Opulent, verspielt, ästhetisch Besondere Brettspiele zum Verschenken

Für jeden etwas dabei: Brettspiele »Fort«, »Zwergar«, »Destinies«, »Ökosystem« und »Canvas«
Foto: Maren Hoffmann / DER SPIEGELDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Für Regelhasser: »Ökosystem« mit Bienen, Blümchen und Bären
Der Lachs will in den Fluss, der Bär zum Honig und die Wölfe sind am liebsten im Rudel. Ein Ökosystem muss gut ausgewogen und möglichst vielfältig sein, damit Flora und Fauna gedeihen. Wer gern mit schönen Karten spielt, ungern Regeln liest, aber trotzdem gern taktisch denkt, sollte sich das hübsche Kartenspiel von Matt Simpson anschauen.

Damit kann man gleich loslegen, und das im Wortsinn: Jeder bekommt zehn Karten, auf denen Tiere und Landschaften zu sehen sind, behält eine und gibt den Rest weiter, solange, bis alle Karten weg sind. Die, die man behält, legt man vor sich hin und versucht, sie in einem Raster von vier Reihen und fünf Spalten möglichst schlau anzulegen – jeder hat eine kleine Merktafel, auf der steht, wie man mit jeder der elf verschiedenen Karten punkten kann. Dann geht das Gleiche noch mal im entgegengesetzten Uhrzeigersinn herum, und fertig ist das eigene Ökosystem.
Das geht schnell und macht Spaß, auch, weil die Karten so puristisch gestaltet sind – keine Zahlen, keine Symbole, einfach nur ein Adler oder ein Hasenpaar (Ersterer freut sich sehr über eine Nachbarschaft mit Letzterem). Ein entspannter Glücksfaktor ist auch dabei, weil man nie sicher ist, was einem so zugelaufen kommt.
Für zwei bis sechs Personen ab zehn Jahren, Spieldauer eine Viertel- bis halbe Stunde
Hand drauf: Tierfreunde, gemischte Runden aus Viel- und Wenigspielern, Kurzspieler
Finger weg: Leute, die beim Spielen gern viel Interaktion haben
Preisabfragezeitpunkt
29.01.2023 04.47 Uhr
Keine Gewähr
Für Ästheten: »Canvas« kann was

Dass auf diesen Gedanken noch niemand vorher gekommen ist: Die Schachtel von Jeffrey Chins und Andrew Nergers »Canvas« (Illustrationen: Luan Huynh) wird – wenn von der Plastikhülle und damit auch der Beschriftung befreit – zum Bild, das man mit einem integrierten Aufhänger an der Wand anbringen kann. Das führt auch gleich ins Thema, denn wir sollen Kunstwerke gestalten, mit denen wir Auszeichnungen erringen können. Dafür sammeln wir transparente Karten mit hübschen Motiven, die wir zusammen mit einer stimmungsvollen Hintergrundkarte in eine transparente Hülle schieben, um so das beste Bild hinzubekommen.
Aus jeweils drei Karten plus Hintergrund entstehen zarte und poetische Bildwelten, hier mal ein Schiff, das ins Ungewisse segelt, Figuren, Bäume, verwunschene Szenerien – und zufällige Titel. So etwas wie »Das Wandeln der Wahrheit« oder »Das Schamlose des Abenteuers«. Im Kern ist das alles allerdings nur Beiwerk, denn gepunktet wird mit dem, was unten auf den Karten zu sehen ist – Symbole, die man schlau kombinieren muss, um an möglichst viele Auszeichnungen zu kommen.
Dieselbe Spielidee hätte man auch mit ganz anderen Themen umsetzen können: Armeen hochrüsten, Maschinen bauen oder Tiere züchten beispielsweise. Aber durch das ungewöhnliche Setting entsteht eine ganz eigene Atmosphäre. Manche legen die Regeln irgendwann beiseite und spielen Freestyle, einfach aus Spaß an der Freude.
Für eine bis fünf Personen ab zehn Jahren, Spieldauer eine halbe Stunde
Hand drauf: Farbenfreudige Kreative, Romantiker, Dekoverliebte
Finger weg: Actionliebhaber, Bauhausästheten
Für Verspielte: »Fort« – Baumhausbau mit Pizza und Zeugs

Die Coolen waren natürlich im Baumhausklub, ist ja klar. Und weil es für eine glückliche Kindheit nie zu spät ist, kann man jetzt am Spieltisch nachholen, was man in der Grundschule vielleicht versäumt hat: Die coolste aller Festungen mit den coolsten aller Freunde zu bauen.
Mit der Zielgruppe des Spiels haben Grant Rodiek und Nick Brachmann es sich nicht leicht gemacht: Es ist ein Spiel über Kinderkram, aber es ist kein Kinderspiel, das sieht man auch an den recht erwachsen wirkenden Illustrationen (Kyle Ferrin). Jeder bekommt ein Tableau, auf dem man Pizza und Spielzeug als Währung sammeln kann, und eine Handvoll Freunde (»Kidskarten«), die beim Ausbau helfen, aber bis auf die beiden besten Kumpel auch gern mal die Seiten wechseln.
Manches ist ein wenig arg verkrampft auf vermeintliche Kinderwelten hingedreht, aber die Gestaltung ist klasse – und vor allem ist das Regelwerk so klar geschrieben und mit so guten Symbolübersichten versehen, dass es kaum Unklarheiten gibt. Macht richtig Spaß. Ein Detail muss in der nächsten Auflage allerdings dringend geändert werden: Die kleinen Holzpizzen sind sechseckig! Wer denkt sich denn so etwas aus? Die müssen rund sein.
Für zwei bis vier Personen ab zehn Jahre, Spieldauer rund 20 bis 40 Minuten
Hand drauf: Leute mit dem Lebensmotto »Bloß nicht erwachsen werden! Das ist eine Falle!«
Finger weg: Erwachsene, die immer gern erwachsen sind
Für Opulenz-Liebhaber: Tief schürfen in »Zwergar«

