MANAGER Anders vorgestellt
Der Kölner Familienunternehmer Otto Wolff von Amerongen, einer der letzten seiner Art mit Milliardenumsatz, hält »große Stücke« von seinem Schwiegersohn. Jedesmal, wenn er einen Spitzenmann aus der Wirtschaft abwerben wollte, beriet er sich zunächst mit Arend Oetker.
Wolff, Chef und Mehrheitsaktionär einer Stahl- und Maschinenbaugruppe mit 5,5 Milliarden Mark Weltumsatz und 300 000 Mitarbeitern, ist 67 und suchte einen Nachfolger für sich selbst. Nun hat er die Suche beendet, und der Ratgeber rückt eins rauf.
Arend Oetker selbst wird den Posten des Vorstandsvorsitzenden in Schwiegervaters Konzern übernehmen. Damit auch alles nach den Spielregeln abläuft, die nun einmal in einer Aktiengesellschaft gelten, hatte Wolffs Aufsichtsratsvorsitzender Friedrich Wilhelm Christians von der Deutschen Bank den Konzernchef schriftlich beauftragt, mit dem 46 Jahre alten Oetker »in Verhandlungen einzutreten«.
Der Zeitplan des Führungswechsels ist abgesteckt. Zur Hauptversammlung im Juli 1986 soll Arend Oetker, ein Neffe des Bielefelder Konzernherrn Rudolf August Oetker, die Macht am Rhein übernehmen - beaufsichtigt vom Schwiegerpapa. Christians nämlich macht für
Wolff den Vorsitz im Aufsichtsrat frei und will sich mit einem einfachen Mandat begnügen.
Die Erbfolge im Management und seinen Rückzug aufs Altenteil hatte sich Otto Wolff »eigentlich ganz anders vorgestellt«. Schon vor zwei Jahren wollte er, »wie es sich in der Wirtschaft gehört«, mit 65 Jahren abtreten und seine Firmengruppe »gut gepolstert« einem familienfremden Spitzenmanager übergeben.
Doch das paßte dem Hausbankier Christians nicht. Die mit hohen Krediten engagierte Deutsche Bank bestand darauf, daß Wolff zunächst die Verluste seiner US-Firmen, rund 100 Millionen Mark, beseitige. Wolff brauchte zwei Jahre, bis er vor wenigen Wochen auch den letzten Minus-Macher, ein kleines Stahlwerk in Houston (Texas), stillegte.
Sein unternehmerischer Abstecher in die Staaten kostete Wolff rund eine Viertelmilliarde Mark. Damit werden 1985 der gesamte Gewinn und weitere 50 Millionen Mark aufgezehrt.
In dieser Situation wollte keiner der von Wolff umworbenen Spitzenmanager nach Köln wechseln. Einige befürchteten auch, wohl nicht zu Unrecht, der nimmermüde Wolff würde ihnen fortwährend ins Tagesgeschäft dreinreden.
Abgesagt hatte der auch von Thyssen und Mannesmann begehrte Ruhrgas-Chef Klaus Liesen. Ein anderer Umworbener, Günther Saßmannshausen von der Preussag, schraubte seine Forderungen so hoch, daß Wolff sie nicht akzeptieren konnte. Saßmannshausen verlangte gleich ein paar Aktien dazu.
Genau das hatte Wolff nicht gewollt. In der Ära nach ihm sollten Besitz und Management möglichst nicht in einer Hand sein. Schon vor 20 Jahren, als nach der Geburt seiner drei Töchter noch immer der Stammhalter ausblieb, hatte er begonnen, seinen Nachlaß in diesem Sinne zu ordnen.
Um den eigenen Nachwuchs und die Nachkommen seines Adoptivbruders Otto aus dem Geschäftsgang herauszuhalten, hatte das Familienoberhaupt die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Damit schaffte er das »Präsentationsrecht« (Wolff) ab, nach dem jeder aus der Familie »ankommen konnte«, so Wolff, »er wolle in die Geschäftsführung«.
Das kostete den Mehrheitsbesitzer viel Geld, weil er seither zweimal Vermögensteuer zahlen muß. Das aber, sagt der Firmenchef, »war es mir wert«.
»Otto, du bist verrückt und kannst nicht rechnen«, verspottete ihn Rudolf August Oetker, Arends Onkel. Das Oberhaupt des Bielefelder Clans beließ es bei der steuerlich günstigeren Unternehmensform der Kommanditgesellschaft und setzte vor vier Jahren seinen Sohn August auf den Chefposten. Doch sehr zufrieden scheint er mit den Managerqualitäten seines Sprößlings nicht zu sein. Immer häufiger muß er den in der Unternehmensführung noch nicht so erfahrenen Sohn korrigieren.
Der Verwandte aus Schwartau hat da schon mehr zu bieten. »Den hätte ich noch viel leichter geholt«, schwärmt Otto Wolff heute, »wenn er nicht der Mann meiner Tochter wäre.«
Was der in Hamburg wohnende Arend Oetker alles kann, hatte er schon vor Jahren seinen Verwandten in Westfalen und Köln am Rhein gezeigt: Er sanierte die Mitgift seiner Mutter.
Nach einem Dauerkrach mit ihrem Bruder Rudolf August hatte sich Ursula Oetker nämlich in den sechziger Jahren mit einem Bündel kleiner Firmen abfinden lassen, die wenig Ertrag brachten. Die Schwartauer Werke schrammten mit ihrer Marmeladenproduktion gerade so an den Verlusten vorbei. Die Kochs Adler AG in Bielefeld, ein Hersteller von Schreib- und Nähmaschinen, wirtschaftete in roten Zahlen.
