Pirelli-Kalender erschien.
Die junge Heidi Klum: Sie war in der Ausgabe von 2003 vertreten.
Und dieses sonnenölverschmierte Model ist Gisele Bündchen, die im Kalender 2006 zu sehen war.
Oha! Ein Mann. Es sieht zwar auf den ersten Blick so aus, als sei er nackt, aber ganz nackt ist er nicht. Karl Lagerfeld hat dieses Foto des französischen Models Baptiste Giabiconi übrigens aufgenommen.
Zwei Frauen im Autoreifen: Mit dem Kalender für 2016 widerspricht Annie Leibovitz eben dieser Ästhetik.
Auch vor Tieraufnahmen hat sich der Pirelli-Kalender bislang nicht gescheut: Georgina Stojiljkovic für die Ausgabe von 2010.
Rot, rot, rot: Auch dieses Foto erschien einmal im Pirelli-Kalender.
Teuflisch: Manche Fotografen gingen sehr kreativ ans Werk.
Mit Pfeil und Bogen posiert das ukrainisch-kanadische Model Daria Werbowy im Jahr 2011 für Karl Lagerfeld.
Auch Karolina Kurkova präsentierte sich 2003 eindrucksvoll im Kalender.