

Sekt zum Fest Schaum mer mal
Es war der Coup in der deutschen Weinszene: Mathieu Kauffmann, der zwölf Jahre lang beim berühmten Champagnerhaus Bollinger einige der weltweit besten Champagner kreiert hatte, wechselte im Sommer 2013 zum Weingut Reichsrat von Buhl nach Deidesheim. Dass mit Kauffmann einer der Stars unter den Schampus-Machern in die Pfalz wechselt, war bis dahin unvorstellbar. Aber der Elsässer hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Er will die besten deutschen Schaumweine erzeugen.
Dass ein Hochkaräter wie Mathieu Kauffmann in der Pfalz anheuert, zeigt auch den gestiegenen Stellenwert des deutschen Schaumweins. Niemand trinkt so viel Sekt wie die Deutschen, laut Statistischem Bundesamt sind es im Jahr mehr als 300 Millionen Liter, wobei der Verbrauch zuletzt leicht zurückgegangen ist. Die Branche, lange von wenigen Kellereien beherrscht, wird gerade von jungen Schaumwein-Spezialisten belebt, die nicht mehr ehrfürchtig ins Nachbarland Frankreich schauen.
Nico Brandner, 33, führt die 2013 gegründete Sektkellerei Griesel & Compagnie an der hessischen Bergstraße. Seine markanten Schaumweine vom Spätburgunder, Chardonnay und Riesling stehen für die neue deutsche Sektklasse. In Osthofen erzeugen Isabel Strauch-Weißbach und Tim Weißbach seit 2011 in ihrer Sektmanufaktur Strauch mit Equipment aus der Champagne Biosekt - eine Seltenheit in Deutschland und für den Gault Millau die "Entdeckung des Jahres 2015".
In unserer Fotostrecke stellen wir zehn herausragende Winzersekte und ihre Hersteller vor:

Fotostrecke: Die besten deutschen Winzersekte
Schaumwein entsteht, indem man Wein ein zweites Mal nach der Méthode champenoise gären lässt. Dabei wird der Grundwein in Flaschen gefüllt und erhält einen Liqueur de tirage, eine Mischung aus Hefe und Zucker. Bei dieser zweiten Gärung wird der Wein zum Schäumer. Nach der Lagerung auf der Hefe wird er degorgiert, dabei wird die Hefe aus der Flasche entfernt. Bevor der Kellermeister die Flasche endgültig verschließt, wird noch der Liqueur de dosage zugesetzt, eine Mischung aus Zucker und Wein, die festlegt, wie süß der Schaumwein am Ende ist.
"Brüder, ich trinke Sterne!"
Bei der Entwicklung des Champagners im 17. Jahrhundert soll der französische Benediktinermönch Dom Pérignon eine wichtige Rolle gespielt haben. Beim Öffnen der ersten gelungenen Flasche soll er gerufen haben: "Brüder, kommt schnell, ich trinke Sterne!"
Der Begriff Champagner ist nur Schaumweinen aus der französischen Region Champagne vorbehalten. Aber auch Winzersekte aus Deutschland müssen hohe Qualitätsstandards erfüllen: Die Trauben müssen aus den Weinbergen des Erzeugers stammen, die traditionelle Flaschengärmethode ist Pflicht. Mindestens neun Monate liegen die Sekte auf der Hefe, je länger die Lagerzeit dauert, desto feiner wird die Perlage. Nur rund zwei Prozent der deutschen Sekte werden so hergestellt. Der Rest wird in riesigen Tanks bis zu 500.000 Litern vergärt - eine industrielle Massenproduktion, die Geschmackseinbußen billigt.
"Es ist einfach, Wein mit Bläschen zu versetzen, aber um einen besonderen Schaumwein zu erzeugen, braucht es Spezialisten", sagt Klaus Herres. 1982 versuchte er, seine ersten Schäumer abzufüllen. Er setzte ihnen zu viel Hefe zu, die Flaschen zerplatzten reihenweise, der Winzer traute sich nur noch mit einem gefütterten Skianorak und einem Motorradhelm in den Keller. Der Anfang mag beschwerlich gewesen sein, inzwischen ist Herres vom Sektgut St. Laurentius an der Mosel Hoflieferant des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue.
"Sekt darf nicht müde machen"
Dass Nuancen einen besonderen Sekt ausmachen, weiß auch Volker Raumland: Werden die Trauben zu früh gelesen, bekommen die Schaumweine unreife Noten. Liest man zu spät, verlieren die Grundweine an Lebendigkeit. Dann wird der Sekt plump und zur Einschlafhilfe. "Sekt darf nicht müde machen, er muss animieren", sagt der 61-Jährige. 1990 begann er im rheinhessischen Flörsheim am Sockel der Champagner zu rütteln. Seine Sekte sind Gradmesser deutscher Schaumweinerzeugung. Raumlands Prestigesekt ist der Triumvirat, er kostet 38 Euro, ein Dom Pérignon, je nach Jahrgang, das Drei- bis Zwölffache.
Vor wenigen Jahren hätte es noch als vermessen gegolten, deutschen Schaumwein mit Champagner zu vergleichen. Inzwischen können sich die besten Winzersekte mit der Champagne messen. Dass immer öfter zu einheimischen Schaumweinen gegriffen wird, liegt auch an deren Vielfalt: Champagner besteht aus der Standardformel Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. In Deutschland werden neben Schaumweinen aus den Burgundersorten auch einzigartige Rieslingsekte angeboten, frisch, fruchtig und vornehm. Gerade vor Weihnachten wird in vielen Sektgütern noch mal degorgiert. Denn jetzt warten viele darauf, Sterne trinken zu können.