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ARAL Alles beim alten

Die Eigentümer der Benzinfirma Aral streiten sich über die Auflösung des Unternehmens. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Der Bochumer Benzin-Konzern Aral hatte einen besonders namhaften Anwalt verpflichtet. Kurt Biedenkopf sollte die größte deutsche Tankstellenkette in einem Verfahren gegenüber dem Berliner Bundeskartellamt vertreten.

Besonders glücklich war diese Personalentscheidung wohl nicht. Dem Christdemokraten, der nebenher auch als Rechtsanwalt arbeitet, unterlief ein Patzer, der Folgen hat.

Auf Seite 48 seiner 55-Blatt-Stellungnahme erwähnte Biedenkopf eine »Sitzung des sogenannten kleinen Erzeugerkreises«. In diesem Gremium, schrieb

Biedenkopf, würden die Gesellschafter von Aral ihr »Beherrschungsverhältnis« koordinieren.

Von der Existenz eines solchen Klubs hatte der zuständige Abteilungsleiter im Kartellamt, Siegfried Klaue, zwar »immer geträumt«. Den Nachweis, daß es ein solches Gremium tatsächlich gibt, hatte Klaue aber nie führen können.

Nun hatte ihn Biedenkopf geliefert. Unverzüglich forderte Klaue die drei Hauptgesellschafter der Firma auf, alle Sitzungsprotokolle dieses kleinen Kreises herauszurücken.

Nach Lektüre dieser Protokolle war der Wettbewerbsbeamte mehr denn je davon überzeugt, daß die Aral-Teilhaber - die Veba (Aral-Anteil: 56 Prozent), der US-Multi Mobil Oil (28 Prozent) und die BASF-Tochter Wintershall (15 Prozent) - ein verbotenes Kartell eingegangen waren. Die Aral sei deshalb, forderte das Kartellamt vor gut einem Jahr, alsbald aufzulösen. Die rund 5700 Tankstellen und die Großkunden sollten unter Anteilseignern aufgeteilt werden.

Ein merkwürdiges Unternehmen ist der größte deutsche Benzin-Konzern schon. Die Firma mit den blauen Zapfsäulen gehört drei großen Mineralölfirmen, die sich nicht auf ihre Eigentümerfunktion beschränken, sondern zugleich Lieferanten sind.

Das genau mißfällt dem Kartellgegner Klaue. Schon der Gesellschaftervertrag läßt laut Kartellamt die Vermutung zu, daß die Aral-Aktionäre ihrer Firma Mengen und Preis des von ihnen gelieferten Treibstoffs diktieren.

Dadurch werde der Wettbewerb unter den drei Sprit-Produzenten, meint Klaue, ausgeschaltet. Wenn die Lieferanten gegeneinander konkurrieren müßten, könnten die Aral-Preise auf längere Sicht sinken.

Gegen die Auflösungsforderung des Kartellamts legte der Aral-Dreier Beschwerde beim Berliner Kammergericht ein. Von einem unzulässigen Kartell, so die Firmenjuristen, könne keine Rede sein.

Allzu stark schätzten die Aral-Eigner aber ihre Position gegenüber dem Kartellamt nicht ein. Noch vor einer Entscheidung des Kammergerichts begannen Veba und Mobil, über die Auflösung von Aral zu verhandeln.

Das Ergebnis stand bald fest. Der Düsseldorfer Energie- und Chemiekonzern Veba sollte rund 3200 Aral-Stationen, das Firmenzeichen mit dem blauweißen Karo und den Namen Aral erhalten. Der US-Konzern, der als einziger unter den Öl-Multis in der Bundesrepublik keine eigenen Zapfsäulen besitzt, sollte rund 1600 Stationen bekommen. Die Mobil-Zentrale in New York hatte ihren deutschen Statthaltern den Aufbau eines eigenen Tankstellen-Netzes unter der Marke Mobil gestattet.

Die beiden größeren Aral-Aktionäre hatten gleich auch an die Wintershall AG, den kleinsten Miteigentümer, gedacht. Das Kasseler Unternehmen, das dem Chemieriesen BASF gehört, sollte mit etwa 900 Tankstellen und - wie die anderen - mit einem Teil der Großkunden abgefunden werden.

Wahlweise boten die Veba-Manager den Kollegen von Wintershall aber auch an, gemeinsam die Aral weiterzuführen, ohne Mobil und unter der Führung der Veba. Diese Offerte galt natürlich nur für den Fall, daß die Kartellbeamten ihre Zustimmung erteilten.

Doch Wintershall-Eigner BASF lehnte beide Angebote ab. Die Aral sollte in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Notfalls müsse man durch alle Gerichtsinstanzen bis zum Bundesgerichtshof gehen.

Um den Partner umzustimmen, ließ Veba-Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder im Dezember einen Hubschrauber chartern und flog ins BASF-Hauptquartier nach Ludwigshafen.

Die Reise schien sich gelohnt zu haben. BASF-Chef Hans Albers gab sich durchaus kompromißbereit. Er müsse die Sache allerdings, beschied der BASF-Mann den Veba-Kollegen, in seinem Vorstand beraten.

Da jedoch blieb alles beim alten. Wenige Tage nach seinem Hubschrauber-Trip bekam von Bennigsen aus Ludwigshafen die Nachricht, die BASF-Juristen bestünden darauf, die Aral fortzuführen. Und da der Gesellschaftsvertrag der Bochumer Benzinfirma für alle Beschlüsse Einstimmigkeit vorsieht, bleibt es vorerst auch dabei.

Das Schlimmste, was man sich vorstellen könne, schimpfte von Bennigsen im Kreis von Vertrauten, sei eine Kombination aus Juristen und Chemikern.

Der Veba-Führer, selber Jurist und nach dem Ausbau seiner Chemiesparte Chef des fünftgrößten deutschen Chemiekonzerns,

fürchtet, daß durch einen jahrelangen Rechtsstreit der Traditionsname Aral Schaden nimmt. Aral-Betriebsräte und Tankstellenpächter drängen, so schnell wie möglich Klarheit über den Fortbestand ihrer Firma zu schaffen.

Mit einem neuen Schachzug will von Bennigsen die Patt-Situation bei der Aral nun auflösen. Dazu hat er auch den Chef der deutschen Mobil, Herbert Lewinsky, eingespannt.

In getrennten Schreiben haben die beiden Aral-Mitbesitzer ihrem Partner ein Schiedsgerichtsverfahren angedroht. Die Aral-Gesellschafter können ein unabhängiges Gremium anrufen, wenn sich die Gesellschafter verkrachen und keine Aussicht auf Einigung besteht.

Die Drohung könnte Wirkung zeigen. Denn die BASF-Oberen haben kein Interesse daran, die Aral-Teilung fremden Gutachtern zu überlassen.

Noch aber pokern sie: Nach einem Ausstieg von Mobil, so die Ludwigshafener, würde Wintershall bei der Investitionsplanung und bei der Nominierung des Aral-Vorstands gleiches Stimmrecht wie der Hauptaktionär Veba verlangen.

[Grafiktext]

Die Eigner der Aral Veba 56 Prozent Mobil Oil 28 Prozent Wintershall 15 Prozent Die Aral AG betreibt im Inland 3941 Tankstellen im Ausland 1827 Tankstellen (Stand Ende 1984)

[GrafiktextEnde]

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