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AUTOMOBILE Aggressiver geworden

Selbstkritik im BMW-Vorstand - im Wettbewerb mit Daimler setzen die Münchner nun wieder auf mehr Sportlichkeit. *
aus DER SPIEGEL 16/1987

Zu seinen Konkurrenten fällt Eberhard von Kuenheim immer etwas ein. Wenn das Gespräch auf Daimler-Benz kommt, liefert der BMW-Chef gern auch seinen Kommentar dazu.

Daimler-Benz kaufte AEG - den BMW-Mann freute das, denn damit »entreichern sie sich selbst«. Daimler will ein neues Werk errichten - von Kuenheim macht das »sehr glücklich«, denn mit den hohen Stückzahlen »geht auch die Exklusivität zum Teil verloren«.

So locker-selbstbewußt und überlegen gibt sich der BMW-Chef indes nur in der Öffentlichkeit. Viel zurückhaltender sind Kuenheim und seine Manager, wenn sie unter sich über den großen Konkurrenten reden.

Der kann, das wissen die Manager in München nur zu genau, noch immer im Wettbewerb so manchen Punkt für sich verbuchen. Daimler, so steht es in einem BMW-Vorstandspapier, zeichne sich durch »weiterhin bestehende Qualitäts- und Imagevorsprünge (Inland) und eine deutlich stärkere Inlands-Vertriebsorganisation« aus. Auch sei die »Absatzstruktur zugunsten der oberen Klassen deutlich günstiger als bei BMW«, heißt es in dem Papier ("BMW-Strategien im Wettbewerbsumfeld"), das die Münchner Experten vergangenes Jahr ausarbeiteten.

Für das eigene Unternehmen ist in der 25 Seiten starken Vorstandsvorlage ungewohnt Selbstkritisches festgehalten, etwa über »die bisher bekannten Schwächen, zum Beispiel Qualität, Änderungshäufigkeit durch Konzeptunsicherheit, Tendenz zum Reagieren bei Neuerungen«. Gefahren drohen, weil Daimler

und »auch Massenhersteller« zunehmend sportliche Kompaktlimousinen anbieten, während BMW in der Vergangenheit diese Marktnische entdeckt habe »und über längere Zeit exklusiv bedienen konnte«.

Wolfgang Aurich, Leiter der Konzernplanung in München, kommt in seiner Analyse für den BMW-Vorstand zu einem eindeutigen Schluß: Der Konkurrent in Stuttgart sei »viel aggressiver geworden als früher«, der Wettkampf zwischen den beiden süddeutschen Rivalen werde sich »deutlich verschärfen«.

Die Daimler-Modelle, das ist natürlich auch in München aufgefallen, sollen »zunehmend die von BMW stark akzentuierten Merkmale Dynamik, Sportlichkeit, Technologie und Funktionalität« vermitteln. So rechnet Aurich damit, daß Daimler in allen Wagenklassen, in denen die Firma vertreten ist, »eine Spitzenstellung bei den Fahrleistungen« anstrebe, womit »eine eindeutige Konfliktsituation zu BMW geschaffen ist«.

Zugleich nährten die Pläne für ein neues Mercedes-Werk in Rastatt »den Verdacht«, der Konkurrent wolle einmal bis zu eine Million Fahrzeuge jährlich herstellen. Das wäre fast doppelt so viel wie derzeit und werde »auch zu Lasten von BMW gehen«.

Die schönen Zeiten, als beide Unternehmen ganz unterschiedliche Kunden bedienten und gut dabei fuhren, sind längst vorbei. Daimler belieferte jene, die oben waren in der Gesellschaft, und BMW die Aufsteiger. Die einen verlangten gediegenen Luxus, die anderen spritzige Sportlichkeit.

Der damalige Mercedes-Chef Joachim Zahn hatte in den siebziger Jahren den Bayern sogar ausdrücklich eine friedliche Koexistenz angeboten: Daimler würde BMW in der sportlichen Mittelklasse nicht mit eigenen Modellen angreifen, wenn BMW im Gegenzug die Oberklasse als Mercedes-Domäne akzeptierte.

