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FLUGGESELLSCHAFTEN Arbeit am Dom

Unter der Führung des Schweden Jan Carlzon mauserte sich die SAS zu einer der erfolgreichsten europäischen Fluggesellschaften. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Jan Carlzon, Chef der skandinavischen Fluggesellschaft SAS, ist das, was man landläufig einen schönen Mann nennt - groß, schlank, blondes Haar und blaue Augen in einem klar geschnittenen Gesicht. Doch das Äußere ist nur ein Grund, warum der 43jährige einer der populärsten Manager Schwedens ist. Der andere ist sein Erfolg.

Janne, wie ihn die Schweden nennen, gilt als Retter der SAS. Die war, wie viele andere Flugunternehmen auch, Anfang der achtziger Jahre in tiefrote Zahlen abgesackt. Das nordische Unternehmen flog die höchsten Verluste seit seiner Gründung vor 39 Jahren ein.

Heute, gut drei Jahre nach Carlzons Amtsantritt, zählt die SAS zu den erfolgreichsten Fluggesellschaften der Welt. Das Unternehmen luchste anderen Flugfirmen Reisende ab und verdient mehr Geld als je zuvor. Im vergangenen Jahr kam die Fluggesellschaft auf einen für die Branche stolzen Gewinn von 792 Millionen Kronen (280 Millionen Mark).

Bevor Carlzon von der SAS als Retter angeheuert wurde, hatte er sich schon im SAS-Konzern bewährt. Der Flug-Manager hatte es binnen eines Jahres geschafft, die innerschwedische Fluggesellschaft Linjeflyg zu sanieren.

»Früher«, sagt Carlzon über sein Erfolgsrezept, »bestand der Wert eines Unternehmens vor allem in seinen Maschinen.« Heute seien zufriedene Kunden das größte Kapital eines Unternehmens.

»Was nützen uns die schönsten Flugzeuge, wenn keiner damit fliegt«, hämmert der Schwede immer wieder seinen Mitarbeitern ein.

Carlzon machte die skandinavische Fluggesellschaft - deren Kapital von Holdinggesellschaften in Schweden, Norwegen und Dänemark gehalten wird - vor allem für vollzahlende Geschäftsreisende attraktiv. Mitarbeiter, die in der Verwaltung überflüssig waren, setzte der SAS-Chef für die Betreuung der Passagiere ein. Und er steckte trotz der damaligen Verluste, hohe Summen in die Verbesserung der SAS-Dienste.

Das meiste Geld kostete der Umbau der Flugzeuge. Carlzon ließ in den Maschinen, die innerhalb Europas eingesetzt werden, die Erster-Klasse-Sessel abmontieren und richtete eine sogenannte Euro Class ein. Die neue Klasse bietet den Economy-Vollzahlern bequemere Sitze, reichhaltigere Menüs und besseren Service als Fluggästen mit einem Billigticket. Am Boden installierte die SAS für die Euro-Class-Reisenden ein seperates Reservierungssystem, eigene Abfertigungsschalter und komfortable Lounges mit Telephon und Telexservice.

Gleichzeitig startete Carlzon eine Kampagne, mit der er die SAS zur pünktlichsten Fluggesellschaft Europas machte. Auf den Flughäfen achten Inspektoren auf pünktliche Starts. Carlzon selbst ließ sich in seinem Stockholmer Büro einen Monitor installieren, auf dem er jederzeit verfolgen konnte, wie pünktlich seine Flotte gerade fliegt.

Vor allem aber bietet die SAS mehr Direktverbindungen zwischen Kopenhagen und den europäischen Hauptstädten an. Sie musterte Großraum-Flugzeuge aus und fliegt dafür in kürzeren Abständen mit kleineren Maschinen.

Mit solchen Verbesserungen sollen Passagiere, die außerhalb der skandinavischen Heimatregion der SAS leben, in die Maschinen der nordischen Flieger gelockt werden. Ganz zielstrebig versucht Carlzon beispielsweise, den Umsteigeflughafen Kopenhagen für Norddeutsche attraktiver zu machen. Schließlich ist es von Hamburg nach Kopenhagen näher als von Hamburg zum deutschen Luftkreuz Frankfurt.

Zwischen der Hansestadt und Kopenhagen verkehrt jetzt sechsmal täglich eine 40sitzige SAS-Turbopropmaschine. Früher gab es nur drei tägliche SAS-Verbindungen.

Ganz besonderen Wert legte Carlzon auf die Motivation der SAS-Bediensteten. Gleich nachdem er Chef der SAS geworden war, schickte er allen Mitarbeitern ein kleines rotes Büchlein. In dem Werk, das aussah wie eine Mao-Bibel, steht alles über die neue SAS.

»Wir sind in einem schlechten Zustand. Aber wir können uns aufrappeln«,

lasen die SAS-Angestellten in der Carlzon-Fibel. Oder: »Wir müssen besser werden. Und wir müssen heute damit anfangen.«

Das Bord- und das Bodenpersonal wurde in speziellen Schulungskursen auf mehr Effizienz und auf freundlicheren Service getrimmt. Eine Stewardeß etwa, die einen Passagier mit Kaffee bekleckert, darf die Reinigungskosten gleich aus der Bordkasse ersetzen; früher mußten Formulare ausgefüllt werden, die Verwaltung befand über den Schadenersatz.

Für wie wichtig er das Engagement der Mitarbeiter hält, erklärt Carlzon am liebsten mit der Geschichte von den zwei Arbeitern in einem Steinbruch: Der eine, der immer traurig in die Welt blickt, antwortet auf die Frage nach seiner Arbeit: »Ich haue aus diesen verdammten Brocken Steine.« Der andere, der fröhlich aussieht, gibt die Antwort: »Ich helfe beim Bau einer Kathedrale.«

»Auch bei der SAS«, so Carlzons Moral von der Geschichte, »soll jeder das Gefühl haben, er arbeite an einem großen Dom.«

Baumeister Carlzon hat noch viel vor. Der quirlige Manager, der mit einer ehemaligen SAS-Stewardeß verheiratet ist, will in den nächsten Jahren zehn Milliarden Mark für modernere Flugzeuge ausgeben und weitere fünf Milliarden in den Ausbau neuer Abfertigungssysteme investieren.

In New York will die SAS einen eigenen Flughafentrakt erwerben. Dort soll, voraussichtlich in Zusammenarbeit mit der US-Gesellschaft TWA, ein Umsteigeterminal für den inneramerikanischen Verkehr entstehen. SAS-Fluggäste hätten dann kürzere Umsteigezeiten.

Auch der Heimathafen Kopenhagen soll weiter ausgebaut werden. Carlzon will nicht nur die Zahl der Starts und Landungen erhöhen, sondern die Fluggäste auch durch günstige Einkaufsmöglichkeiten in die dänische Hauptstadt locken: Die Duty-Free-Shops in Kopenhagen-Kastrup sollen die besten und billigsten in ganz Europa werden.

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