62-Stunden-Streik Bundesregierung ruft Bahn und GDL zur Vernunft

Der Bahn-Streik wird zum Politikum: Die Bundesregierung verlangt von Bahn und Lokführern, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der Arbeitskampf sei eine Belastung für die Wirtschaft - eine weitere Eskalation helfe niemandem.

Berlin - Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL bremst nach Ansicht der Bundesregierung das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Der Bahn-Streik habe ohne Frage volkswirtschaftliche Folgen und sei eine "Belastung für die positive konjunkturelle Entwicklung", sagte Vizeregierungssprecher Thomas Steg. Er könne noch weit schlimmere Folgen haben, je länger er dauere und das Land lahmlege. Die Bahn habe genau wie die GDL eine ökonomische Verantwortung.

Güterbahnhof Hamburg-Maschen: "Wir setzen auf Druck"

Güterbahnhof Hamburg-Maschen: "Wir setzen auf Druck"

Foto: AP

Steg rief die Tarifparteien auf, die Eskalation nicht voranzutreiben, Vernunft walten zu lassen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn genieße aber weiter das "Vertrauen der Bundesregierung". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das schon in der vergangenen Woche deutlich gemacht: "Daran hat sich nichts geändert, und daran wird sich nichts ändern." Eine Ablösung Mehdorns stehe nicht zu Debatte.

Die GDL zeigt sich zuversichtlich, die Bahn zur Vorlage eines neuen Angebots zwingen zu können. "Wir setzen darauf, dass der Druck auf den Bahn-Vorstand hoch genug wird und wir anschließend an den Verhandlungstisch zurückkehren können", sagte GDL-Vize Claus Weselsky. Ein neues Verhandlungsangebot hatte der für den Güterverkehr zuständige Bahn-Vorstand Norbert Bensel heute allerdings erneut abgelehnt.

Die GDL hat heute Mittag mit Streiks im Güterverkehr begonnen und will am Donnerstag ab 2 Uhr zusätzlich den gesamten Personenverkehr der Deutschen Bahn bestreiken. Der Arbeitskampf soll am Samstag um 2 Uhr beendet werden. Mit 62 Stunden Streikdauer im Güterverkehr und 48 Stunden im Personennah- und -fernverkehr ist es der größte Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, warnte, der Streik werde die gesamte Volkswirtschaft belasten. "Ein Streik einer kleinen Berufsgruppe von dieser Dauer ist verantwortungslos, selbst wenn er über das Streikrecht gedeckt wird", sagte Thumann. Wichtige Branchen wie die Stahl-, Chemie- und Autoindustrie setzten auf Bahn-Transporte.

Nach Schätzungen des DIW könnten sich die Schäden auf bis zu 50 Millionen Euro pro Tag summieren. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet Produktionsengpässe, berichtet die "Bild"-Zeitung. "Zigtausenden Beschäftigten droht Kurzarbeit, weil der Nachschub fehlt", sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun.

Die Bahn erwartet erhebliche Beeinträchtigungen. Im Fernverkehr sollen rund zwei Drittel der Züge fahren, vor allem die ICE-Züge, internationale Züge sowie Auto- und Nachtzüge. Im Regionalverkehr würden höchstens 50 Prozent der Züge fahren - mit starken regionalen Unterschieden. Bei der S-Bahn Berlin werde nur jeder vierte Zug fahren, was einem Takt von 20 bis 40 Minuten entspreche. Die ostdeutschen Bundesländer sind besonders stark betroffen.

Die Bahn kündigt für den Personenverkehr einen Ersatzfahrplan an, der seit heute im Internet unter www.bahn.de/aktuell einzusehen ist. Informationen über Fahrzeiten gibt es auch unter der gebührenfreien Telefonnummer 08000-996633. Welche Fernverkehrszüge (ICE, IC, EC und Auto- und Nachtzüge) fahren, könne über die Fahrplanauskunft auf der Internetseite www.bahn.de abgefragt werden.

Auch der Streik im Güterverkehr trifft vor allem Ostdeutschland. Die Bahn erwartet, dass er komplett zum Erliegen kommt, weil die GDL dort besonders viele Mitglieder hat. Der Konzern kündigte allerdings an, eine Grundversorgung für Westdeutschland und eine Minimalversorgung durch versorgungsrelevante Züge im Osten sicherzustellen. Spürbare Folgen des Güterverkehr-Streiks werden erst für Donnerstagmorgen erwartet, weil die meisten Güterzüge nachts unterwegs sind. In Häfen wie Hamburg oder Bremen herrschte am Mittwochnachmittag weitgehend normaler Betrieb. Auch Autohersteller wie Daimler oder Porsche meldeten keine Probleme.

kaz/Reuters/dpa/ddp

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