Massagepistolen im Test Schmerz, lass nach!

Muskelweichmacher: Massagepistolen können helfen – wenn man sie richtig benutzt
Foto: Veronika Silberg / DER SPIEGEL»Mein Körper ist meine Waffe!« Mit solchen Slogans werben Cristiano Ronaldo, Daniel Craig und Co. dafür, sich mit Massagepistolen Oberschenkel-, Brust- oder Rückenmuskeln durchzuschütteln. »Regenerationsmedizin liegt gerade voll im Trend«, erklärt Stefan Grund, Sportphysiotherapeut aus Hamburg, »ob das die Faszienrolle ist oder die Massagepistole.« Der Wunsch nach Erholung auf Knopfdruck ist groß. Die neue Geheimwaffe sieht aus wie eine Mischung aus Bohrmaschine, Pistole und Massageball – was soll da noch schiefgehen?
Entwickelt wurden Massagepistolen für den Leistungssport. Sie sollen helfen, angestrengte Muskeln schnell zu regenerieren. Durch die stufenweise regulierbaren Stöße der wechselbaren Aufsätze soll die Durchblutung des Muskels angeregt werden. »Das ist eine ganz lokale Durchblutungssteigerung. Wenn das Gerät nicht zu stark ist, eignet es sich, um eine mechanische Reizung abzubauen«, erklärt Michael Wolfsteiner, Physiotherapeut aus München. Bei alten Verletzungen oder verklebten Faszien beispielsweise, können die Geräte eine sinnvolle Ergänzung sein. Die beiden Experten raten aber, sich vor der Selbstbehandlung medizinisch oder physiotherapeutisch beraten zu lassen.
Wer zu einer Massagepistole greifen will, sieht sich allerdings einer großen Vielfalt an Modellen und Preisen gegenüber. Wir haben fünf Geräte verschiedener Preisklassen getestet und sagen, welches Gerät für wen geeignet ist. Außerdem erläutern wir, was Massagepistolen können – und was nicht.
Hyperice Hypervolt 2 (UVP 299 Euro)
Die Hypervolt ist das iPhone unter den Massagepistolen. Sie kommt in edlem Design und mit App. Ihr Anbieter sponsort gleich mehrere NBA und NFL-Teams. Ein Profi-Gerät also?
Beurer MG 180 Massage Gun (UVP 164 Euro)
Kann das deutsche Modell mit der internationalen Konkurrenz mithalten? Die MG 180 kommt von einem Familienunternehmen aus Ulm und ist Teil der »Physio Line« des Unternehmens. Versprochen werden »gesunde Regeneration« und »Wellbeing«.
Aibeau Massagepistole (UVP 54,99 Euro)
Die Billigvariante steht stellvertretend für verschiedene Modelle kleiner Onlinemarken. Alle bewegen sich in der gleichen Preisklasse und kommen mit ähnlichen Features. Spürt man den Preisunterschied?
Flow Mini (UVP 149 Euro)
Die Flow Mini ist schlank, klein und leise. Sie wird wahlweise mit pinkem oder blauem Farbdetail angeboten und kommt im Samtbeutelchen – ästhetisch etwas weniger Bohrmaschine, etwas mehr Eleganz.
Therabody Theragun Pro (UVP 599 Euro)
Der amerikanische Promi unter den Massagegeräten – die Theragun – kommt mit einer Reihe besonderer Features. Allerdings auch mit einem stolzen Preis.
So haben wir getestet
Zwei Wochen lang habe ich fünf sehr unterschiedliche Modelle getestet. Ursprünglich in der Hoffnung, meinen vom Homeoffice geplagten Nacken- und Rückenmuskeln Linderung zu verschaffen. Noch vor dem eigentlichen Test musste ich mich von dieser Hoffnung verabschieden. Schuld waren die mahnenden Zeigefinger der Physiotherapeuten Grund und Wolfsteiner: Massagepistolen können Verhärtungen und Anspannungen lösen, die Muskeln vor oder nach dem Training lockern, zur Schmerzbehandlung sind sie nicht gedacht.
Kein Grund den Test abzublasen. Statt der erhofften Wellness-Woche wurde es also sportlich: Auf dem Programm standen regelmäßige Fitnesseinheiten, Laufen und Schwimmen. Danach folgte jeweils eine Kombination aus Stretching und Massagepistole.
Hyperice Hypervolt 2

