Amerikanische Verhältnisse Ifo-Chef fordert radikale Kürzung der Sozialhilfe

Hans-Werner Sinn, Ifo-Präsident, Bestsellerautor und einer der bekanntesten Wirtschaftsforscher Deutschlands, holt zum Rundumschlag aus: In einem Interview fordert er, den Sozialhilfesatz um ein Drittel nach unten zu fahren - und wettert gegen den Kündigungsschutz.

Passau/Chemnitz - Sinn will seinen Vorschlag als Mittel zur Stärkung der Eigeninitiative verstanden wissen. Zwar solle aus seiner Sicht der Sozialhilfesatz generell um ein Drittel abgesenkt werden, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Aber er schlägt einen Ausgleich vor - er würde die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Empfänger "sehr viel großzügiger" gestalten als bisher, sagte er.

"Bis 400 Euro würde ich den Sozialhilfesatz nicht antasten. Bis 200 Euro würde ich einen Lohnzuschuss von 20 Prozent auf das selbst verdiente Einkommen zahlen, so dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt in Gang kommt", sagte Sinn dem Blatt. Er kritisiert: Bei den jetzt beschlossenen Hartz-IV-Regelungen seien die Zuverdienstmöglichkeiten für Geringverdiener viel zu eingeschränkt.

"Es wird dann auch mehr Jobs geben"

Generell rechnet Sinn indes mit einem Erfolg von Hartz IV. "Die Leute werden bereit sein, Jobs zu niedrigeren Löhnen anzunehmen und es wird dann auch mehr Jobs geben. Denn Arbeit gibt es in den Köpfen der Arbeitgeber genug, nur ist sie bisher nicht rentabel", sagte er.

Denen, die keine Arbeit finden, würde Sinn Gemeinde-Jobs anbieten, "die in Höhe der heutigen Sozialhilfe entlohnt sind". Damit seien der Lebensunterhalt der Bezieher gesichert. "Nur den Schwarzarbeitern, die keine Zeit für die kommunale Beschäftigung haben, geht es schlechter, aber das ist hinnehmbar, um es höflich auszudrücken."

Eine starke Einschränkung des Kündigungsschutzes, wie ihn die CDU anstrebt, findet der ifo-Chef rundum positiv. Ein vernünftiges Maß an "Vertragsfreiheit" beim Kündigungsschutz sei das A und O für eine Marktwirtschaft. Dann bliebe es den Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbst überlassen, ob sie mit ihrem Betrieb Abfindungen oder Kündigungsschutz vereinbaren.

Hundts Hymne auf die Ein-Euro-Jobs

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte unterdessen davor, die Ein-Euro-Jobs in Misskredit zu bringen. Es gehe um eine gemeinnützige Tätigkeit als Gegenleistung für das Arbeitslosengeld II, sagte Hundt der "Freien Presse" aus Chemnitz. Derartige Leistungen seien nicht minderwertig. Auch handele es sich nicht um Lohn, sondern um eine Aufwandsentschädigung, zu der noch das Arbeitslosengeld kommt.

Entschieden wandte sich Hundt gegen die Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Langzeitarbeitslose könnten und sollten angebotenen Ein-Euro-Job notfalls auch ablehnen. Eine derartige Beschäftigung anzunehmen sei vielmehr eine Verpflichtung gegenüber der Solidargemeinschaft, findet Hundt, und somit Ehrensache.

Der Arbeitgeberchef forderte, die öffentliche Debatte über Hartz IV endlich einzustellen. Die Reformgesetze sollten nun unverändert durchgesetzt werden. Erst wenn Erfahrungen bei der Umsetzung vorlägen, könnten Schlussfolgerungen darüber gezogen werden, was funktioniert und was nicht. Dann könne weiter diskutiert werden.

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