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WIRTSCHAFTS-KOMMENTAR Angst vor der Tat

Von Winfried Didzoleit *
Von Winfried Didzoleit
aus DER SPIEGEL 28/1984

Länger als zwölf Monate posierte Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann publikumswirksam als Schützer von Tanne, Fichte, Lärche und Buche. Die Vorstellung ist beendet. Zimmermann ist nicht der Retter des Waldes, Zimmermann ist wieder Zimmermann.

Trotz aller seiner wolkigen Sprüche - er redete von einem »Etappensieg« - steht fest: Die obligatorische Einführung des abgasarmen Autos von 1986 an ist gescheitert. Der Bayer hat sein Ziel, die Stickoxid-Auswürfe aus den bundesrepublikanischen Auspufftöpfen innerhalb von acht bis zehn Jahren um 80 Prozent zu reduzieren, verfehlt. Noch schlimmer ist, daß er dieses Ziel inzwischen aufgegeben hat.

Der Politiker Zimmermann ist nicht an technischen Hürden gescheitert. Die Japaner haben vorgemacht, daß mit Hilfe der Katalysatortechnik, ein Verfahren, das auch für die deutsche Automobilindustrie längst Stand der Technik ist, das Entgiften der Autoabgase möglich ist.

Zimmermann ist auch nicht im Paragraphengestrüpp der EG hängengeblieben.

Erstens hat die Bundesregierung mit ihrer Milliardensubvention für die Bauern bewiesen, daß sie nicht sonderlich an den Buchstaben des EG-Rechts hängt. Und zweitens gibt es seit langem Gutachten seiner eigenen Experten, aber auch der Beamten des Justiz- und Verkehrsministeriums, die einen nationalen Alleingang der Bundesrepublik bei der Verschärfung der Abgasnormen als zulässig ansehen.

Daß die Kollegen im Außen-, Wirtschafts- und Finanzministerium anderer Meinung sind, war Zimmermann seit langem bekannt. Die rechtlichen Skrupel seiner Kollegen haben ihn nicht daran gehindert, zwölf Monate lang die Trommel für seine Pläne zu rühren, als ob an der Rechtmäßigkeit seiner Absichten nur Deppen zweifeln könnten.

Zimmermann ist gescheitert, weil es der Bonner Regierung an politischer Tatkraft fehlt. Kohl, Stoltenberg und auch Bangemann haben aus Angst vor den europäischen Handelspartnern den Wald drangegeben.

Weil nämlich die französische und italienische Automobilindustrie aus Geldmangel die notwendigen Milliardeninvestitionen für den Bau abgasarmer Autos nicht ebenso schnell wie die deutsche hätte durchziehen können, befürchteten die Bonner eine Reaktion nach dem Motto: Wenn ihr den Verkauf unserer nicht entgifteten Autos behindert, dann machen wir die Grenzen auch für eure Autos dicht.

Ob es aber überhaupt zum Krach gekommen wäre, ist sehr fraglich. Schließlich profitieren ja auch Italiener und Franzosen vom freien Handel.

Es war eben ein Pokerspiel, und der Harmoniker Kohl hat die Karten frühzeitig weggeschmissen.

Zimmermanns pfiffige Idee, Umweltautos direkt zu subventionieren, ist zunächst einmal vom Hauptkassierer Stoltenberg abgeblockt worden. Aber selbst wenn der Innenminister bis zum Herbst erfolgreich um die Prämien feilscht, hilft das dem deutschen Walde nicht.

Denn da muß einer schon ein wahrer Umweltfreak sein, der ein Auto kauft, mit dem er zum Tanken jedesmal 20 bis 50 Kilometer weit fahren muß.

Das Umweltauto braucht bleifreies Benzin. Das aber gibt es von 1986 an mit Sicherheit zwar an den Autobahntankstellen, auf die Zimmermann Druck ausüben kann, weil sie dem Bund gehören.

Die anderen Zapfsäulenbesitzer jedoch werden nur in dem Maße umrüsten, wie die Nachfrage steigt. Weil die Einführung des abgasarmen Autos nicht obligatorisch kommt, wird das - wenn überhaupt - nur sehr langsam geschehen.

Schneller geht das Waldsterben. 1982 waren acht Prozent der Wälder angegriffen, 1983 waren es schon 35 Prozent - in diesem Jahr wird die Hälfte des Waldes krank sein.

Wenn im Wald die Nadeln fallen, werden die Männlein besser sichtbar.

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