Am besten mit Salzkartoffeln: Verena Lugerts Königsberger Klopse
Am besten mit Salzkartoffeln: Verena Lugerts Königsberger Klopse
Foto: Helga Lugert / I LOVE FOOD

Nervennahrung Am Wochenende gibt es Königsberger Klopse

In den Fleischbällchen verbirgt sich ein Geschmacksgeheimnis, das schon die alten Römer kannten. Unsere Köchin Verena Lugert erklärt, was Glutaminsäure so köstlich macht - im Unterschied zum Glutamat.

Königsberger Klopse, diese weichen, weißen Kalbfleischklöße mit der Samtsoße aus Butter, Kalbsfond, Mehl und Sahne, dazu eine Spur Zitrone und die Säure der zart herben Kapern - köstlich! Doch da ist noch etwas, ein Geschmack, der ganz tief in den Fleischbällchen steckt, verhalten, aber wahrnehmbar, der sie viel intensiver, herzhafter, irritierend dichter schmecken lässt, als man dies vom milden Kalbfleisch kennt: In den Königsberger Klopsen steckt ein Geschmack, den man kaum zuordnen kann: nicht salzig, nicht süß, nicht bitter, nicht sauer – was ist es, was diesen ganz eigenen Charakter in die Klöße bringt?

Es ist Umami, das ein solches Charisma entfaltet, der "fünfte Geschmack", hervorgerufen durch Glutaminsäure, die freigesetzt wird aus dem einen winzigen, fermentierten Sardellenfilet, das in der Klopsmasse steckt. Glutaminsäure kannten schon die alten Römer. Sie liebten ihr Garum, "das Edle, die kostbare Gabe", die Essenz aus vergorenem Fisch. Kaum ein römischer Koch kam ohne seine kleine Garum-Amphore aus, der reichste Mann Pompejis war damals ein Garum-Händler. In den antiken Fabriken wurden die Fische samt ihren Innereien mit Meersalz in Tongefäße geschichtet und dann monatelang unter der heißen Sonne der Fermentation überlassen. Der Gestank dort muss zum Davonlaufen gewesen sein, der Geschmack der mit Garum gewürzten Speisen aber unwiderstehlich. Ähnlich wie das römische Garum bestehen auch die Fischsoßen Südostasiens hauptsächlich aus dem Sud vergorener Fische. Der, tröpfchenweise eingesetzt, den Speisen Tiefe gibt, Mundfülle, Dichte.

Beim Garen, Trocknen oder Fermentieren wird aus Proteinen Glutaminsäure freigesetzt, dieses Geschmackswunder, von dem wir nicht genug bekommen können. Nicht verwunderlich, dass die Lebensmittelindustrie bald die Salze aus der sich vollkommen natürlich bildenden Glutaminsäure künstlich isolierte - und damit das Glutamat erschuf, den hässlichen Bruder der Glutaminsäure. Den Frankenstein unter den Würzmitteln, der, in Chips und minderwertiges Fast Food eingebracht, uns kaum mehr aufhören lässt zu essen. Kein Mensch braucht Glutamat! Sind wir doch mit so vielen Gelegenheiten gesegnet, bei denen Glutaminsäure entsteht, wie bei der Fleisch- und Käsereifung, beim langsamen Trocknen von Tomaten, beim stundenlangen Köcheln eines Fonds. Und in besonders starkem Maße eben bei der Fermentation von Fisch.

Und so schafft es bei den wunderbaren Königsberger Klopsen eine einzige Sardelle, die höchstens fünf Gramm wiegt, die hundertfache Menge Kalbfleisch mit ihrem Willen zu durchdringen, subtil und raffiniert. Und so die hellen Klopse mit dem zu erfüllen, was das Wort Umami im Japanischen bedeutet: mit köstlichem Wohlgeschmack.

Nervennahrung

Einfach kochen - aber trotzdem raffiniert: Jedes Wochenende haben wir hier für Sie ein besonderes Rezept unserer Köchin. Ihr Credo: Gutes Essen macht nicht nur satt, sondern auch glücklich. Hier finden Sie alle bisher erschienenen Rezepte.

Rezept für Königsberger Klopse

Für 4 Personen

  • 1 weiße Zwiebel

  • 2 EL Butter

  • 100 ml Milch

  • 1½ altbackene Brötchen

  • 500 g Kalbshackfleisch

  • 1 Sardelle

  • 30 - 40 g Kapern, abgetropft, am besten die sehr kleinen "Nonpareilles"

  • Blätter von 8 Stängeln Petersilie

  • 1 Eigelb

  • 1 TL Dijonsenf

  • 1 Bio-Zitrone

  • ½ TL feinst gemörserte Macisblüte oder etwas weniger als ½ TL geriebene Muskatnuss

  • Salz, gemahlener weißer Pfeffer

  • 1,5 l Kalbsfond

  • 200 ml Weißwein

  • 1 Lorbeerblatt

  • 5 - 8 weiße Pfefferkörner

  • 100 – 150 ml Sahne

  • 3 EL Mehl

  • etwas Zitronensaft

  • Zucker

  1. Zwiebel würfeln, in 1 EL Butter (den zweiten EL brauchen wir für die Soße) dünsten, bis sie glasig ist, dann mit Milch ablöschen, etwas abkühlen lassen. Brötchen in kleine Würfel schneiden, Zwiebelmilch über die Brötchenwürfel geben, locker verkneten.

  2. Hackfleisch zur Brötchenmasse geben, Sardelle sehr fein hacken, ebenso die Hälfte der Kapern (Rest für die Soße zurückhalten), die Hälfte der Petersilienblätter fein hacken (Rest für die Soße zurückhalten), mit Eigelb und Senf zur Hackfleisch-Brötchen-Masse geben, alles gut vermischen, mit 1 TL vom Abrieb der Biozitrone (Saft wird später gebraucht), Macisblüte oder Muskatnuss sowie mit Salz und Pfeffer abschmecken, aus der Masse 12 Bällchen formen.

  3. Kalbsfond mit Weißwein, Lorbeerblatt und Pfefferkörnern in einem Topf aufkochen, dann die Temperatur stark zurückschalten, sodass der Fond nur noch siedet. Die Klopse darin bei geschlossenem Deckel 15 Minuten ziehen lassen. Klopse aus dem Sud holen.

  4. Den Sud durch ein Sieb passieren, etwa 600 ml davon wieder in den Topf geben, aufkochen, dann köcheln und etwas reduzieren lassen. Mit der Sahne nochmals aufkochen.

  5. 1 EL Butter mit dem Mehl zu einem kleinen Mehlteig kneten, wie einen Minimürbeteig, kleine Scheiben davon abschneiden und nacheinander in den kochenden Sud geben und rühren, bis er andickt. Die übrigen Kapern zur Soße geben, wie auch die restlichen fein gehackten Petersilienblätter. Die Soße mit Salz und Pfeffer sowie mit Zitronensaft und etwas Zucker abschmecken. Klopse in die heiße Soße geben, darin wieder erwärmen.

  6. Zu den Königsberger Klopsen passen Salzkartoffeln, vielleicht in etwas Butter und Petersilie geschwenkt. Lassen Sie es sich schmecken!

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