
Cold Brew Mousse Bratapfel reloaded
Wenn die Gäste nach Plätzchen, Häppchen, Leberknödelsuppe, Entenbein, Klößen und Rotkohl mal wieder ihren Nachtisch stehen gelassen und auch den Kaffee nicht angerührt haben, ist das kein Drama. Sondern die einmalige Chance, mitten in der Weihnachtsvöllerei ein bisschen für die Nachhaltigkeit zu tun.
Denn auch für den Bratapfel, den die Gäste verweigert haben, gibt es eine Lösung. Das mit Butter, Zimt, Rohrzucker, Apfelschnaps und Rum getränkte Fruchtfleisch liefert zum Beispiel einen spektakulären Rohstoff für diverse Schleckereien. Dafür können Äpfel mit Hilfe von wenigen Standardzutaten wie Ei, Sahne oder Gelatine in neue Speisen verwandelt werden: Bratapfelmousse, Bratapfelsauce oder - das wollen wir heute ausprobieren - Bratapfeleis, das man entweder komplett selber machen oder bei Zeitnot auch mit Hilfe einer guten zugekauften Eiscreme herstellen kann.
Bei der zweiten Hauptrolle unseres ressourcenschonenden Christmas-Desserts taugt notfalls auch der nicht getrunkene Kaffeerest des letzten Plätzchennachmittags. Dieses Recycling zu einer glatten, im Mund schmelzenden Mousse schmeckt allerdings - wenn wir ganz ehrlich sind - mit dem derzeit angesagtesten Koffeinprodukt um Klassen besser: Cold Brew.
Diese zunächst in den USA beliebt gewordene Kaffeezubereitungsmethode basiert auf dem Phänomen, dass bei der Extraktion des Pulvers gemahlener gerösteter Bohnen mithilfe von eiskaltem Wasser mehr als doppelt so viele aromagebende Stoffe gelöst werden wie bei dem sonst üblichen Aufgießen oder Druckpressen mit heißer Flüssigkeit. Andererseits enthält das Cold-Brew-Konzentrat etwas weniger Bitterstoffe und so gut wie keine magenfeindlichen Säuren - schmeckt also milder, edler und deutlich facettenreicher als das herkömmliche Käffchen.
Und wie bei jedem Trend gibt es natürlich auch für das Kaltgebräu allerlei technische Hilfsmittel zu kaufen - bis hin zu dem "Cold Water Dripper" für über 600 Euro. Für den Anfang aber tut es notfalls auch ein sauber abgewaschenes Gurkenglas mit Schraubdeckel, ein Feinsieb und ein Teefilter (siehe Rezept). Meist entsteht beim kalten Brauen ein eher untrinkbares Konzentrat, das mit der zwei- bis dreifachen Menge Wasser (heiß oder kalt) verdünnt genießbar wird.
Cold-Brew-Essenzen eignen sich aber genauso gut als Basis für diverse hochfeine Dessertideen. So sorgt dieses Extraktionsverfahren bei unserem heutigen Rezept für "Cold Brew Mousse mit Bratapfeleis und Calvadossauce" für eine spannende Kaffeecreme, die trotz betont zurückhaltender Süßung ausschließlich kulinarisch interessante Bitternoten verströmt - dennoch nicht für Kinder geeignet ist.
Mit Kaltgebräu die Welt retten
Für dieses Erwachsenendessert eignet sich vorgemahlener Industriekaffee, der monatelang im Supermarktregal herumstand, eher weniger. Am besten schmecken sortenreine Arabica-Bohnen aus Hochlandernten, die möglichst frisch und aromaschonend nicht zu dunkel geröstet wurden. Empfehlenswert ist zum Beispiel der Kaffee der Kogi-Indianer, die ihre kolumbianische Heimat in den nebeligen Hängen der Sierra Nevada El Corazon del Mundo (Herz der Welt) nennen.
In diesem Herz der Welt bauen die Indios seit Hunderten von Jahren ohne jeglichen Gebrauch von Düngern oder Pestiziden Hochlandbohnen an, die von der Initiative Urwaldkaffee nach Europa importiert werden. Die Kogi erhalten für ihre Ernte bessere Preise als im herkömmlichen Fairtrade-System und werden zusätzlich mit 20 Prozent am Gewinn beteiligt.
Rezept für Cold Brew Mousse mit Bratapfeleis und Calvadossauce (Dessert für 4 Personen)
Vorbereitungszeit: 25 Minuten (plus 12 Stunden Einfrier-/Einweichzeit)
Zubereitungszeit: 30 Minuten
Schwierigkeitsgrad: anspruchsvoll
Zutaten
Cold Brew Mousse
100 g mild geröstete Kaffeebohnen (z.B. "Seivake" von "Café Kogi"*)
500 ml eiskaltes Wasser
100 g Sahne
1-3 EL brauner Rohrzucker
2 Blatt Gelatine (oder gleichwertige Menge vegetarisches Gelatinepulver)
1 Ei
2 TL weißer Zucker
1 TL Vanillezucker
Bratapfeleis
250 ml Milch
150 g Sahne
1 Vanilleschote
50 g Rohrzucker
3 Eigelb
3 erkaltete Bratäpfel (z.B. Reste vom Vortagsdessert)
Calvadossauce & Garnitur
2 EL brauner Rohrzucker
100 ml Calvados
50 g Sahne
1 TL Schalenabrieb von der Biozitrone
1 Cox Orange Apfel
2 EL Haselnusskrokant
Zubereitung
Cold Brew Mousse
Am Vortag zunächst den Kaffeekaltaufguss aufsetzen: Bohnen mittelgrob mahlen, in einem hohen Glasgefäß mit dem Eiswasser übergießen, kurz umrühren. Gefäß mit Küchenfolie oder Deckel verschließen und mindestens 12 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.
