Laufschuhe im Test Was bringt Hightech für die Füße?

Worauf sollte man beim Kauf von Laufschuhen achten – und was ist weniger wichtig? Wir haben eine Läuferin und einen Läufer mit vier Testmodellen zum Training geschickt.
Laufschuhe: Passform und Komfort sind entscheidend

Laufschuhe: Passform und Komfort sind entscheidend

Foto: Aliaksandr Barysenka / EyeEm / Getty Images

»Laufschuhe sind wie Cocktails – bunt, teuer und manchmal tut am nächsten Tag was weh«, hat Lauf-Guru Achim Achilles schon vor einiger Zeit in seiner damaligen SPIEGEL-Kolumne geschrieben. Auch im Jahr 2023 stimmt dieser Satz noch. Hunderte Modelle warten in Läden und Onlineshops auf passende Füße. Ihre Farben, kryptischen Kürzel und Namen versprechen Hochtechnologie für die Hacken.

Aber was macht einen guten Laufschuh eigentlich aus? Das hat SPIEGEL-Redakteurin Antje Windmann vor einigen Jahren den Kölner Professor Gert-Peter Brüggemann gefragt, der 17 Jahre lang das Institut für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln geleitet hat. Wichtig sind demnach: Eine leichte Dämpfung; Spiel an der Ferse, aber genug Platz an den Zehen; vorderer und hinterer Teil des Schuhs sollten gegeneinander verdrehbar sein.

Entscheidend seien aber Passform und Komfort. »Ein Schuh muss einfach sitzen, man muss sich darin wohlfühlen. Dieses individuelle Gefühl ist entscheidend«, sagte Brüggemann damals.

So haben wir getestet

Den perfekten Laufschuh für jedermann und -frau gibt es also nicht. Fußform und Laufstil, Körpergewicht und Laufdistanz, all diese Faktoren sollten die individuelle Schuhwahl beeinflussen. Manche Laufgeschäfte bieten deshalb eine Analyse auf dem Laufband an.

In unserem Test wollten wir prüfen: Für wen eignet sich welcher Schuh? Wie gut dämpft er die Aufprallkräfte, ohne sich schwammig anzufühlen? Bietet er Stabilität und stützt den Fuß? Für welche Fußform eignet sich der Schuh? Über welche Distanz kann man ihn gut nutzen und wie ist er verarbeitet?

Um das herauszufinden, haben wir uns zwei erfahrene Laufbegeisterte gesucht, die jede Menge Kilometer abreißen. Paola Stulz und Sven Orloff sind mit den Testtretern mehrere Hundert Kilometer gelaufen: über Waldwege und Asphalt, bei Regen, beim Tempotraining – ein Schuh kam sogar bei einem Marathon zum Einsatz.

Das sind unsere Test-Läuferin und unser Test-Läufer
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Paola Stulz

Paola Stulz, 50 Jahre alt, ist C-Lizenztrainerin beim Hamburger Sportclub e.V. Dort betreut sie den Laufkurs für Anfängerinnen und Anfänger. Zum Laufen kam sie vor etwa 20 Jahren durch ihre Hündin, nun nimmt sie regelmäßig an Marathons teil. Ihre Lieblingsdistanz ist jedoch der Zehn-Kilometer-Lauf: »Da weiß man, wann es vorbei ist, und kann Gas geben.«

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Sven Orloff

Sven Orloff, 41 Jahre alt, läuft seit 2009 regelmäßig und hat mittlerweile mehr als 20 Marathons in den Beinen. Er ist Mitglied beim Hamburger Sportclub e.V. und hat sich während unseres Tests auf einen Ultra-Traillauf vorbereitet, unter anderem mit einem Trainingsmarathon. Am Laufen gefallen ihm die Herausforderungen und der Wettkampf.

Übrigens gibt es auch beim SPIEGEL viele laufbegeisterte Kolleginnen und Kollegen. Im Newsletter »SPIEGEL läuft« berichten sie regelmäßig über spannende Menschen aus der Laufwelt und geben nützliche Tipps fürs Training.

Diese Schuhe haben wir getestet

Wir haben nach Allrounder-Schuhen gesucht, die beliebt oder andernorts bereits gut bewertet wurden und sowohl für Frauen als auch für Männer erhältlich sind. Die ausgewählten Modelle haben eine unterschiedliche Sprengung, das heißt, der Höhenunterschied zwischen Vorderfuß und Ferse fällt nicht gleich aus. Welche Sprengung individuell am besten ist, hängt von Faktoren wie dem Laufstil und der Fitness ab . Das Gewicht der Schuhe haben wir vernachlässigt, auf ein paar Hundert Gramm kommt es außerhalb des Leistungssports selten an.