Graben, Horten, Sammeln. Eisen, Stein, Gold, Juwelen. Da geht das Zwergenherz so richtig auf! Und steckt nicht in jedem und jeder von uns ein Zwerg? Zugegeben: Der Name ist ein bisschen zum Fremdschämen. »Zwergar«, im Ernst? Aber gut, darüber kann man hinwegsehen. Jan Madejskis Spiel hat eine solide Mechanik und das, was man unter Brettspiel-Nerds eine feine Tischpräsenz nennt: Jede Menge Zeug, mit dem man jede Menge machen kann. Und das muss man auch, denn nur, wer viele gute Projektkarten des Chefingenieurs erfüllt, kann gewinnen.
Wir sehen ein groß angelegtes Bergwerk mit Ingenieursbüro, Schmiede, Schmelze, Alchemistenlabor, Dampfkessel, Aufzug und – Herzstück des Ganzen – eine Mine mit Loren, die sich als hoffentlich mit reicher Ausbeute gefüllte kleine Tableaus allmählich an die Oberfläche befördern lassen. Wir, die Zwerge, sind extrem energiehungrig und brauchen viele kleine Öfen, um uns alle Aktionen leisten zu können – wenn wir unsere Spezialisten einsetzen, gibt es immer noch etwas mehr Ertrag, aber wie überall herrscht auch im Untergrundkönigreich Zwergar Fachkräftemangel.
Man muss schon ein bisschen in die Regellektüre einsteigen, sollte sich aber nicht davon abschrecken lassen, dass es 20 Seiten sind. Das meiste sind Abbildungen, spieltechnisch irrelevante Hintergrundtexte aus dem Zwergenreich, mit Namen, die man gleich wieder vergessen kann. Und eine lobenswert ausführliche Kartenübersicht. Die fünf Projektkartensets lassen sich immer wieder neu kombinieren und setzen jeweils andere taktische und strategische Anreize für die aktuelle Partie.
Für zwei bis vier Personen ab zwölf Jahren, Spieldauer eine knappe Stunde (oder mehr)
Hand drauf: Vielspieler und alle, die – heyho – vergnügt und fröhlich sind
Finger weg: Planungsparalytiker, Bauchspieler und Regelhasser
Für Ausdauerspieler: Mit »Destinies« das eigene Schicksal erfüllen

Manche Leute wollen ein Brettspiel nicht nur spielen. Sie wollen darin leben. Rollenspielsysteme können so etwas leisten, es gibt ganze analoge Parallelwelten. Wer es niedrigschwelliger haben will, aber trotzdem einen Charakter durch eine Spielwelt führen, ihn entwickeln und jede Menge Abenteuer erleben möchte, ist mit »Destinies« von Michał Gołębiowski und Filip Miłuński gut bedient (auf Deutsch bei der Spiele-Offensive erschienen). Das Regelwerk ist recht einfach, sodass man gut ausprobieren kann, ob einem das Spielprinzip liegt.
Bis zu drei Spieler treten gegeneinander an, um das eigene geheime Schicksal (das steht auf einer kleinen Karte) vor den anderen zu erfüllen. Das geht auf mindestens zwei Wegen, und man muss immer wieder Entscheidungen treffen, die den weiteren Fortgang der verzweigten Geschichte verändern. Unterwegs findet man Gegenstände, erkundet das Terrain und muss Proben bestehen. Dafür wirft man Würfel, deren Erfolge von der Entwicklung des eigenen Charakters abhängen. Im Laufe des Spiels kann man Intelligenz, Geschick und Stärke steigern. Diese Entwicklung geschieht jedoch nicht einfach linear, sondern folgt einer ausgeklügelten, innovativen Mechanik.
Zentraler Bestandteil des Spiels ist die kostenlose App, die angibt, welche Planteile, Feinde und sonstige Figuren ins Spiel kommen und was als Nächstes passiert. Bei klassischen Rollenspielen muss das ein Spielleiter machen, hier braucht man keinen. Es gibt bereits zwei Erweiterungen: »Meer aus Sand« bringt neue Szenarien, mit »Schicksalsschwestern« kann man auch zu viert statt nur zu dritt spielen und in zwei Teams gegeneinander antreten.
Eine bis drei Personen ab 14 Jahren, Spieldauer pro Partie zwei bis drei Stunden
Hand drauf: Rollenspiel-Einsteiger, Abenteuerlustige, Fantasyfreunde, Miniaturenbemaler
Finger weg: Kooperativspieler, App-Hasser, Leute mit kleinen Tischen, fortgeschrittene Rollenspieler