Am Folgetag den Gefäßinhalt zunächst durch ein Haarsieb, danach durch einen feinen Kaffee- oder Teefilter gießen. Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Cold Brew Kaffee nach Geschmack mit Rohrzucker süßen (Tipp: schmeckt wenig gezuckert am besten). Ei trennen, Eigelb in Rührschüssel mit 1 TL Zucker und Vanillezucker schaumig schlagen und Schüssel in ein heißes Wasserbad hängen. Sahne einrühren, bis die Masse dicklich wird. Gelatine ausdrücken, mit Schneebesen untermischen, Kaffee einrühren. Masse 15 Minuten kalt stellen.
Eiweiß mit 1 TL Zucker steif schlagen, Eischnee unter die Kaffeemasse heben und entweder auf Servierschalen verteilen oder (wenn Nocken serviert werden sollen) in ein passendes Gefäß füllen. Mindestens 3 Stunden im untersten Fach des Kühlschranks kalt stellen.
Bratapfeleis
Am Vortag Vanilleschote fein hacken, zusammen mit Milch, Sahne und Zucker 3 Minuten aufkochen, dabei stetig rühren. Topf vom Herd nehmen, 2 Stunden ziehen lassen. Durch Feinsieb passieren. In einem heißen Wasserbad eine runde Schlagschüssel einhängen, Eigelbe darin schaumig rühren. Vanillesahne zugeben und rühren, bis die Masse dicker wird (zur Rose abziehen). In Sorbetière oder Eismaschine zu Eiscreme verarbeiten (alternativ im TK-Fach einfrieren, dabei alle 30 Minuten umrühren). Sobald die Eismasse Kristalle bildet (anzieht), die Bratäpfel (ohne Beigaben wie Nüsse oder Rosinen) in kleine Würfel schneiden und unterheben.
Tipp: Falls es schneller gehen muss: Ein gutes zugekauftes Vanilleeis (am besten Bio, mit echter Vanille und wenig Zucker) leicht antauen lassen und die Bratapfelwürfel unterheben, von denen ein Viertel vorher mit einer Gabel zerdrückt wurden.
Calvadossauce & Garnitur
Am Vortag mit dem Dörren der Apfelchips beginnen: Apfel mittig teilen und auf scharfem Hobel in möglichst dünne Scheiben hobeln. Auf Backofenrost verteilen und bei 60 Grad Umluft mit leicht geöffneter Ofentür 5 Stunden lang dörren, bis die Chips kross geworden sind (noch besser geht das mit einem Dörrautomaten). Chips in einem luftdicht verschlossenem Gefäß aufbewahren.
Für die Sauce den Zucker in einem kleinen Topf leicht schmelzen, Calvados einrühren und 3 Minuten bei mittlerer Hitze reduzieren lassen. Sahne einrühren und leicht sämig einkochen. Topf vom Herd ziehen und Zitronenschalenabrieb einrühren, zum Servieren erkalten lassen.
Anrichten
Wenn für die Eisherstellung eine Sorbetière oder Eismaschine benutzt wurde, können die Nocken zum Servieren direkt mit zwei Esslöffeln (vorher und zwischendrin in heißes Wasser tauchen) abgestochen werden. Eis aus dem TK-Fach direkt vor dem Servieren mit heißem großem Messer in handliche Stücke teilen und ganz kurz im Mixer oder Blitzhacker cremig mixen - es sollte dabei aber nicht zu flüssig werden.
Calvadossauce zum Beispiel mit Pinsel oder Kamm dekorativ auf vier größere flache Teller auftragen, Nusskrokant verteilen. Von Mousse und Eis Nocken abstechen und auflegen. Bratapfelchips verteilen und rasch servieren.
Küchenklang
"Stille Nacht" fehlt, aber vielleicht ist genau deshalb Kylie Minogues aktuelles Weihnachtsalbum so ein Küchenbeschallungsknaller: bei Klassikern wie "Let It Snow", "Christmas Wrapping" (hier knurrt Iggy Pop im Wechsel mit Minogue) oder "Santa Claus Is Coming To Town" (posthum im Duett mit Frank Sinatra) lassen sich sogar Wagenladungen voll Plätzchen und weihnachtlicher Desserts zubereiten, zumal mit "White December", " Christmas Isn't Christmas 'Til You Get Here" sowie "Every Day's Like Christmas" sogar drei echte Neukompositionen zu hören sind - in diesem Genre eher unüblich.
Getränketipp
Pro Gast 100 ml des Cold-Brew-Kaffees in kleinen Gläsern voll Crushed Ice wäre im Sommer die erste Wahl als Dessertbegleitung. Im Winter passt der sortenrein aus "Sämling Bittenfelder" in Barriquefässern auf 11 Prozent Alkohol sehr trocken ausgebaute Obstwein "Holz Apfel"* der Göppinger Manufaktur Jörg Geiger noch besser - nicht wärmer als 8 Grad servieren!
*Bezugsquellen
Seivake-Kaffeebohnen
"Holz Apfel"