Los geht es mit einem Profi-Gerät, der Hypervolt 2 von Hyperice. Wer diese Massagepistole aus dem mattgrauen Edelkarton hebt, sieht sofort, warum ihr Preis im dreistelligen Bereich liegt. Optisch ist sie so etwas wie das iPhone unter den Massagepistolen: hochwertiges Design, gute Verarbeitung, hoher Preis. Dabei soll sie, anders als die an Profis gerichtete und 100 Euro teurere Hypervolt 2 Pro, im Alltag zur Anwendung kommen.
Die Qualität zeigt sich beim Motor, der auch dann konstant weiterarbeitet, wenn man viel Druck ausübt. Ein wenig zu spüren ist das im Gewicht des Geräts; durch den abgeflachten Griff liegt die Pistole dennoch gut in der Hand. Die Vibration ist stark aber noch im angenehmen Bereich. Beim Schalten in die oberste der drei Stufen wird es brachial: Die Schläge werden hart und das Gerät arbeitet nicht mehr »flüsterleise« – als Nicht-Profisportler ist hier Zurückhaltung geboten.
Um Hobbysportler an die Hand zu nehmen, soll eine App Abhilfe leisten. Die Bluetooth-Verbindung funktioniert ohne Unterbrechungen, die Bedienung klappt intuitiv. Die App schlägt mir eine Routine für die Beine vor. Sie zeigt eine junge Frau, die auf einem Gymnastikball sitzend mit der Pistole ihren Oberschenkel entlangfährt: vor, zurück, vor, zurück – und Wechsel zur anderen Seite. Ein nettes Extra aber vermutlich kein Ersatz für professionelle Beratung.
Beurer MG 180

Weniger stylish geht es beim Konkurrenzprodukt von Beurer zu. Die MG 180 ist in unserer Auswahl so etwas wie ein Mittelklassewagen – robust und effizient. Allerdings ist sie nicht für die ganze Familie geeignet: Für kleine Hände ist der Griff zu groß, das Gerät zu schwer. Verarbeitung und Material sind allerdings hochwertig, der Motor mehr kräftig genug und eine illustre Auswahl an Massageaufsätzen liegt auch bei. Wer nicht viel Schnickschnack benötigt, ist hiermit gut bedient.
Die Schwingungen des Massagekopfes gehen angenehm tief: der ganze Oberschenkel wird durchgeschüttelt. Auf der höchsten Stufe wird es aber auch hier laut und sehr intensiv, der Griff vibriert dann mit. Ein optischer Makel ist die Oberfläche: Sie bietet zwar guten Halt, verschwitzte Hände hinterlassen aber rasch Abdrücke. Funktional ist die Beurer absolut ausreichend und in den richtigen Händen eine gute Wahl.
Aibeau Massagepistole

Eine günstige Massagepistole im Internet zu finden, ist einfach. Sehr einfach. Alle Anbieter zu nennen wäre uferlos. Das Modell von Aibeau nur ist eines von vielen. Auf den ersten Blick sieht es seinen teureren Kolleginnen ähnlich. Es hat die charakteristische Pistolenform mit Motorspule, einen Knopf auf der Rückseite und einen Leuchtstreifen am Griff. Hinzu kommen Extras wie eine Tragetasche, fünf Aufsätze und ein kleiner Bildschirm. Sage und schreibe 20 verschiedene Massagestufen habe ich hier zur Auswahl.
Dass es mit 54,99 Euro das Günstigste in unserer Testreihe ist, riecht man allerdings auch: die Pistole müffelt nach Chemie. Die sechs verschiedenen Aufsätze sind aus einfachem Kunststoff und relativ hart. Auch der Motor ist auf allen Stufen deutlich leistungsschwächer und gibt bei stärkerem Druck nach. Für Anfänger mag das durchaus angenehm sein, für eine langfristige und regelmäßige Nutzung ist das Gerät mit dieser Schwäche ungeeignet.
Flow Sports Flow Mini

