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Bundesbank An Günstlinge vergeben

Sollen künftig alle 16 Bundesländer Landeszentralbanken haben? Über die hochdotierten Präsidenten-Posten wird heftig gestritten.
aus DER SPIEGEL 17/1991

Es geht um die Zukunft seines gutbezahlten Arbeitsplatzes, und da wird Heinrich Schreiner, 63, richtig staatspolitisch. Die Unabhängigkeit der Bundesbank sei gefährdet, warnt der Präsident der Landeszentralbank in Mainz, wenn der Vorschlag seines obersten Chefs verwirklicht würde. Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl empfiehlt, nicht in jedem der fünf neuen Länder eine eigene Landeszentralbank (LZB) zu gründen, statt dessen das gesamte Deutschland in neue, größere Bezirke aufzuteilen. Mainz hätte dann keine eigene LZB mehr, Christdemokrat Schreiner wäre Frühpensionär.

»Der Meinungspluralismus« in der deutschen Geldpolitik gehe verloren, klagt daher der Mainzer Präsident, »die politische Akzeptanz der Bundesbankbeschlüsse« werde leiden und insgesamt die demokratische Legitimation von Lombard- und Diskontsatzbeschlüssen beseitigt.

Mainz handelte. In dieser Woche wird der Bundesrat auf Antrag des Landes Rheinland-Pfalz beschließen, daß von dem im Bundesbankgesetz festgelegten Prinzip »ein Land, eine Landeszentralbank« grundsätzlich nicht abgewichen werden dürfe.

Setzen sich die Landesfürsten durch, dann muß Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, 61, bald ein eigenes Investitionsprogramm in Ostdeutschland in Gang setzen. In so »bedeutenden Finanzplätzen« (ein Bundesbanker) wie Erfurt, Potsdam oder Schwerin würden nach Mainzer Vorbild (Schreiner hat gerade einen 250 Millionen Mark teuren Neubau eingeweiht) prachtvolle Verwaltungsgebäude errichtet; würden für 300 000 Mark Jahressalär zuzüglich Pensionsansprüche, Dienstwagen und Wohnung Präsidenten und Vizepräsidenten eingesetzt; würden Rechenzentren angeschafft, je Landeszentralbank Hunderte von Mitarbeitern angestellt.

Da fehlt dann nur noch eines: Arbeit.

Der Streit um den Unterbau der Bundesbank entbrannte nach der Unterzeichnung des Einigungsvertrags. In dem deutsch-deutschen Abkommen wurde festgelegt, daß binnen zwölf Monaten, also bis zum 3. Oktober dieses Jahres, das Gesetz über die Deutsche Bundesbank an die neuen staatsrechtlichen Gegebenheiten anzupassen sei.

Veränderungsbedarf hatte es allerdings schon vorher gegeben. Nicht erst die Vereinigung ließ Zweifel an der LZB-Kultur aufkommen.

Ihre Entstehung ist historisch zu erklären. Mit der Gründung der Bundesbank 1957 verloren die Landeszentralbanken ihre bis dahin eigenständige Bedeutung, wurden zu bloßen Verwaltungsstellen der Zentrale. Als Bundesbehörden sind sie seither schlichte Vollstrecker jener geldpolitischen Beschlüsse, die in Frankfurt gefällt werden.

Eine bedeutende Eigenart aber blieb ihnen: Die Präsidenten der nachgeordneten Verwaltungsstellen behielten Sitz und Stimme im Zentralbankrat. Dieses Gremium berät jeden zweiten Donnerstag die Geldlage der Nation, befindet darüber, ob die deutsche Wirtschaft mit reichlichem (und daher billigem) oder knappem (und teurem) Geld ausgestattet wird.

Den ursprünglich zehn von den Ministerpräsidenten der Länder bestellten Landeszentralbankpräsidenten, so war die Idee im Gesetz, sollten paritätisch zehn von Bonn berufene Direktoren gegenübersitzen - Fachleute, die für das tägliche Geschäft verantwortlich zeichnen. Das Saarland kam hinzu, einige Direktorenposten verwaisten. So sitzen zur Zeit im Zentralbankrat neben den elf Präsidenten nur sieben Direktoren.

Sinn macht die Anwesenheit der Provinz-Banker nicht. Nationale Geldpolitik ist von Natur aus zentralistisch. Es gibt weder bremische noch saarländische Interessen, von denen die Stabilität der gemeinsamen Währung beeinflußt werden dürfte.

