Der Terminal 4 im Madrider Flughafen: Ein Werk von Richard Rogers
Der Terminal 4 im Madrider Flughafen: Ein Werk von Richard Rogers
Foto: carlobassetti / Getty Images/iStockphoto

Zum Tod des Architekten Richard Rogers Wellen aus Stahl

Das neue Three World Trade Center in New York, das Centre Pompidou in Paris: Der Architekt Richard Rogers, der nun mit 88 Jahren starb, schuf einige der bekanntesten Gebäude der Welt. Rückblick auf seine spektakulärsten Entwürfe.

Technologie war für ihn das Rohmaterial der Architektur, so wie Worte für die Dichtkunst: Am Samstagabend starb Richard Rogers im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in London, wie verschiedene Medien unter Berufung auf die Familie und seinen Sprecher berichteten. Der innovative Stararchitekt hinterlässt seine zweite Ehefrau Ruth und vier Söhne. Er galt als einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Architekten weltweit.

Fotostrecke

Rogers' Architektur: Von innen nach außen

Foto: Nisian Hughes / Getty Images

Rogers wurde von der Queen zum Lord ernannt, doch geboren wurde Richard Rogers in Florenz. »Ich komme aus einer ziemlich verwöhnten großbürgerlichen Familie«, sagte er 2017 dem »Guardian«.  Der Vater war Zahnarzt – »er träumte immer von England« –, die Mutter Kunstliebhaberin. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach London. Einen Abstieg nannte er es, aber Rogers und sein jüngerer Bruder genossen die aufregende Zeit.

Richard Rogers 2004: Der Stararchitekt starb im Alter von 88 Jahren

Richard Rogers 2004: Der Stararchitekt starb im Alter von 88 Jahren

Foto: Cambridge Jones / Getty Images

Die Schule fiel Rogers schwer. »Ich war wirklich rückständig«, sagte er. »Legasthenie wurde damals nicht erkannt, und ich wurde dumm genannt.« Er lernte boxen, um sich dagegen zu wehren. Wegen seiner Sprachkenntnisse wurde er beim Wehrdienst nach Italien versetzt und arbeitete an seinen freien Tagen im Architekturbüro seines Cousins. Danach überzeugte er die britische Architectural Association, ihn an ihrem Diplomkurs in London teilnehmen zu lassen. Ab da ging es aufwärts.

In London verliebte er sich in die Architekturstudentin Su Brumwell, seine zukünftige Frau. Sie studierten mit dem späteren Stararchitekten Norman Foster in Yale und gründeten 1963 mit ihm und dessen Freundin Wendy Cheesman das sogenannte Team 4 – ein Nährboden für die britische High-Tech-Bewegung, zu dessen bekanntesten Vertretern Foster und Rogers gehören. In seinem autobiografischen Buch »A Place For All People« beschrieb er, wie sie ihr Büro zuerst in Wendys Schlafzimmer einrichteten: »Wenn Kunden kamen, wurden Freunde herangezogen, um als Architekten zu posieren, damit Team 4 wie ein größeres Unternehmen aussah.«

Poesiegebilde aus Eisen, Stahl und Glas

Foster und er begriffen sich beide als Modernisten und Funktionalisten. Sie ließen sich von den frühen Industriebauten in Nordengland inspirieren, sowie von den Poesiegebilden aus Eisen, Stahl und Glas von Eisenbahn-Pionier Isambard Kingdom Brunel und Gewächshausarchitekt Joseph Paxton. Gleichzeitig verlangte die damalige Wohnungsnot nach billigen, vorgefertigten Häusern, die aus simplen Elementen zusammengesetzt und entsprechend den Bedürfnissen der Bewohner immer wieder verändert werden konnten.

Nach diesen Kriterien entwarfen Richard und Sue Rogers ein Haus für seine Eltern. Seine Mutter liebte dessen Schönheit und Farbe. Sein Vater dagegen überlegte sich zu klagen. Heute ist es denkmalgeschützt; Rogers stiftete es der Universität Harvard für Design-Stipendiaten.

Rogers im Alter von 46 Jahren in seinem Architekturbüro in London

Rogers im Alter von 46 Jahren in seinem Architekturbüro in London

Foto: Evening Standard / Getty Images

Damals entwickelte Richard Rogers seinen wiedererkennbaren, aber auch anpassungsfähigen Stil, mit leuchtenden Farben und Strukturelementen, die die Gebäude-Infrastruktur nach außen kehren. So auch bei seinem bekanntesten Bauwerk, dem Kulturpalast Centre Pompidou in Paris, das er mit dem Italiener Renzo Piano zusammen entwarf: Das Skelett umhüllt das Gebäude und nutzt die gesamten Versorgungssysteme als künstlerisches Element mit dem Vorteil, dass der Innenraum ohne Unterbrechung maximal ausgenutzt werden kann. Eine radikale Idee, und es dauerte einige Zeit, bis der Bau nicht nur als Designikone, sondern auch von den Parisern akzeptiert wurde.

»Man kann sich vom Tod eines Kindes nicht erholen«

»Junge Architekten sind unheimlich naiv«, sagte Richard Rogers im »Guardian« in Bezug auf diese Zeit. »Ich würde niemals davon träumen, es jetzt zu tun. Wir hatten einen großartigen Kunden, aber die Presse machte uns die Hölle heiß. In sieben Jahren gab es nur zwei positive Artikel. Ich weiß nicht, wie wir bis zum Ende gekommen sind.« Als eine ältere Dame herausfand, dass er einer der Architekten war, schlug sie ihm mit dem Regenschirm auf den Kopf.

Ende der Sechzigerjahre verliebte Rogers sich in die Kunststudentin Ruth Elias. Sie heirateten 1973, während das Centre Pompidou entstand. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne, von denen einer 2011 verstarb. »Man kann sich vom Tod eines Kindes nicht erholen«, schrieb Rogers in seiner Biografie. Aus erster Ehe hatte er drei weitere Kinder.

Nach seinem weltweiten Durchbruch in den Siebzigerjahren entwarf er das Hauptquartier für den Versicherungsmarkt Lloyd's of London nach demselben Prinzip. Es folgten so einprägsame Bauwerke wie der Millennium Dome, Terminal 5 des Flughafens Heathrow sowie das Leadenhall Building im Finanzbezirk, von Londonern liebevoll »Cheesegrater« (Käsereibe) genannt.

Kurz vor seinem 85. Geburtstag schloss Rogers den Bau des Three World Trade Centers in Manhattan ab, mit 329 Metern eines der höchsten Gebäude von New York City. Es ist ein typisches Richard-Rogers-Gebilde: Ein äußeres Verstrebungssystem aus reflektierendem Glas und Edelstahl hält den Wolkenkratzer zusammen – eine ähnliche Konstruktion wie die Glaspaläste hinter der Tate Modern in London. Das American Institute for Architects verlieh ihm den höchsten Architekturpreis der Vereinigten Staaten, die AIA Goldmedaille.

kry; Uli Hesse, dpa

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten