Zum Darüberreden und Trinken
Weine für Menschen, die nach Etikett kaufen
Die meisten Menschen lassen sich beim Weinkauf vor allem vom Etikett überzeugen. Hier kommen fünf Empfehlungen für Weine, bei denen sowohl der Inhalt als auch die Aufmachung guten Gesprächsstoff liefern.
Wein verbindet – ganz gleich, ob man ihn trinkt oder nur darüber redet; am besten natürlich beides gleichzeitig. Dafür braucht auch niemand ein ausgewiesener Weinkenner zu sein. Das Fachsimpeln über Ganztraubenpressung oder malolaktische Fermentation nervt ohnehin die meisten. Neugier und damit Gesprächsanlässe entstehen anders. Zum Beispiel durch Etiketten, die Fragen aufwerfen.
Japanisch-hessisches Flötenkonzert
Japanische Rebsorte aus hessischen Böden: Rheingau Koshu vom Weingut Schönleber-Blümlein, ca. 25 Euro
Foto: Rheingau Koshu
Da wäre zum einen das mit zwei japanischen Schriftzeichen und dem Aufdruck »Rheingau Koshu«. Koshu gilt als die Nationalrebsorte Japans und kommt nur dort vor. Eigentlich, denn der Winzer Frank Schönleber baut sie im Rheingau an, auf seinem Weingut Schönleber-Blümlein in Oestrich-Winkel. Obwohl die Traube eine hellviolette Schale hat, wird Weißwein aus ihr gekeltert. Den füllt Schönleber in sogenannte Rheingau-Flöten, auf deren Etikett er zwei japanische Schriftzeichen pinseln ließ: Sie stehen – na klar – für Koshu. Der 2018er ähnelt einem Rheingau-Riesling: rassiger Auftakt, fruchtige Nase, doch mit der Zurückhaltung einer Nashi-Birne. Ein saftiger Wein für Menschen, denen Riesling zu geradeaus ist.
Riesling in Rot
Alles, was ein Riesling braucht, plus Aromen roter Äpfel: Roter Riesling vom Weingut Meine Freiheit, ca. zehn Euro
Auch Riesling kann Gäste zum Staunen bringen. Zumindest wenn »Roter Riesling« auf dem Etikett steht und darüber ein weißer Kranich seine Flügel schlägt. So zu bekommen vom ebenfalls in Oestrich-Winkel ansässigen Weingut Meine Freiheit. Es wird vermutet, dass der heute gängige weiße Riesling von dieser Weißweinsorte abstammt. Gerade einmal 14 Hektar stehen davon noch im Rheingau. Der 2019er Jahrgang liefert mit seiner zitrischen Frische alles, was ein Riesling braucht, plus Aromen roter Äpfel. Am Gaumen ist er etwas saftiger und schmelziger. Das Weingut produziert aus den Trauben auch einen Sekt, der fruchtig-kräutrige mit Hefearomen verbindet und dem rassigen Charakter eines Rieslings eine elegante Cremigkeit gegenüberstellt.
Bezahlbares vom Rieslingkönig
Slowakischer Weißwein, der mit der Zeit noch besser wird: Riesling vom Château Belá, ca. 15 Euro
Foto: Henrietta Tothova / Château Belá
Slowakischer Weißwein genießt hierzulande ebenfalls Exotenstatus. Der vom Château Belá ist besonders gut. Noch mal ein Riesling, aber der Name auf dem Etikett lässt aufhorchen: Egon Müller. Der »Rieslingkönig« residiert eigentlich an der Saar und produziert den laut Suchmaschine Wine-Searcher teuersten Weißwein der Welt, die Scharzhofberger Riesling Trockenbeerenauslese. An der Donau macht Müller zusammen mit dem Oenologen Miroslav Petrech Wein – zum Glück in einer anderen Preiskategorie. Ihr 2019er Riesling Château Belá schimmert blass-zitronengelb im Glas und duftet nach Kräutern, Zitronenzeste und Honigmelone. Nimmt man einen Schluck, fallen herbe Zitrusfrucht, junge Ananas, ein stoffiges Mundgefühl sowie eine untergründige Kraft auf. Diesem sehr jugendlichen Riesling sollte man nach dem Öffnen Luft geben oder ihn am besten eine Weile reifen lassen.
Pecorino zum Trinken: Pecorino Biologico von der italienischen Genossenschaft Feudo Antico, ca. zehn Euro
Foto: Gerald Franz
Bis der Müller-Wein gereift ist, stellen Sie am besten eine Flasche Weißwein der italienischen Genossenschaft Feudo Antico auf den Tisch, einen Pecorino aus dem Anbaugebiet Tullum. Das ist in dem Fall kein Tippfehler, sondern eine Rebsorte. Warum sie heißt wie der berühmte Schafskäse, ist umstritten. Schaf heißt auf Italienisch pecora. Lieblingsspeise der Schafe? Angeblich sind die Träubchen so klein wie Schafsköttel. Ob wegen gefräßiger Schafe oder aus anderen Gründen, der Pecorino ist jedenfalls eine Nischenrebsorte. Auf nicht mal einem halben Prozent der italienischen Anbaufläche wird sie gezogen, hauptsächlich in den Marken oder – wie dieser hier – in den Abruzzen. Direkt nach dem Öffnen sehr verhalten, kommen bei dem 2019er Pecorino Biologico nach einer Stunde schöne zitrische und exotische Fruchtaromen wie Grapefruit und Ananas durch – und passenderweise auch ein zarter Käseduft. Ein frischer und eleganter Weißwein.
Nah am Wasser gebaut
Kraftvoller Roter, klangvoller Name: Syrah von Trust Cellars aus dem Walla Walla Valley in Washington, ca. 40 Euro
Freunde eines guten Roten gönnen sich einen Wein aus Walla Walla. Auch wenn er mehr als ungewöhnlich ist, einen solchen Namen erfindet man nicht. In der Sprache der indigenen Bevölkerung im Grenzgebiet von Washington State und Oregon bedeutet das: »Ort der vielen Wasser«, eine Metapher für den Zusammenfluss des Snake- und des Columbia-Rivers. Die Sommer im Walla Walla Tal sind heiß und trocken, weil die umliegenden Cascade Mountains Pazifikwinde abschirmen. Deshalb werden hier trotz der nördlichen Lage in den USA kraftvolle Rote gekeltert. Der 2016er Syrah von Trust Cellars besticht bereits durch seinen Duft nach dunklen Früchten, Tabak und schwarzer Olive. Am Gaumen gibt es dann saftige Frucht, einen fein geknüpften Tannin-Teppich und Glücksgefühle.
Wein ist immer verflochten mit Menschen und ihren Geschichten. Einige davon zu erzählen, hat sich der Autor zur Aufgabe gemacht. Nachzulesen auf seinem Blog Weinsprech.