DEUTSCHE BANK Amerikanisches Abenteuer
Arthur Kontos, ein pausbäckiger Amerikaner aus New Jersey, ist ein gewiefter Wertpapierhändler. Die alte Börsenregel »buy low, sell high« hat er oft beherzigt. Doch nur selten gelingt so ein schöner Deal wie mit der Deutschen Bank.
Vor einem Jahr verkaufte Kontos dem größten deutschen Kreditinstitut die von ihm geführte National Discount Brokers (NDB) für insgesamt rund zwei Milliarden Mark. Auf sein Konto flossen 300 Millionen Mark, weil ihm noch 13,6 Prozent des amerikanischen Wertpapierhändlers gehörten. Darüber hinaus garantierte ihm die Deutsche Bank laut Übernahmevertrag ein Handgeld von 30 Millionen Mark und zahlt ihm 2001 und 2002 jeweils ein fixes Gehalt und Aktien im Wert von zusammen gut 40 Millionen Mark.
Auch zehn weitere Topmanager der Minibank mit 812 Millionen Mark Einnahmen kassieren bis Ende 2002 Traumgehälter, ohne dass sie einen entsprechenden Leistungsnachweis erbringen müssen. Im Übernahmevertrag ist festgeschrieben, dass sie insgesamt Bargeld und Aktienpakete im Wert von 140 Millionen Mark erhalten.
Während Kontos und Co. sich also gemütlich zurücklehnen können, entwickelt sich die Übernahme für die Deutsche Bank zum Desaster. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres machte die NDB, so berichtet ein Top-Banker, einen Verlust von rund 300 Millionen Mark.
Tief in die roten Zahlen ist auch das Privatkundengeschäft der US-Tochtergesellschaft DB Alex Brown geraten, seit sie wegen des Endes des Börsenbooms die Depots der Privatanleger nicht mehr mit Neuemissionen voll stopfen kann. »Das Bluten muss gestoppt werden«, stöhnte Vorstandssprecher Rolf Breuer im August öffentlich.
Mittlerweile weiß Breuer, dass der Bereich zurzeit unverkäuflich ist und mit eigenem Fachpersonal saniert werden muss. Im US-Geschäft von Alex Brown rechnen Insider der Bank in diesem Jahr ebenfalls mit Verlusten, die einschließlich der Abschreibungen auf den Unternehmenswert bis zu 300 Millionen Mark ausmachen können. Das wird möglicherweise den gesamten Gewinn in den anderen Teilen der Welt auffressen, den das normalerweise sehr lukrative Private Banking macht. Dieses Geschäft mit den Vermögenden wird deshalb auch im dritten Quartal wie schon im zweiten Quartal Verluste ausweisen.
Die Deutsche Bank wollte sich zu den Zahlen nicht äußern.
Die Verluste bei Alex Brown sind für Breuer besonders ärgerlich, weil sie in dem von ihm verantworteten Privatkundengeschäft anfallen. Erst Anfang des Jahres, als sich die Gewinne plötzlich in hohe Verluste verwandelten, waren die Alex-Brown-Kunden aus dem Investmentbanking weg in das Privatkundengeschäft integriert worden. Bei der Übernahme der NDB hatten die Investmentbanker innerhalb der Deutschen Bank beim Erwerb der Firma darauf gehofft, dass die Wertpapierhändler rund um Kontos mehr Geschäft in ihre Bücher leiten würden.
»Unsere Verteilungs- und Platzierungskraft wird durch diese Allianz sehr gestärkt«, jubelte schon beim Einstieg Deutsche-Bank-Vorstand Michael Philipp und rühmte »die Weltklassetechnologie von NDB«.
Davon ist nicht mehr die Rede. Als einer der größeren Aktienhändler an der US-Technologiebörse Nasdaq hatte die NDB zu Zeiten des Internet-Wunders vom beispiellosen Boom der Technologieaktien profitiert. Doch als die Deutsche Bank einstieg, war der große Hype vorbei. In Zeiten fallender Börsenumsätze erwies sich das Geschäftsmodell der National Discount Brokers als Flop. An vielen Tagen werden nur wenige zehntausend Aufträge über die elektronische Handelsplattform geschleust, die eigentlich eine Million so genannter Tickets abwickeln kann.
Auch die Privatkunden in den USA sind in eine Art Käuferstreik getreten. Das bekam besonders das zweite Standbein der NDB, eine Online-Bank, zu spüren, die ähnlich wie die deutschen Discountbanken Consors oder Comdirect arbeitet. In wenigen Monaten halbierte sich nahezu das verwaltete Vermögen.
Schließlich zog Deutsche-Bank-Chef Breuer die Reißleine und verkaufte diesen Teil der National Discount Brokers gegen Aktien an die Online-Bank Ameritrade. Die Verluste der NDB werden im Bereich »unternehmerische Beteiligungen« versteckt.
Verantwortlich für den Missgriff ist der Investmentbanker Kevin Parker, der von New York aus den weltweiten Aktienhandel der Deutschen Bank leitet. Im vorigen Jahr erwirtschaftete dessen Bereich, begünstigt durch hohe Börsenumsätze, mit kaum mehr als 3000 Mitarbeitern Erträge von 9,2 Milliarden Mark.
Den Großteil der Gewinne im Aktienhandel erwirtschaftete die Deutsche Bank aber in Europa. Das wurmte den Amerikaner Parker, mit Hilfe der NDB hoffte er, größere Umsätze in seinem Heimatland erzielen zu können. Kontos wusste um die Begehrlichkeiten der Deutschen Bank und trieb bei den Verhandlungen mit Parker den Preis immer höher. Schließlich zahlten die Deutschen eine Prämie von nahezu 100 Prozent auf den Aktienkurs.
»Diese Allianz baut auf der kombinierten Stärke unserer beiden Unternehmen auf«, sagte Kontos in Vorfreude auf den Deal seines Lebens. Die Deutsche Bank, lobte der glückliche Multi-Multimillionär, sei ein echtes »financial powerhouse«.
CHRISTOPH PAULY