So machten denn auch LZB-Präsidenten vornehmlich dadurch auf sich aufmerksam, daß sie von Geldpolitik keine Ahnung hatten und nur im richtigen Moment auf Vorschlag der Experten der Bundesbank den Arm hoben. Das Amt des Landeszentralbankpräsidenten degenerierte in vielen Fällen zur gutbezahlten Pfründe, die von den Landesherren gnädig an Günstlinge oder Wegzulobende vergeben wurden.

Das gilt bis auf den heutigen Tag. Christ- wie sozialdemokratische Ministerpräsidenten stehen sich in nichts nach. Für den jüngsten Fall zeichnet SPD-Landeschef Oskar Lafontaine verantwortlich. Weil er in die Landespolitik nicht mehr so recht hineinpaßt, soll der Diplomkaufmann Hans-Jürgen Koebnick, 52, Oberbürgermeister von Saarbrücken, auf den saarländischen Landeszentralbankpräsidenten-Posten vorrücken.

Der Zentralbankrat in Frankfurt, der zum Vorschlag des Ministerpräsidenten gehört werden muß, lehnte den Kandidaten ab. Aber das stört nicht. Mit 16 zu null Stimmen befürwortete der Finanzausschuß des Bundesrats Lafontaines Mann. An diesem Freitag wird er gewiß mit ähnlicher Mehrheit von den Chefs im Bundesrat bestätigt.

Daß der Bundesrat sich über das empfehlende Votum des Frankfurter Notenbank-Gremiums hinwegsetzt, ist nichts Neues. Die Berufung Koebnicks allerdings ist ein besonderer Fall.

Per Brief hat Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl den Bundesrat gebeten, die Wahl des neuen Mannes zurückzustellen - mit guten Gründen. Innerhalb der nächsten drei Wochen müssen Kanzler und Finanzminister entscheiden, welche Änderungen des Bundesbankgesetzes sie dem Bundestag vorschlagen wollen. Folgen sie Pöhls Votum, das von einer Mehrheit im Zentralbankrat getragen wird, dann gibt es schon bald keine LZB Saarbrücken mehr.

Mit Recht fragt sich der Bundesbankpräsident, ob es Sinn macht, einen neuen Mann lebenslang zu bezahlen, wenn der nur für ein paar Wochen seinen Dienstgeschäften nachgeht.

Folgt der Kanzler dem Vorschlag der Bundesbank, dann gibt es in Zukunft nur noch acht Hauptverwaltungsbezirke in Gesamtdeutschland. Von Berlin aus würden Berlin und Brandenburg, von Frankfurt aus Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, von Hamburg aus auch Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, von Hannover aus Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bedient. Eine LZB in Leipzig wäre für Sachsen und Thüringen zuständig. Nur in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen), Stuttgart (Baden-Württemberg) und München (Bayern) bliebe der Zuschnitt wie bisher.

Für ihre Chefs Kohl und Waigel haben die Bonner Bundesbankexperten sorgfältig die Argumente zusammengestellt, die für und gegen eine moderate Reform des LZB-Unwesens in der vergrößerten Bundesrepublik sprechen.

Ihr Votum ist eindeutig ausgefallen. Die deutsche Wirtschaft wird zunehmend international verwoben. Für deutsche Kleinstaaterei in der Geldpolitik bleibt schlicht kein Platz.

Wenn gar die Bundesbank, wie vorgesehen, in einigen Jahren in einer europäischen Zentralbank aufgeht, dann rücken die Landeszentralbanken noch weiter in den Hintergrund. Ihre Präsidenten hätten mit den Entscheidungen über eine europäische Geldpolitik gar nichts mehr zu schaffen.

Schon heute, so die Meinung der Experten, seien die aufgeplusterten Landeszentralbanken mit ihren hochmögenden Präsidenten überflüssig. Die von ihnen abgewickelten technischen Arbeiten könnten ohne Probleme von Verwaltungsstellen der Bundesbank oder zentral, in Frankfurt, übernommen werden.

Waigel und seine Fachleute sehen deshalb schon in Pöhls Sparmodell einen politischen Kompromiß. Immerhin dürfen die drei großen Flächenstaaten sich nach wie vor eines eigenen LZB-Präsidenten erfreuen, nur die kleinen sollen teilen.

Gespannt warten jetzt alle auf Kohl. Denn Chef-Sache, da sind sich die Bonner einig, wird der wichtige Postenschacher im deutschen Geldwesen allemal.

Der Bundeskanzler, heißt es, sieht sehr wohl die Logik von Pöhls Argumentation. Er neige der schlanken Lösung zu, so ein Berater. »Allerdings«, kommt gleich die Einschränkung, »würde ein einstimmiger Beschluß der Länderfürsten dem Chef schon zu denken geben.«

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