Luxuskaufhäuser Mit Events gegen E-Commerce

Hicycle-Aktion im Alsterhaus Hamburg
Foto: Getty ImagesViele Manager treibt die Frage um, wie sie die Menschen zu einem Einkaufsbummel in ihren Konsumtempeln verführen könnten, in Zeiten, da doch fast alles übers Internet bestellt werden kann. Vor allem die Millennials, also die mit dem Web aufgewachsene Generation, wird vom Handel umhegt. Viele dieser Leute kommen nur in Geschäfte, wenn sie dort etwas finden, was ihnen online nicht geboten werden kann: Bars und Restaurants, Events und Service. "Wer im Einzelhandel überleben will, muss eine Erlebniswelt kreieren", sagt Frank Emmerich von CBRE, einem auf Gewerbeflächen spezialisierten Immobilienunternehmen.
Die vergangenen 30 Jahre waren geprägt vom Niedergang vieler einst stolzer Kaufhaus-Gruppen: Karstadt schrammte an der Pleite vorbei. Von rund 150 Häusern im Jahr 2005 existiert heute noch die Hälfte. Der Rivale Kaufhof hielt sich lange besser über Wasser, aber nach dem Verkauf an den kanadischen Handelskonzern Hudson's Bay Company vor zweieinhalb Jahren schwächelt auch der grüne Riese. Die 96 verbliebenen Filialen machten 2017 allein in den ersten fünf Monaten rund 50 Millionen Euro Verlust - doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.
Die Modernisierungsversuche, die von den Traditionshäusern in der Vergangenheit unternommen wurden, sind meist verpufft. Es gab zu wenig Geld dafür und die Ideen waren halbherzig. Heute wirken die meisten Häuser der beiden Platzhirsche wie aus der Zeit gefallen: unten die Kosmetikabteilung, oben das Restaurant. Dazwischen befinden sich Abteilungen für Damen, Herren, Kinder, Haushaltswaren, Spiel und Sport.
Und so werden die beiden Pioniere des "Einkaufs unter einem Dach" wohl weiter schrumpfen. Auf Dauer seien maximal 120 der derzeit noch rund 180 Kaufhof- und Karstadt-Filialen wirtschaftlich zu betreiben, meint Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE.
Innovation vor allem bei Familienbetrieben
Aber ist das Kaufhaus deshalb dem Tod geweiht? Keineswegs. Große Weltstadthäuser und kleine Filialisten versuchen allerorten, sich neu zu erfinden - vor allem lokale Kaufhäuser, die mehrheitlich von den Inhabern geführt werden, tun sich dabei hervor.
Die Brüder Christoph, 37, und Johannes Huber, 48, etwa leiten in vierter Generation das Modehaus Garhammer in Waldkirchen, 10 500 Einwohner. Die nächste größere Stadt Deggendorf ist 65 Kilometer entfernt, München zwei Autostunden. Trotzdem fahren Kunden aus der Landeshauptstadt hierher in die Provinz. Ein Grund dafür ist der konkurrenzlose Service. Wer das Haus betritt, bekommt eine Modeberaterin an die Seite gestellt, die den Einkauf begleitet und zwischen den Anproben Getränke und Häppchen serviert. Bis zu fünf Stunden verweilen die Kunden bei Garhammer.
Die Umsätze bei Garhammer wachsen jedes Jahr um zweistellige Raten. Auch andere innovative Händler melden einen Aufschwung. Wer in Events, Gastronomie und Service investiert, steigert seine Erlöse und kann wiederum weitere attraktive Kundenaktionen anstoßen. Die Handelsstrategen sind von der geldvermehrenden Wirkung des Geldausgebens überzeugt: Nur wer investiert, kann überleben.
André Maeder, 59, ist in der glücklichen Lage, viel Geld ausgeben zu dürfen: 300 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren. Maeder ist Chef der kleinen, feinen KaDeWe Group, zu der drei Kaufhäuser gehören: das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München. Derzeit putzt er alle drei Objekte heraus, für jedes Haus engagierte er einen anderen Stararchitekten.
Junges, schickes, zahlungskräftiges Publikum
Die Umbauten zielen auf ein junges, schickes, zahlungskräftiges Publikum. Natürlich besteht dabei die Gefahr, das ältere Bürgertum zu verprellen, das mit dem traditionellen Kaufhaus groß wurde. Doch in Zeiten des technologischen Fortschritts haben die meisten Menschen bekanntermaßen Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen und besonderen Erlebnissen - egal, wie alt sie sind.
Manche Unternehmen eifern auch den Kaufhäusern der angelsächsischen Welt nach, die schon seit einigen Jahren erfolgreich auf das Thema Wellness setzen. Saks Fifth Avenue in New York zum Beispiel räumte sechs Monate lang eine Etage für "The Wellery" frei. Hier wurden Fitnesskurse veranstaltet oder künstliche Salzräume zur Entspannung eingerichtet.
Harrods eröffnete in London auf der vierten Etage eine "Wellness Clinic" mit 14 Behandlungsräumen. Und bei Selfridges ließ man einen "Silence Room" einrichten, wo sich Kunden kurzzeitig dem Rummel und Konsumrausch entziehen können - nachdem sie ihre Handys am Eingang abgegeben haben. In einem Pop-up-Store, den Selfridges derzeit in der Londoner City betreibt, hat die Künstlerin Michèle Lamy sogar einen Boxring aufgebaut.
Wellness und Fitness als Schwerpunkte
Die Deutschen versuchen ebenfalls mit Wellness und Fitness Schwerpunkte zu setzen, doch die meisten Kaufhäuser werten vor allem die Gastronomie auf - "und zwar in der ganzen Bandbreite von der Kaffeebar bis zum Restaurant", sagt der Einzelhandelsexperte Joachim Stumpf. "Wer attraktiv bleiben will, muss in diesen Bereich investieren."
Die Geschäftsführer der neuen Kaufhäuser schwören deshalb darauf, dass das anonyme Konsumieren auf Dauer niemanden glücklich macht. Aber wollen Kunden wirklich in künstlichen Wellenbecken surfen und in Salzräumen entspannen? Wollen sie beim Einkauf Top-DJs zuhören? Oder reicht es manchen Kunden, die einfach nur zum Bummeln kommen oder um eine Kleinigkeit zu besorgen, wenn Angebot und Service keine Wünsche offen lassen?
Wenn man mit Andreas Hilgenstock, Geschäftsführer bei Engelhorn in Mannheim, über die Zukunft von Kaufhäusern spricht, gerät der Manager ins Philosophieren. Er schwärmt von alten Zeiten, als die Marktplätze noch das Zentrum der Städte waren und hier nicht nur Waren, sondern auch Gedanken, Gefühle und Geschichten ausgetauscht wurden. Warum sollte eine so alte und bewährte Idee nicht auch im Digitalzeitalter noch funktionieren?