Keines der getesteten Modelle verfügt über eine besondere Verstärkung, die bei anderen Schuhen verhindern soll, dass der Fuß nicht nach innen oder außen knickt (Pronation). Während seiner Testläufe hatte Sven Orloff, dem bei Laufanalysen stets gesagt wurde, er benötige eine solche zusätzliche Stabilität, trotzdem mit keinem unserer Schuhe Probleme. Er sagt: »Ich hatte nicht den Eindruck, dass mir das gefehlt hat.«

Diese Modelle haben wir getestet:

  • ON Cloudflyer 4

  • Brooks Ghost 15

  • Adidas Supernova 2

  • Mizuno Wave Rider 26

ON Cloudflyer 4

Foto: Jonas Mielke / DER SPIEGEL

Es kommt nicht oft vor, dass eine neue Marke auftaucht und man sie plötzlich überall sieht. So ist es mit der Schweizer Sportmarke On, die bei Läuferinnen und Läufern so etwas wie einen Hype erlebt. Das Modell Cloudflyer mit seiner auffälligen Sohle soll laut Hersteller bei langen Läufen »Premium-Komfort« bieten. Das hat seinen Preis: Der Cloudflyer 4 ist das teuerste Modell in unserem Test. Fühlt sich der Schuh weich wie eine Wolke an und lohnt sich das?

Unser Testläufer und unsere Testläuferin sind in ihrem Urteil eher zurückhaltend. »Die Sohle sieht genial aus«, sagt Stulz. »Die Qualität der Verarbeitung ist sehr gut. Aber auf langen Distanzen finde ich die Dämpfung im vorderen Bereich nicht so toll.« Das könne aber auch an ihrem Laufstil liegen, bei dem sie den Vorderfuß mehr belaste als andere Läuferinnen und Läufer, sagt sie.

Ein Eindruck, den der zweite Testläufer teilt. Auf der Straße schlage der Untergrund durch, auf Feldwegen und im Wald sei es besser. »Ich habe bei der Gestaltung der Sohle eigentlich eine wesentlich höhere Dämpfung erwartet«, sagt Orloff. Die Stabilität sei aber gut, er sei auf dem Schuh nicht weggeknickt oder weggerutscht, auch nicht bei Nässe auf der Tartanbahn. Zudem, sagt er, habe sich die Schnürung nach etwa zwei bis drei Kilometern regelmäßig gelöst, man hätte also in andere Schnürsenkel investieren müssen: »Ziemlich nervig.«

Das gefällt: Die Schuhe sind stabil und gut verarbeitet.

Das weniger: Unsere Testläufer haben angesichts ihrer hohen Erwartungen auf mehr gehofft. Der Schuh wirke etwas hart, auf langen Distanzen ist die Dämpfung am Vorderfuß nicht ausreichend.

Mizuno Wave Rider 26

Foto: Jonas Mielke / DER SPIEGEL

Die aktuelle Version des Mizuno Wave Rider hat etwas zugelegt: Eine etwas dickere Zwischensohle als beim Vorgänger soll Anfängerinnen und Anfängern, aber auch Marathonläuferinnen und -läufern viel Dämpfung und Komfort bieten, verspricht der Hersteller.

Bei unseren Testläufen ist vor allem Orloff begeistert, es ist sein Lieblingsschuh im Testfeld. Der Mann mit den breiten Füßen läuft ansonsten im Asics Kayano. Auf der Langstrecke, beim Intervalltraining und auf der Bahn. Auf 120 für den Test gelaufenen Kilometern gefallen ihm am Wave Rider 26 Stabilität und Dämpfung: »Ich habe schon beim Loslaufen gespürt, wie das Beinwerk entlastet wird.« Ein Allrounder-Schuh, auch wenn es mal über längere Etappen geht.

Stulz findet den Schuh auch gut – mit Einschränkungen. An der Ferse sei das Mizuno-Modell weniger gut verarbeitet und gepolstert als etwa der On Cloudflyer. »Das fehlt aus meiner Sicht«, sagt sie. Für sie sei der Schuh daher eher etwas für Läuferinnen und Läufer, die ein paar Mal in der Woche etwa fünf Kilometer zurücklegen.

