VERSICHERUNGEN Altes Ärgernis
Die Hausratversicherung, so hatte Peter Ollick vom Bundesaufsichtsamt immer wieder geklagt, sei »ein Sorgenkind erster Ordnung«. Da müsse dringend etwas getan werden.
Nun haben die Versicherer etwas getan, und Ollick ist es zufrieden. Doch das Sorgenkind ist ein verwöhntes Balg geblieben. Die neuen Bedingungen der Hausratversicherung, die das Aufsichtsamt Mitte vergangenen Jahres billigte, sind nämlich keineswegs so »ausgewogen in bezug auf Leistung und Gegenleistung«, wie Ollick meint. Die Reform geht eindeutig zu Lasten der Kunden.
Profitieren werden allein die Firmen. Durch die neuen Klauseln werden in der Hausratversicherung, die mit 20 Millionen Verträgen zu den wichtigsten Sparten der Sachversicherer zählt, Überschüsse von Amts wegen garantiert.
Wer in diesen Tagen eine Hausratversicherung abschließt, bekommt die Neuerungen zu spüren. Er muß höhere Prämien und zum Teil einschneidende Kürzungen beim Versicherungsschutz in Kauf nehmen.
Fahrräder beispielsweise sind - wegen der häufigen Diebstähle - überhaupt nicht mehr in der Versicherung gedeckt. Auch Glas, die Wäsche auf der Leine, Möbel im Garten und das Reisegepäck im Auto sind nicht mehr versichert.
Überdies wollen die Unternehmen, nach dem Vorbild der Kraftfahrtversicherer, die Bundesrepublik in drei Gefahrenzonen aufteilen. Damit verteuern sich die Beiträge gerade in den Ballungsgebieten kräftig (siehe Graphik). Teure Wertsachen werden obendrein mit ordentlichen Zuschlägen belegt.
Der ärgerlichste Teil der Reform aber: Die Versicherer schreiben in zwei neuen Klauseln fest, daß Versicherungssummen und Prämien automatisch höheren und, falls das mal eintreten sollte, auch den niedrigeren Aufwendungen angepaßt werden.
Eine neue Vereinbarung mit dem Kunden ist nicht erforderlich - die Versicherungssummen und damit die Beiträge steigen und fallen automatisch. Sie richten sich nach einem amtlichen Preisindex für »Verbrauchs- und Gebrauchsgüter ohne Nahrungsmittel und ohne normalerweise nicht in der Wohnung gelagerte Güter«. Der Versicherte kann zwar gegen die Erhöhung Widerspruch einlegen - doch aller Erfahrung nach raffen sich dazu nur die wenigsten Kunden auf.
Noch schlechter geht es den Versicherten bei der vorgesehenen Prämienanpassung. Bei steigenden Schäden können die Unternehmen künftig ohne Zustimmung des Vertragspartners die Beiträge erhöhen. Nur wenn die Prämien in einem Jahr um mehr als zehn Prozent oder um mehr als zwanzig Prozent in drei aufeinanderfolgenden Jahren klettern, haben die Kunden das Recht zu kündigen.
Damit die Kundschaft nicht allzusehr verschreckt wird, haben die Sanierer ein paar Verbesserungen in das neue Vertragswerk hineingeschrieben. So zahlen die Versicherer künftig auch, wenn Einbrecher aus Zerstörungswut die Wohnung verwüsten. Diese sogenannten Vandalismusschäden waren bisher nicht versichert. Zudem ersetzt die Versicherung künftig den Neuwert der beschädigten Gegenstände. Bisher wurde zumeist nur der Zeitwert erstattet.
Auch das alte Ärgernis der Unterversicherung soll beseitigt werden. Lag nach den alten Bedingungen aus dem Jahre 1974 der Wert des Hausrates über der abgeschlossenen Versicherungssumme, zahlte die Versicherung bei einem Schaden nur im Verhältnis der Versicherungssumme zum Wert des Hausrats.
Wenn zum Beispiel Hausrat für 100 000 Mark nur mit 50 000 Mark versichert war, zahlte die Versicherung im Schadenfall nur die Hälfte, gleichgültig ob der Schaden klein oder groß war. Diese Einschränkung soll künftig wegfallen.
Doch selbst diese Neuerung wird viele Kunden teuer zu stehen kommen. Die Versicherer verlangen nämlich, daß die Kunden dann ihren Hausrat mit 1000 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche versichern. Eine Durchschnittswohnung (82 Quadratmeter) müßte also mit 82 000 Mark versichert werden. Bisher jedoch liegt eine Durchschnittspolice bei gut 50 000 Mark.
Durch die neuen Bedingungen der Hausratversicherung, meint Siegfrid
Klaue vom Bundeskartellamt, werde »das Risiko einseitig immer mehr auf die Versicherungsnehmer verlagert«. Das Kartellamt will künftig für mehr Wettbewerb unter den Versicherern sorgen. Klaue: »Wettbewerb ist im Interesse des Verbrauchers« (siehe Interview).
Die Versicherer haben sich ohne Not der wachsenden Kritik ausgesetzt. Die großen Verluste, die angeblich in der Hausratversicherung anfielen und derentwegen jetzt die Tarife geändert wurden, sind in Wahrheit gar keine.
Die vielbeklagten roten Zahlen beziehen sich nämlich stets nur auf das sogenannte versicherungstechnische Ergebnis. Dabei werden lediglich die Verwaltungskosten (im Schnitt 37 Prozent der Beiträge) und die Ausgaben für den Schadensausgleich (im Schnitt 67 Prozent der Beiträge) gegen die Prämieneinnahmen aufgerechnet.
Doch außer Prämien kassieren die Versicherer ja auch noch Zinsen für das Geld, das sie einträglich angelegt haben. Prämieneinnahmen und Zinsgewinne zusammen aber reichten auch in der Vergangenheit allemal aus, um am Schluß der Bilanz einen Gewinn auszuweisen.
Hinzu kommt, daß die Hausratversicherer in den vergangenen Jahren ohnehin zunehmend besser zurechtgekommen sind. So sanken die Schadensaufwendungen seit dem Rekordjahr 1981, als 73 Prozent der Beiträge wieder ausgezahlt werden mußten, bis 1983 um gut acht Prozent und liegen nun auf dem niedrigsten Wert seit vielen Jahren.
Die Verwaltungskosten konnten gar um zehn Prozent gesenkt werden. Schon jetzt schreiben viele Firmen selbst in der versicherungstechnischen Rechnung wieder schwarze Zahlen.
Kein Wunder, daß in der Branche - wie Justus Pinckernelle vom Verein Deutscher Versicherungsmakler meint - »eher vorsichtige Stimmen zum Erfolg der Aktion zu hören sind«. Viele fürchten, daß die Versicherer sich mit ihrem jüngsten Coup etwas einhandeln könnten, was sie nun gar nicht wollen - eine Diskussion über den Sinn und die Bräuche des Gewerbes.
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BILLIGER SÜDEN Geplante Regionaltarife für Hausratsversicherungen Hamburg Bremen Berlin Hannover Wolfsburg Dortmund Göttingen Kassel Köln Aschaffenburg Kaiserslautern Regensburg Karlsruhe Stuttgart München Freiburg TARIFZONE III: höchste Prämie, für Orte und Gebiete mit den Postleitzahlen TARIFZONE II: mittlere Prämie, für Orte und Gebiete mit den Postleitzahlen TARIFZONE I: für alle Orte und Gebiete, die nicht zu den Zonen I und II gehören
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