Verena Lugerts Galette Bretonne
Verena Lugerts Galette Bretonne
Foto: Helga Lugert / I LOVE FOOD

Nervennahrung Am Wochenende gibt es Galettes Bretonnes

Ein französisches Bistro in der Provinz - und schon träumt man von der weiten Welt. Unsere Köchin Verena Lugert verbindet mit den bretonischen Pfannkuchen besondere Erinnerungen. Köstlich sind sie in jedem Fall.

Ich war vierzehn Jahre alt, als das Bistro L'Etage bei uns im Vorort eröffnet wurde. Es hieß so, weil es sich nicht im Erdgeschoss, sondern in der ersten Etage über einem Damenoberbekleidungsgeschäft befand, das wir als Kinder geliebt hatten, denn "Iris-Moden" hatte eine Rutsche neben der Treppe, die in den Keller zu den Umkleiden führte, ich rutschte immer begeistert mit meinen Freundinnen hinunter, wenn unsere Mütter dort einkauften.

Jetzt waren wir Teenager, die Rutsche war schon lange nicht mehr interessant, auch die Kleider nicht, die es im Laden gab, wir wollten ja anders sein. Wir kauften damals in Secondhandläden, begannen, selbst zu nähen, hatten das erste eigene Geld, weil wir Zeitungen austrugen oder in den Baumärkten, Drogerien und Schuhdiscountern bei der Inventur Schrauben, Deos und Schnürsenkel zählten. 

Mit dem Bistro L'Etage war nun endlich die große Welt eingezogen bei uns in der Vorstadt. Schon der Schriftzug des L'Etage in den stilisierten Jugendstil-Lettern war wie eine Ahnung vom anderen Leben.

Und so saßen wir dann oft bis in den Abend im L'Etage, tranken Café au Lait und Cidre und malten uns aus, was wir einmal tun würden, wenn wir erwachsen wären. Manchmal aßen wir Galettes im L'Etage, galettes bretonnes, diese hauchdünnen, nussigen Buchweizen-Crêpes, deren Teig leicht fermentiert und durch die Lufteinschlüsse herrlich knusprig (und gepunktet) war. Diese Galettes waren exquisite Pakete, gefüllt mit Schinken und schmelzendem Käse, der sich mit dem fließenden Eidotter herrlich und raffiniert verband. Die Galettes im L'Etage waren Lichtjahre entfernt von den fluffigen Weizenmehl-Eierkuchen mit Erdbeerkompott von daheim. Exakt so weit, wie wir uns von unserer Kindheit wegwünschten.

Jahre später, längst erwachsen, aß ich in Paris in einem bretonischen Restaurant, das mir von einem französischen Foodkritiker als Geheimtipp empfohlen worden war, wieder eine dieser galettes bretonnes. Und selbstverständlich war sie sagenhaft, der Teig hatte 24 Stunden gekühlt reifen dürfen, das Krampouezh, die originale, gusseiserne Galette-Platte, war mit dem Lardigenn eingefettet, dieser speziellen Mischung aus Schweineschmalz und Eigelb, und der Gruyère, das Ei und der hauchfeine Schinken waren von gleißender Qualität. Gekrönt wurde es von ein wenig Piment D'Espelette - das ist ein mild rauchiges Paprikapulver - und frischem Schnittlauch. Es schmeckte köstlich, alles war makellos. Ein feinsinniges Erlebnis, musikalisch untermalt von der wehmütigen bretonischen Ballade Son ar chistr, dem "Lied vom Cidre ".

Und dennoch schmeckte mir diese legendäre Galette nicht ganz so gut wie sein Pendant damals, im L’Etage. Denn in die L'Etage-Galette war noch eine andere Zutat eingebacken: ein Zauber nämlich, eine ungefähre Ahnung von den Wundern der Welt, die sich - vielleicht? Irgendwann? - einmal auftun würden vor uns. Diese Vorfreude auf all die Möglichkeiten, possibilités.  

Nervennahrung

Einfach kochen - aber trotzdem raffiniert: Jedes Wochenende haben wir hier für Sie ein besonderes Rezept unserer Köchin. Ihr Credo: Gutes Essen macht nicht nur satt, sondern auch glücklich. Hier finden Sie alle bisher erschienenen Rezepte.

Rezept für Galettes Bretonnes

Für 8 Galettes / 4 Personen

  • 300 g Buchweizenmehl

  • 1 Teelöffel Salz

  • 650 ml Wasser

  • 1 - 1 ½ EL Butter für den Teig, etwas Butter für die Pfanne zum Ausbacken

  • wer mag: 1 Ei für den Teig + 8 Eier für die Füllung

  • 200 g geriebener Gruyère

  • 8 Scheiben Kochschinken

  • zum Dekorieren nach Belieben: ein bis zwei Handvoll blanchierte Erbsen, Schnittlauch, Frühlingszwiebeln (in Röllchen geschnitten), etwas Piment d'Espelette

  1. Das Buchweizenmehl mit dem Salz vermengen, Wasser nach und nach hinzufügen, mit dem Handrührgerät fünf Minuten gut durchrühren. Wer möchte, fügt noch ein Ei hinzu (die Galettes bekommen so eine schönere Farbe), wieder gut verrühren. Jetzt den Teig gekühlt abgedeckt ruhen lassen, je länger, je lieber, gern über Nacht, aber mindestens zwei Stunden.

  2. Den Teig fürs Ausbacken mindestens eine halbe Stunde zuvor aus dem Kühlschrank nehmen, sodass er Raumtemperatur annimmt. Nun die Butter schmelzen und hinzugeben, bei hoher Stufe ein paar Minuten mit dem Handrührgerät gut verrühren.

  3. Eine Pfanne (am besten gusseisern) dünn mit Butter auspinseln, mit einer Schöpfkelle Teig hineingeben. Galette wenden, wenn sich die Ränder lösen, fertige Galettes im Backofen bei 100 Grad warmhalten.

  4. Acht Spiegeleier braten, das Dotter soll unbedingt flüssig bleiben, Galettes quadratisch mit Schinken, Käse und dem Spiegelei belegen, die Teigränder zum Paket umschlagen. Nach Belieben mit ein paar blanchierten Erbsen und Schnittlauch- oder Frühlingszwiebelröllchen dekorieren, mit Piment d'Espelette bestreuen. Dazu passt Cidre. Lassen Sie es sich schmecken!

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