Die Flow Mini gehört zur Kategorie »klein, aber fein«. Sie hat eine weiche Oberfläche, ist leise und leicht. Die 800 Gramm des schlanken Geräts sind gut verteilt, was mir meine Armmuskulatur dankt. Dafür walten hier auch nur wenig starke Kräfte. Zwar bleibt die Motordrehzahl konstant, die Stöße fühlen sich aber nicht so tief an, wie bei anderen Geräten. Das muss kein Nachteil sein, denn nicht immer hilft viel viel. Zudem ist das Gerät nicht nur leicht, sondern auch mit Abstand das Leiseste in unserer Testreihe.
Technischen Schnickschnack, wie eine App, gibt es nicht. Dafür erklärt mir eine gedruckte Anleitung, wie lange ich den Muskel jeweils maximal bearbeiten sollte. (Stufe 1 und 2: 60–120 Sekunden; Stufe 3 und 4: 15–20 Sekunden). Die »Flow Mini« hat ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ist perfekt für unterwegs.
Therabody Theragun Pro

Ohne die Theragun wäre ein Vergleich von Massagepistolen unvollständig, denn sie hat den Trend von den USA aus begründet. Neben der Theragun Elite, und der kleinen Theragun Prime wird die Theragun Pro als Profi-Gerät vermarktet, soll aber auch im heimischen Wohnzimmer zum Einsatz kommen. Anders als andere Massagepistolen – egal welcher Preisklasse – ist sie nicht wie eine Pistole geformt, sondern hat eine Dreiecksform mit praktischem Doppelgriff. Das Pistolenfeeling liefern die wechselbaren Akkus, die wie Magazine von unten eingeschoben werden.
Zu den Fakten: Die Theragun soll laut Hersteller so leise sein wie eine elektrische Zahnbürste und ihre Impulse »60 Prozent tiefer« in die Muskeln hineinarbeiten als Konkurrenzprodukte. Doch leiser als meine Zahnbürste ist sie höchstens in der niedrigsten Stufe. Die Tiefe kaufe ich ihr aber ab.
Zwar hat die Theragun weniger Impulse pro Minute als vergleichbare Modelle, durch ihre hohe Amplitude sind die Schläge aber sehr kräftig. Die Aufsätze federn das etwas ab, sie sind aus einem angenehmen, leicht nachgiebigen Kunststoff, der besonders glatt und daher leicht zu reinigen ist. Außerdem lassen sie sich gut arretieren.
Insgesamt ist die Theragun Pro ziemlich klobig und schwer. Der dreieckige Griff und der verstellbare Kopf gleichen das aber aus. Wer wirklich an den, schwer erreichbaren Muskel unterhalb des linken Schulterblatts kommen möchte, hat damit gut Karten.
Als Zubehör ist eine Tragetasche für unterwegs dabei. Ähnlich wie bei der Hypervolt gibt es zudem eine App, in der sich unter anderem die Zahl der Impulse pro Minute festlegen lässt. Außerdem werden Trainingsroutinen vorgeführt: »Fühlen ist Glauben«, verspricht das Einsteigervideo in der App. Wer fühlt, glaubt und genug Geld hat, bekommt mit der Theragun jedenfalls ein schickes, leistungsstarkes Gerät mit allerlei Extras.
Fazit
Nach Massagen sind meine Beine nun locker und weichgeklopft. Nicht nur im positiven Sinne. Nach dem Test ist auch das eine oder andere Hämatom zu sehen. Einen Muskelkater konnte keines der getesteten Modelle verhindern, ihn aber lindern. Was neben dem angenehmen Weichklopfen der Muskulatur wohl auch daran lag, dass ich dem Stretching mehr Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt habe als sonst.
Mit 50 bis 599 Euro ist die Preispanne gewaltig. Dabei gilt es, neben dem Kontostand auch die eigenen Ansprüche und Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Massagepistolen - das sollten Sie wissen
So ist eine Theragun Pro zwar sehr benutzerfreundlich und leistungsstark, hochwertig verarbeitet und kraftvoll. Ausschöpfen kann man all das aber nur, wer sehr regelmäßig und viel Sport treibt. Die Hypervolt 2 ist eine etwas schlichtere und leichtere Hochglanz-Alternative. Auch sie bietet viel Leistung, ein schickes Design und eine App.
Für Einsteiger bietet sich als günstige Alternative die Flow Mini an, die leise und sanft massiert. Wer es kräftiger mag, findet in der Beurer MG 180 eine preiswerte Alternative. Und die Billigvariante? Eine Behandlung mit der Aibeau ist nicht unangenehm, viel Leistung sollte man von ihr aber nicht erwarten.