Einig sind sich beide, dass der Mizuno Wave Rider 26 grundsätzlich ein guter Allrounder-Schuh ist – nur über welche Distanz, hängt von den jeweiligen Präferenzen (und Füßen) ab.

Das gefällt: Die zusätzliche Dämpfung gegenüber der Vorgängerversion scheint zu wirken, unser Testläufer und unsere Testläuferin loben das angenehme Laufgefühl.

Das weniger: Die Polsterung an der Ferse könnte für manche Läuferinnen und Läufer bei langen Distanzen nicht ausreichen.

Brooks Ghost 15

Foto: Jonas Mielke / DER SPIEGEL

»Ein Klassiker, wie Franzbrötchen«, sagt Stulz. Der Brooks Ghost 15 ist die aktuelle Variante des beliebten Laufschuhs und soll »kissenweiche Dämpfung« bieten. Egal ob Wolken oder Kissen, Hauptsache, weich, scheint die Losung der Laufschuh-Werber zu sein.

In der Praxis schlägt sich der Brooks gut, bei Orloff sogar über die Marathondistanz von 42,195 Kilometern, ganz ohne Blasen an den Füßen zu verursachen. Der Läufer lobt die ausgezeichnete Dämpfung, die er bei der Optik der Sohle auch erwartet hat – Kissen sind in diesem Fall wohl weicher als Wolken.

Der Ghost 15 sei bei ihr besonders stabil gewesen, berichtet Stulz, vor allem bei Tempoläufen habe sie ein gutes Gefühl in dem Schuh gehabt und auch bei hohem Tempo keine Sorge gehabt, umzuknicken.

Beide sind sich einig: ein guter Schuh, verfügbar in unterschiedlichen Breiten und ähnlich wie der Mizuno Wave Rider. Mit beiden Modellen mache man keinen Fehler.

Das gefällt: Dämpfung und Stabilität, auch über längere Distanzen

Das weniger: Im Test fiel nichts Negatives auf.

Adidas Supernova 2

Foto: Jonas Mielke / DER SPIEGEL

Die Laufschuhe des Sportartikelherstellers mit den drei Streifen sind auf Basis anekdotischer Evidenz bei Joggerinnen und Joggern nicht besonders verbreitet. Der Adidas Supernova 2 ist der günstigste Schuh im Test – und überzeugte.

»Bei mir gab es kaum einen Unterschied in der Stabilität zwischen dem Adidas-Schuh und den Modellen von On und Brooks«, sagt Stulz. Zwar lasse der Komfort bei längeren Strecken nach, aber Abrollverhalten und Dämpfung seien auch bei Strecken bis zu 20 Kilometern sehr gut.

Etwas weniger Beifall für die Dämpfung gibt es von Orloff. Der Schuh verfüge zwar nicht über eine Dämpfung wie die Testschuhe von Brooks oder Mizuno, dennoch könne man mit dem Adidas-Modell auch längere Strecken bewältigen. Bei Trainingsläufen über Distanzen von mehr als 30 Kilometern habe der Schuh gut am Fuß gesessen und sei auf allen Untergründen, auch bei Regen angenehm gewesen.

Das gefällt: für einen guten Laufschuh relativ günstig.

Das weniger: Wer Wert auf eine gute Dämpfung legt, könnte enttäuscht werden.

Fazit

Kein Flop, kein klarer Sieger: Zumindest mit den Schuhen in unserem Test scheint sich eine These aus der Kolumne von Achim Achilles zu bestätigen: Wirklich schlechte Schuhe gibt es kaum.

Zudem hält ein Laufschuh häufig ohnehin nur bis zu drei Jahre, je nachdem, wie viel man läuft. Man sucht also ohnehin nicht den Schuh fürs Leben. In der Regel halte ein Laufschuh zwischen 800 und 1200 Kilometer, sagt Orloff. Man spüre den Verschleiß etwa an ungewohnten Beschwerden oder daran, dass sich der Schuh nicht mehr gut anfühle. Das Material verliere im Laufe der Zeit die Fähigkeit, die Füße abzufedern. Er empfiehlt, dem Material Pausen zu gönnen, indem man zwei Paar Laufschuhe im Wechsel nutzt.

Mit den von uns getesteten Schuhen kann man jedenfalls kaum etwas falsch machen, sollte aber ausprobieren, welcher am besten zum eigenen Fuß passt.

Hintergrund: Produkttests im Ressort Tests

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