Savannah-Sofa von Monica Förster
Savannah-Sofa von Monica Förster
Foto: Monica Förster Design Studio

Highlights der Stockholm Design Week Schwedische Kronen

Schnörkellos, zeitlos, praktisch: Skandinavisches Design wurde bei der Stockholm Furniture Fair 2020 gezeigt. Diese drei schwedischen Gestalter sollten Sie sich merken.
Von Franziska Horn

Irgendwo zwischen "hygge" - totstrapaziertes Wort für nordische Gemütlichkeit - und dem Wort "lagom" lässt sich der Kern schwedischen Designs verorten. Letzteres bedeutet: nicht zu viel, nicht zu wenig. Ausgewogen eben. Dann gibt’s da noch das Gesetz von Jante . Das verlangt, sich niemals vorzudrängen. Trotzdem zeigen diese drei Designer Flagge, ganz entspannt, natürlich.

Der hintergründige Künstler 

Alexander Lervik, Jahrgang 1972, stammt aus Dalarna, nördlich von Stockholm. Nach zwei Jahren Schreinerlehre studierte Lervik Möbel- und Produktdesign an der bekannten Beckmans School of Design in Stockholm. Er entwirft Interiors und unterrichtet an der Königlichen Technischen Hochschule KTH. Für seine praktisch-ästhetischen Möbel mit überraschendem Dreh hat er einige Preise gewonnen.

Seine Sofa-Tisch-Kombi Harper für Adea möchte man mitsamt Bank Plinten sofort ins eigene Ferienhäuschen verfrachten. Wenn man denn eins hätte. Alle drei Modelle sind hölzern leicht, nordisch schlicht, qualitativ gut. Lervik beherrscht auch die urbane Sprache ausladender Sofalandschaften, wie seine Mailand-liken Sofas für Moroso zeigen. Das ist nicht alles.

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Arbeiten von Alexander Lervik

Foto: Johan Eldrot

Mit den zwölf Objekten seiner Ausstellung "Imaginationsx12" in Sven-Harrys Kunstmuseum testet der Endvierziger aktuell die Grenzen zwischen Kunst und Design aus, irgendwo zwischen Dada und Surrealismus, hintergründig, mit Botschaft. Da ist sein Sofa Djungle, das er mit 700 Metern Seil festzurrte. Da ist ein Stuhl, der keiner ist, dafür aber eine Skulptur, also die Wahrnehmung infrage stellt. Und da ist die Papierflugzeugmaschine, die ratternd Papierflieger in den Raum ballert. Kinderei? Nö. Lervik litt 15 Jahre an Flugangst, bevor er sie therapieren ließ und schließlich in besagte Apparatur übersetzte. 

Lerviks Leitmotiv: Sein oder nicht De-sign - das ist hier die Frage. Auch Lerviks "The Poetry of light" von 2013 beweist Hintersinn. Hier setzte er einen Leuchtkörper unter eine blickdichte Pyramide aus Schokolade. Angeknipst, schmilzt die Lampe ihre Hülle weg, auf dass endlich Licht den Raum erhellt.

Wer möchte, kann hier viel Philosophisches finden. "Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt einen Unterschied gibt zwischen Kunst und Design – nur dass Design eben eine Funktion hat", sagt Lervik im Gespräch. Mit seinem Terra Chair  aus dem 3-D-Printer entwarf er einen Stuhl, den jeder selbst nachbauen kann mitsamt Anleitung. Damit will Lervik dem Ideenklau vorbeugen. Wer keine Schreinerhände besitzt, kann den Stuhl natürlich auch ordern.

Die poetische Visionärin

Monica Förster wurde 1966 in Stockholm geboren. Die Lust am Gestalten hat sie von ihrem Vater, einem deutschen Chefkoch und Patissier. Ihre Mutter ist aus einer schwedisch-lappländischen Samen-Familie, die ihr 130 Hektar Wald vererbte - und die Nähe zur Natur, aus der so ziemlich alle großen nordischen Designer schöpfen. Nach dem Studium - ebenfalls am Beckmans College – gründete sie 1999 ihr Studio. Ihr Durchbruch war Lei, der erste ergonomische Bürostuhl für Frauen, und Cloud, das erste tragbare Konferenzzimmer. 

