

Stil-Highlights der Woche Knackig und fest in den Herbst
Baby Boo
Offiziell gibt es bekanntlich einen meteorologischen Jahreszeitenbeginn und einen kalendarischen. Inoffiziell gibt es noch einen weiteren Jahreszeitenbeginn, der im Leben der meisten Menschen klar dominiert: den gefühlten. Der gefühlte Frühlingsbeginn zum Beispiel fällt auf den Tag, an dem man zum ersten Mal Lust bekommt, Hornveilchen aus dem Baumarkt nach Hause zu fahren. Der gefühlte Winterbeginn ist an dem Tag, an dem man zum ersten Mal den eigenen Atem als weiße Schwaden vor dem Mund aufsteigen sieht. Der gefühlte Sommerbeginn findet statt, wenn die Luft plötzlich nach Sonnencreme riecht. Und dass gerade der gefühlte Herbst begonnen hat, erkennt man recht eindeutig daran, dass in sehr vielen Altbauwohnungen und Vorstadthäusern nun weiße Kürbisse der Sorte Baby Boo auf den Holz-Wohnzimmertischen liegen. Dabei ist der Baby-Boo-Kürbis eigentlich ein Speisekürbis, wenn auch einer der kleinsten der Welt. Sein Fruchtfleisch ist knackig und fest. Sein Geschmack mehlig-süß. Und seine Schale essbar. So wird es jedenfalls in Rezepten beschrieben.
Aber weil der vergleichsweise schlichte Baby-Boo-Kürbis nun einmal um ein Vielfaches besser zu skandinavischem Design passt als seine pockigen, orangefarbenen, riesigen Verwandten, musste er wohl fast zwangsläufig zu einem Deko-Objekt werden. Und zwar zu einem so gefragten, dass streng genommen eines der beliebtesten Zitate zum Herbstbeginn nicht mehr gilt, das in diesen Tagen oft in den sozialen Netzwerken geteilt wird. Das Zitat stammt von Kurt Tucholsky. Es lautet: »Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles.« Es hat sich nämlich sehr wohl etwas geändert: Baby Boo ist zurück. Maren Keller
Neue Betten für Berlin

Fassade des Château Royal
Foto: Robert RiegerDie PR-Agentur tut so, als handele es sich um das größte Geheimnis der Hauptstadt – Bilder will man erst gar keine rausrücken, und nach langen Versuchen der Überzeugung auch nur ein Foto von der Fassade. Dabei kann man sich einen Blick auf das Interieur, das sich mit dunklem Holz und gepflegter Gediegenheit am klassischen Grand Hotel orientiert, inzwischen auch selbst ergooglen. Das allerdings, erklärt die Agentur, seien nur »Musterbilder«. Es geht ums Château Royal, das ambitionierte Hotelprojekt von Stephan Landwehr, Berlins wohl bekanntestem Szenegastronomen. Die Geheimniskrämerei verwundert – wo doch Sehen und Gesehenwerden gewissermaßen Landwehrs Geschäftsmodell ist. Das von ihm mitgegründete Grill Royal ist eins der glamourösesten Restaurants der Stadt, Treffpunkt von Hollywoodstars, ein Etablissement, das man nicht in erster Linie wegen der Steaks besucht, sondern um seinen Wohlstand, seine Schönheit und Bedeutung auszustellen. Ein unternehmerisches Konzept, das in Berlin offenbar so gut läuft, dass Landwehr es nun als Hotel umsetzt.
Unterstützt wird er dabei vom langjährigen Grill-Royal-Geschäftsführer Moritz Estermann und der isländischen Köchin Victoria Eliasdottir, der Schwester des gefeierten Künstlers Ólafur Elíasson. Der britische Architekt David Chipperfield, auch kein Unbekannter, der gerade die Renovierung der Neuen Nationalgalerie in der Stadt abgeschlossen hat, beaufsichtigte die Umgestaltung des in der Nähe des Brandenburger Tores liegenden Baus. Die 93 Zimmer wurden alle individuell von Künstlern ausgestattet.
Vollständig eröffnet ist das Château Royal zwar noch nicht, aber einzelne Zimmer kann man schon jetzt buchen. Soft-Opening-Phase nennt sich das Ganze. Mit Preisen ab 225 Euro ist die Übernachtung dabei nur unwesentlich teurer als das Chateaubriand im Grill Royal. Sebastian Späth
Bambus fürs Gesicht

FFP2-Maske aus Biobambus
In einer Münchner Apotheke prangte Anfang dieser Woche ein neues Schild auf der Plexiglasscheibe am Schalter, das eine Weltpremiere versprach: Partikelfiltermaske FFP2 aus Biobambus, innovativ und umweltfreundlich. Bebildert mit einem Exemplar in Ökobeigebraun.
Der Gedanke an meine ausreichend mit FFP2-Masken gefüllte Schublade zu Hause hielt mich vom unnötigen Erwerb weiterer in Folie verpackter Wegwerfprodukte ab. Andererseits hätte sich die Maske optisch und ideologisch sicherlich gut neben meinen Bambus-Wattestäbchen und der holzig schmeckenden Bambus-Zahnbürste gemacht.
Bambus gilt als nachhaltiger Rohstoff, der schnell nachwächst und umweltfreundlich angebaut werden kann. Bambuspflanzen brauchen kaum Pestizide und können teilweise erheblich mehr CO₂ binden als andere Pflanzen. Und natürlich ist er recycelbar. Allerdings kommt der Rohstoff von weit her, und es sind bei der Maske auch nicht alle Teile komplett aus Bambus: Im Nasenclip und in der Zwischenschicht sind Kunststoffe enthalten, insgesamt wird laut Hersteller nur 50 Prozent Plastik eingespart (auf dem Weltpremiere-Schild stand irreführenderweise »100 % Bio-Bambusfaser«).
Dennoch hat die Bambus-FFP2-Maske Made in Germany unterm Strich vermutlich eine bessere Ökobilanz als eine herkömmliche. Wissenschaftler der Uni Portsmouth hatten bereits im vergangenen Jahr vor einer Umweltkatastrophe infolge weggeworfener Masken gewarnt, denn die meisten sind aus langlebigem Plastik produziert und können sich Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte halten. Wäre es da nicht konsequent – oder mehr noch: alternativlos! –, mit einer Bambusmaske herumzulaufen statt mit einer farblich auf das Outfit abgestimmten? Sollte man direkt eine Bambusmaskenpflicht fordern? Katherine Rydlink