Altersarmut Experten prophezeien düstere Renten-Zukunft

Es ist die zweite Hiobsbotschaft innerhalb weniger Tage: Nach Berechnungen des paritätischen Wohlfahrtsverbands wird die Durchschnittsrente in 14 Jahren auf das Niveau der Grundsicherung gesunken sein. Ein Argument gegen die Riester-Rente?

Berlin – Für einen großen Teil der Bevölkerung sind die Aussichten im Alter wenig rosig. "In 15 bis 20 Jahren werden bis zu 20 Prozent der Bevölkerung arm sein, wenn wir nicht massiv gegensteuern", warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in der morgigen Sendung des ARD-Wirtschaftsmagazins "Plusminus. Es sei ein großes Problem, dass nicht nur die Riester-Rente mit einer späteren Grundsicherung verrechnet werde, sondern auch Lebensversicherungen, private Rentenpläne oder Betriebsrenten. "Der Anreiz, Vorsorge zu betreiben, ist damit gleich null."

Der Rechnung zufolge kommt nur derjenige in den Genuss seiner kompletten Ersparnisse, der über 1900 Euro brutto im Monat verdient und mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Alle, die weniger verdienten, müssten mit zum Teil deutlichen Abzügen rechnen, heißt es.

Nach Überzeugung des frühere Arbeitsministers Walter Riester (SPD) sind solche Rechnungen allerdings äußerst einseitig. Verärgert reagierte er auf Behauptungen, die Wirkung der Zusatzversorgung bei manchen niedrigen Einkommen sei bei der Einführung vor fünf Jahren nicht bekannt gewesen. Stets gelte der vorrangige Einsatz von vorhandenen Eigenmitteln, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. 2,5 Prozent der über 65-Jährigen erhielten derzeit eine Aufstockung auf ihre Eigenmittel, weil sie aus eigener Kraft zur eigenen Grundversorgung nicht in der Lage seien.

Die Riester-Rente sei eine stark steuerunterstützte Sparrente, wobei die Zuschüsse bis zu 90 Prozent des Sparbetrags ausmachten. Wenn man bei der Beurteilung, ob jemand hilfebedürftig sei, die Riester-Rente ganz oder teilweise unberücksichtigt lasse, dann wäre auch derjenige hilfebedürftig, dem "nach Herausrechnung eigener Spar- oder Rentenbeträge unter Zahlung der Grundsicherung ein deutlich höheres Einkommen zur Verfügung steht".

Auf die Riester-Rente zu verzichten, wäre ein Fehler

Das könne man machen, wenn es der Gesetzgeber so wolle und wenn die Bürger zu erheblich höheren Steuerbelastungen bereit seien, erklärte Riester. Bei der Entwicklung der Grundsicherung vor fünf Jahren sei dies aber weder von den beteiligten Sozialverbänden noch von Dritten, die in großem Umfang angehört worden seien, vorgebracht worden. Es sei auch nicht die Absicht des damaligen Gesetzgebers gewesen.

Abseits der Frage, wie die Anrechenbarkeit von Einkommen politisch entschieden wird, bleibt die Riester-Rente als Ergänzung zur gesetzlichen Rente unverzichtbar. In der "Bild"-Zeitung warb der Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest", Hermann-Josef Tenhagen, heute dafür dass auch Geringverdiener weiter Riester-Verträge abschließen sollten. Wer wenig Geld verdiene und darum mit einer sehr kleinen Rente rechnen müsse, habe von der Riester-Rente "in der Tat eher wenig", sagte Tenhagen. Trotzdem sei es verkehrt, "auf diese großzügig geförderte Vorsorge zu verzichten, nur weil sie mit der Grundsicherung verrechnet werden könnte." Niemand könne wissen, ob er im Alter wirklich auf Grundsicherung angewiesen sein werde und wie die Anrechnung bis dahin geregelt sei.

Wer selber vorsorge, sei nicht der Dumme, erklärte der "Finanztest"-Chefredakteur: Nur wer selber für den Ruhestand vorsorge, könne sicher sein, dass er mögliche Versorgungslücken aus eigener finanzieller Kraft ausgleichen könne - und im Zweifelsfall eben nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sei. Die Riester-Rente bleibe grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer sinnvoll, weil es bei keiner anderen Anlageform eine so hohe Förderung und größere Sicherheit gebe. Das selbst angesparte Kapital und die staatlichen Zulagen seien bis zur Auszahlung garantiert.

Wer seine Riester-Rente vor der Verrechnung schützen wolle, könne dies innerhalb bestimmter Grenzen tun, riet Tenhagen. "Wer weiß, dass die Verrechnung auf ihn zukommt, kann seinen Vertrag einige Zeit vor dem Ruhestand kündigen. Dann muss er zwar die Förderung zurückzahlen, hat aber immer noch sein eigenes, verzinstes Sparguthaben und kann die Früchte seiner Sparanstrengungen noch in Ruhe ausgeben", erklärte Tenhagen in der "Bild".

mik/AFP/AP

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