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Trikots aus Merino: Die Ästhetik echter Wolle

Foto: Vulpine

Retro-Radkleidung Wolle, die vor Hitze schützt

Lycra ist hässlich und riecht mitunter, deshalb steigt mancher Radsportler auf den Edelstoff Merinowolle um. Das Naturmaterial schützt vor Kälte und kühlt in der Hitze. Vor allem aber sieht es umwerfend retro aus.

Rennrad fahren kann ganz schön peinlich sein. Erst zwängt man sich in eine superenge Wurstpelle, die jedes Gramm Fett betont, um dann als rollende Litfaßsäule Werbung zu machen für ein Tour-de-France-Team, das es schon lange nicht mehr gibt.

Als Mamil werden solche Hobbyradler gern verspottet. Die Abkürzung steht für "middle aged man in lycra", also Mann mittleren Alters in Lycra. Wer jemals im Frühjahr auf Mallorca Rad fahren war, weiß genau, was gemeint ist.

Eigentlich müsste die Abkürzung sogar Mamisl lauten - middle aged man in stinky lycra. Denn nach 80 Kilometern im Sattel hat sich so viel Schweiß in den Kunstfasern gesammelt, dass diese je nach Alter und Silberpartikelgehalt unweigerlich anfangen zu stinken.

All das muss nicht sein. Denn diverse Hersteller von Sporttrikots haben ein längst vergessenes Material wiederentdeckt: Wolle, genauer gesagt, die besonders feine Merinowolle. Sie stammt von Merinoschafen und kratzt im Vergleich zu herkömmlicher Wolle auf der Haut fast gar nicht.

Merinowolle schützt vor Kälte und auch vor Wärme

Merino hat gleich mehrere Vorteile: Er hat überhaupt keinen Plastiklook, sondern gleicht optisch eher Baumwolle. Anders als Chemiefasern nehmen Wollfasern Schweiß auf und verhindern so unangenehme Gerüche. Längst gibt es Ski- und Wanderunterwäsche aus dem Naturmaterial. Der Stoff ist so dünn und fein, dass man die Oberteile wie ein Funktionsshirt abends mit der Hand ausspülen und aufhängen kann - am nächsten Morgen sind sie trocken.

Die feinen Wolltrikots punkten auch mit ihren thermischen Eigenschaften. Bei Kälte wärmen sie, vor Hitze schützen sie. Genau das macht Merino für Radsportler so interessant. "Wenn ich von Nizza aus Richtung Berge starte, kann es anfangs sehr heiß sein", sagt Remi Clermont, Gründer der Firma Café du Cycliste , die an der Côte d'Azur ihren Sitz hat. In den Bergen sei es dann aber deutlich kühler - und ein Merinoshirt meistere solche Temperatursprünge besser als Chemiefasern.

Clermonts Firma Café du Cycliste setzt seit fünf Jahren auf Wolle und ist in der Radbranche damit nicht allein: Vulpine  und Rapha  aus England haben die Naturfaser ebenso im Programm wie beispielsweise Pedaled  aus Japan und De Marchi  aus Italien.

Retro-Trikots aus Wolle sind begehrter Hipster-Stoff

Die Wolltrikots fühlen sich nicht nur angenehm an. Wegen ihres eleganten Schnitts und den zurückhaltenden Farben kann man sich mit ihnen auch ins Café wagen.

Auf PR-Fotos zeigen die Hersteller manchmal bärtige Fahrradnerds und junge Frauen, die ihr Rennrad wie ein modisches Accessoire benutzen. Ja, Merino wird auch als Hipster-Ökomaterial vermarktet - und das klappt vor allem in Großbritannien und den USA gut, wo Radfahren als Statement für Coolness gilt. Dort spielt der Preis von 110 bis 140 Euro pro Trikot nur noch eine untergeordnete Rolle.

So ganz ohne Kunstfaser geht es freilich kaum. Bei Merino-Unterwäsche mixen die Hersteller meist 95 Prozent Wolle mit fünf Prozent elastischer Kunstfaser wie Lycra, damit sie eng sitzt. Bei den dickeren Trikots liegt die Mischung eher bei 50 zu 50, dann kann man sie problemlos mit der Maschine waschen und sie trocknen trotz Wolle zügig. Vulpine beispielsweise bietet auch reinen Merino an - die Jerseys erfordern dann mehr Sorgfalt beim Waschen. Idealerweise trägt man auf dem Rad ein dünnes Unterhemd aus Merino und darüber das dickere Trikot. Täglich durchspülen muss man dann meist nur das Unterhemd.

Nur an einer Stelle wird Merino sich wohl nicht durchsetzen: bei Radsporthosen. Das mehrstündige Sitzen auf dem Sattel beansprucht das Material so stark, dass Wolle nicht lange halten würde. Lycra an den besonders sensiblen Stellen hat dann eben doch noch ein paar Vorteile.

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