Sohn Arend, damals 28 Jahre alt und frisch verheiratet mit Claudia, geborene Wolff, hatte sich gerade auf einige schöne Jahre in San Francisco eingestellt. Er hatte eine Banklehre beim Hamburger Privatbankier Alwin Münchmeyer sowie ein Praktikum bei Berthold Beitz hinter sich. Er hatte bei Erich Gutenberg über die Finanzierung von Familienunternehmen promoviert. Unternehmer habe er immer schon werden wollen, so Oetker, aber nicht so früh.
Doch er ging sofort ans Werk und krempelte Mutters Erbe völlig um. Den Schwartauer Werken verpaßte er ein Konzept, das er dann zwei Jahrzehnte nicht mehr änderte: Er spezialisierte sich auf wenige Produkte, die von den großen Lebensmittelkonzernen nicht produziert wurden. Da wollte er Marktführer sein, allenfalls zweiter.
Und er schaffte es. Mit Marmelade sowie Back- und Dekorartikeln ist er die Nummer eins. Als seine Bonbons auf den dritten Platz absackten, stellte er die
Produktion ein. Die Nahrungsmittel-Gruppe verzehnfachte ihren Umsatz in 20 Jahren auf rund 600 Millionen Mark.
Der Kochs Adler AG, zu drei Vierteln im Familienbesitz, verordnete Oetker als Aufsichtsratschef den Rückzug aus dem Konsumbereich. Da seien die Japaner besser und billiger. Er stellte das Programm auf Spezialnähmaschinen für die Textilindustrie um, und seither macht die Firma so gutes Geld, daß der Kurs der Aktie stetig klettert.
Nebenher suchte sich Oetker immer wieder auch auf anderen Posten zu bewähren. Er hatte seit frühester Jugend geglaubt, für andere eintreten zu sollen - als Klassensprecher, als Schulsprecher, im Studentenparlament, als Sprecher der Lehrlinge in der Münchmeyer-Bank. Er wurde Sprecher der Ernährungsindustrie und ihrer Tarifverbände. Oetker sitzt zugleich im Präsidium des Industrieverbandes (BDI) und der Arbeitgebervereinigung (BDA).
Wie der Schwiegervater läßt der Nachfolger keine Gelegenheit aus, sich sehen zu lassen und gehört zu werden. Da kann es auch mal passieren, daß er seine Termine durcheinanderbringt.
So kam der Kunstfreund und Sammler von »sozialkritischen Künstlern« wie Otto Dix und George Grosz am Montag vorvergangener Woche ins Bundeskartellamt nach Berlin zur Vernissage »Kunst im Kartellamt«. Doch lie findet erst am Dienstag dieser Woche tatt.
Einiges, das weiß Oetker, wird er »bei seinem persönlichen Anforderungsprofil« ändern müssen, wenn er im nächsten Jahr von der Marmelade zum Stahl wechselt. Bis auf den BDI-Posten will er alle Ämter abgeben. Er will sich »voll auf die große Herausforderung« konzentrieren.
Einen delikaten Auftrag hat Oetker für seinen künftigen Arbeitgeber bereits vollbracht. Die Anlagenbaufirma PHB Weserhütte (PWH), an der Wolff mit 49,94 Prozent beteiligt war, drohte in die Hände des Konkurrenten Hoesch zu geraten. Der Dortmunder Stahlkonzern hatte 49,58 Prozent der Aktien an sich gebracht und wollte PWH mit seiner Tochterfirma Orenstein & Koppel zusammenlegen und die unternehmerische Führung übernehmen. Oetker half Otto Wolff, den Plan zu durchkreuzen.
Wolff teilte den erstaunten Dortmundern plötzlich mit, daß er die Mehrheit an der PWH besitze. Ein damals noch nicht genannter Geschäftsmannn aus Bad Schwartau (natürlich Arend Oetker) hatte die wenigen freien Aktionäre aufgespürt und ihnen ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen konnten. Daraufhin gab Hoesch ebenfalls seine Aktien ab.
Nun will der Strohmann von damals sich vor allem um diesen Bereich stärker kümmern. »Beim Maschinen- und Anlagenbau«, so Oetker, »drehe ich auf.«
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DAS WOLFF-IMPERIUM Die wichtigsten Unternehmen der Otto Wolff-Gruppe Beteiligungen in Prozent Stahlwerke Bochum AG, Bochum Kapital: 43,4 Mill. Mark Rasselstein AG, Neuwied Kapital: 170,0 Mill. Mark Eisen- und Hüttenwerke AG, Köln Kapital: 158 Mill. Mark EBG Elektroblech Gesellschaft mbH, Bochum Kapital: 0,1 Mill. Mark Stahlweiterverarbeitung Vereinigte Schraubenwerke GmbH, Essen-Steele (einschl. Eisenwerk Fraulautern GmbH) Kapital: 3,2 Mill. Mark OW Handel Otto Wolff Handelsgesellschaft mbH, Köln Kapital: 30,0 Mill. Mark Ferrum GmbH, Saarbrücken Kapital: 10,1 Mill. Mark Hommel Handel GmbH, Köln Kapital: 8,0 Mill. Mark Kapital = Eigenkapital Otto Wolff AG, Köln Kapital: 200 Mill. Mark Otto Wolff Industrie-Anlagen Gesellschaft mbH, Köln Kapital: 6,0 Mill. Mark Otto Wolff U S Holding Corp., Houston Kapital: 2,4 Mill. Dollar Maschinen und Anlagenbau PHB Weserhütte AG, Köln Kapital: 74,0 Mill. Mark Wirth Maschinen- und Bohrgeräte-Fabrik GmbH, Erkelenz Kapital: 30,0 Mill. Mark Hommelwerke GmbH, Villingen-Schwenningen Kapital: 4,0 Mill. Mark
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