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Arbeiten von Monica Förster

Foto: Monica Förster Design Studio

Auf der Messe 2020 präsentiert Förster Knäufe und Haken - praktische Allzweckgriffe für den Alltag, aber mit künstlerischen Touch. Glänzende Oberflächen gehören bei Förster zum Leitmotiv. Ende 2019 hat die Designerin zusammen mit der Edelholzmanufaktur Zanat aus Bosnien das Restaurant PositaNo Yes gestaltet, in einem der oberen Stockwerke des alteingesessenen Jugendstil-Kaufhauses Nordiska Kompaniet (NK) in der Stockholmer Einkaufsstraße Hamngatan. Ein wiederkehrendes Motiv sind hier Zitronen, die amalfitanische Leichtigkeit verbreiten. Auch den Barstool aus dunklem Holz hat Förster eigens entworfen, nachdem sie zuvor schon mit Zanat den spannungsvoll geformten Stuhl Sana herausbrachte. 2020 ergänzen die Hide and Seek Containers mit dekorativen Schnitzereien die gemeinsame Zusammenarbeit. 

Die Gestalterin, die sich als klassische Industriedesignerin versteht, hat ihr Studio in einer ehemaligen Brauerei aus dem 17. Jahrhundert im Viertel Södermalm. Beim Interview wägt sie die Worte genau ab. Das Gespräch dreht sich um die Natur Lapplands, wo sie aufwuchs, "mitten im Nirgendwo, wo es keine Umweltverschmutzung gibt". Weil das Land so abgelegen war, sammelte die Familie Früchte, Beeren, Pilze, ging fischen und jagen. "Du hast das Beste gemacht aus dem, was du hattest. Das macht kreativ!". Sie überlegte, Künstlerin zu werden, zog dann aber doch das dreidimensionale Arbeiten beim Produktgestalten vor.

Skandinavisches Design? "Gibt es so für mich nicht. Das Hirn versucht ständig, Dinge zu verlinken", sagt sie. "Wenn man so möchte, hat es aber gemeinsame Grundlagen, eine gute Infrastruktur. Und ein reiches Erbe – es gab hier keine Kriege zuletzt, alles ist erhalten!", sagt sie. Da ist sie wieder, die nordische Bescheidenheit.

Der zeitlose Architekt 

Mattias Stenberg begann seinen Weg 1975 in Umeå in der Provinz Västerbotten. Er studierte erst Biomedizin-Technik, arbeitete zehn Jahre als Unternehmensberater. Dann holte er seinen Kindheitstraum hervor und studierte Architektur am Royal Institute of Technology (KTH) in Stockholm. Mit 35 gründete er sein Studio Vision A&D für zeitgenössische Architektur und später Design. 2012 folgten die ersten Produktentwürfe. "Trends sind mir egal", sagt er, "ich will lieber zeitlose Dinge entwerfen. Langlebige Produkte sind die Basis für Nachhaltigkeit." Stenberg mag "slow furniture statt Möbel-Fastfood". 

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Arbeiten von Mattias Stenberg

Foto: Studio Mattias Stenberg

In neun Jahren hat Stenberg rund 120 Modelle für 20 verschiedene Labels entwickelt und auf den Markt gebracht. "Ja, ich bin ein bisschen manisch", sagt er. Sein USP? "Klare industrielle Ästhetik". Als Ingenieur hat er auch keine Berührungsangst vor digitalen Techniken. Zur Design Week Stockholm 2020 zeigt Stenberg seine Werke in gleich zwei Ausstellungen: in der Galleri Glas und im Auktionsverk in der Nybrogatan. Zur Eröffnung kamen 800 Leute.

"Materialität, Reduktion und ein gutes Konzept, das sind für mich die drei Säulen für ein gelungenes Möbel", sagt Stenberg, der sich als Allrounder versteht. Sein Faible für Materialien zeigt sich im sphärischen Glas der Septum-Vasen für Kosta Boda, im Caravaggio-Marmor seines Tischs Plektra, in schottischer Boucléwolle für den Carry-on-Pouf, der seinen Henkel praktischerweise dabeihat. Auch Teppiche für Asplund hat Stenberg entworfen, in feinen Farbverläufen, inspiriert von der Natur seiner nordischen Heimat in Umeå. "Wir Skandinavier sind nicht laut", sagt er. "Aber wir legen viel Wert auf eine gute Optik". 

Stenbergs Sofa-Serie Alto für Materia hat gerade den Deutschen Designpreis 2020 für Sitzmöbel gewonnen. Gerühmt werden hier Ästhetik, Vielseitigkeit und die ungewöhnliche Sitzhöhe. Zwar hat Schweden keinen so ikonischen Designer wie (den Finnen) Alvar Aalto hervorgebracht, hört man immer wieder von den Schweden selbst. Doch für ein preisgekröntes Möbel namens Alto reicht es allemal - schwedische Möbel sind Helden des Alltags, selbstverständlich und langlebig.

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