Daraus allerdings wurde nichts. Die Münchner hatten 1977 mit der 7er-Reihe »den Angriff gestartet« (von Kuenheim). Die Stuttgarter konterten mit ihren 190er-Modellen. »Schön, daß es jetzt auch andere kompakte Spitzenklasse-Autos gibt«, spotteten die BMW-Werber. »Da wird noch mehr anspruchsvollen Käufern klar, wie gut sie mit unseren fahren.«

Viele ehemalige BMW-Fahrer scheinen jedoch anderer Ansicht zu sein. Auch Freunde des VW-Golf, die früher oft auf einen BMW umstiegen, wählen nun häufiger einen Daimler. So müssen die Münchner dem einst belächelten kleinen Mercedes attestieren, er habe »sehr gut« neue Kunden gewonnen.

Wer mit dem Wagen zeigen will, daß er dynamisch und erfolgreich ist, fährt heute oft einen 190er. Die 3er-Reihe aus München wirkt dagegen leicht bieder und bescheiden. Diese Wagen und einige der 5er-Reihe würden, so erkannten die Münchner in ihrem Vorstandspapier, »dem Marktauftritt von BMW (Freude am Fahren) nur noch bedingt gerecht«.

Im Inland konnte BMW zeitweise von drei verschiedenen Modellen dieser Reihe (320i, 325e und 325i) zusammen gerade so viele Fahrzeuge verkaufen wie Mercedes allein vom 190 E. »Je weniger Eigenständigkeit BMW im Meinungsbild des Kunden hat«, warnte Konzernplaner Aurich deshalb, »desto mehr ist BMW wegen (Image-)Nachteilen bei Qualität und Langlebigkeit zur Angebotsausweitung gezwungen, um das ursprünglich geplante Produktionsvolumen absetzen zu können.«

Die Daimler-Manager scheinen bereit, alles für das neue Image zu tun. Bei ihnen läuft sogar ein Mercedes mit Spoiler vom Band. Vor wenigen Jahren noch wäre ein solcher Wagen den Stuttgartern allenfalls im Alptraum erschienen. Nun _(Daimler Modelle der Baureihe 190. )

aber wollen sie, auch mit der modern gezeichneten Mittelklasse-Reihe (Modelle 200 bis 300E), das konservative Image endgültig abschütteln.

Bei BMW lief die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung. Funktionalität schien oft wichtiger zu sein als der früher so gern betonte Spaß am Fahren. Der 518 etwa ist nach BMW-Maßstäben untermotorisiert. Als Anfang der achtziger Jahre die neue 5er-Reihe auf den Markt kam, war sie zwar technisch wesentlich verbessert, das Blechkleid aber blieb fast unverändert. Die neuen Wagen sahen schnell alt aus.

Öffentlich würde der selbstbewußte von Kuenheim solche Mißgriffe wohl nicht zugeben. Aber die Fehler der Vergangenheit dürfen nun immerhin im BMW-Vorstand offen diskutiert werden.

Das hängt zum einen damit zusammen, daß auch der Mitbewerber Schwächen zeigt - Daimler mußte peinliche Qualitätsprobleme eingestehen. Zum anderen aber hat sich von Kuenheim längst schon zu einem Kurswechsel entschlossen: nun wieder anders herum - der Spaß am Fahren soll die Käufer wieder locken.

Mit der neuen 7er-Reihe haben die Münchner den Anfang gemacht. Die Fachleute haben sie offenbar schon gewonnen, laut »auto, motor und sport« sind die Fahrzeuge einfach »siebenschön«.

Davon allein aber kann das Unternehmen nicht leben. Nun wollen die Münchner rasch auch die anderen Modellreihen modernisieren. Das wird viele Milliarden kosten, doch um die Investitionskraft von BMW, so von Kuenheim, brauche sich niemand Gedanken zu machen.

»Schließlich haben wir«, so der BMW-Chef mit einem ironischen Seitenhieb auf Daimler-Benz, »im Augenblick keine Probleme mit unseren Lkw.«

Daimler Modelle der Baureihe 190.

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