Rückhalt für Habeck Auch Sachsens Energieminister geht von vorzeitigem Kohleausstieg aus

Sollte Ostdeutschland früher als geplant aus der Kohleförderung aussteigen? Sachsens grüner Energieminister stützt diese Forderung von Parteifreund Habeck – und stellt sich gegen die Position seines Regierungschefs.
Blick auf das sächsische Braunkohlekraftwerk Boxberg: »Die Kohle fliegt aus den Märkten«

Blick auf das sächsische Braunkohlekraftwerk Boxberg: »Die Kohle fliegt aus den Märkten«

Foto: Sebastian Kahnert / dpa

Mit seinem Wunsch eines früheren Kohleausstiegs auch in den östlichen Bundesländern findet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Mitstreiter. Sachsens Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther geht sogar klar von einem früheren Ausstieg aus der Braunkohle aus. »Die Braunkohleverstromung in Mitteldeutschland und in der Lausitz wird aus ökonomischen Gründen deutlich vor 2038 enden. Die Unternehmen kommen an den Punkt, wo es sich einfach nicht mehr rechnet«, sagte der ebenfalls grüne Minister Günther. Das sei schon vor Beginn der aktuellen Energiepreiskrise klar absehbar gewesen. »Das gilt weiter nach der Überwindung der Krise.«

Damit stellt sich Günther gegen die Position des sächsischen Regierungschefs Michael Kretschmer (CDU), der mehrfach vor einem vorzeitigen Ende der Kohleförderung gewarnt hat und Verlässlichkeit anmahnte. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind die letzten Stilllegungen von Kraftwerksblöcken in Deutschland 2038 geplant – und zwar bei der Betreiberin Leag in der Lausitz.

»Wenn Sachsen ein wirtschaftlich erfolgreiches Industrie- und Energieland bleiben soll, müssen wir diesen marktgetriebenen Kohleausstieg aktiv begleiten«, so Günther. »Tun wir das nicht, droht Sachsen die Deindustrialisierung. Es geht um die Frage: Bleiben wir Energie- und Industrieland oder nicht«. Beim Kohleausstieg vor 2038 gehe es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. »Die Kohle fliegt aus den Märkten. Der Kohleausstieg lässt sich aber politisch gestalten, damit er sozial gerecht ist und wirtschaftliche Perspektiven bietet.«

Kritik aus Sachsen-Anhalt

Wie Kretschmer sieht auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung kritisch. »Wir haben die Sicherheit vieler Bundesländer bei der Stromversorgung in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem dadurch gewährleistet, dass die grundlastfähigen Kohlekraftwerke in Brandenburg, Sachsen und in Sachsen-Anhalt liefen«, sagte Haseloff der »Welt«. In einer solchen Lage das Ausstiegsdatum 2038 infrage zu stellen, halte er für verheerend. Jede grundlastfähige Stromerzeugung sollte derzeit im Netz bleiben, bis man sehe, wie sich die Krise entwickle.

Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte sich am Sonntag für einen früheren Kohleausstieg auch im Osten ausgesprochen. Ein auf 2030 vorgezogener Ausstieg müsse aber im Konsens vereinbart und »nicht par ordre du mufti entschieden werden«, sagte der Grünen-Politiker. Es müsse »in einer breiten Allianz als guter Plan empfunden werden«.

Habeck verwies auf die ökonomischen Vorteile eines Ausstiegs: Die Verstromung von Kohlekraft nach 2030 rechne sich mit dem Zertifikatehandel, der jetzt noch mal nachgeschärft wurde, ökonomisch nicht mehr. Die Kohleverstromung werde teurer und unattraktiv.

Bundestag und Bundesrat hatten beschlossen, dass der Kohleausstieg im Rheinischen Revier um acht Jahre vorgezogen wird. Zuvor hatte es eine Verständigung zwischen der Bundesregierung, der NRW-Landesregierung und dem Energiekonzern RWE gegeben. Demnach gehen drei Braunkohlekraftwerke bereits 2030 vom Netz. Zur Vereinbarung gehört auch, dass die Kraftwerksblöcke, die eigentlich zum Jahresende abgeschaltet werden sollten, wegen der Energiekrise mindestens bis Ende März 2024 in Betrieb bleiben.

2022 sei ein Ausnahmejahr gewesen, sagte Habeck. »Das war nicht mein persönlicher Plan und nicht der Koalitionsplan, Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu bringen.« Aber es sei Krieg in der Ukraine, und es fehle die Hälfte der deutschen Gasimporte. »Da mussten wir nehmen, was wir nehmen konnten.« Die ersten Zahlen deuteten darauf hin, »dass wir ein Prozent mehr CO₂-Ausstoß in der Energiewirtschaft haben, als nach dem Klimaschutzgesetz zulässig wäre.« Deutschland soll den Zielen der Bundesregierung zufolge bis zum Ende des Jahrzehnts seinen Treibhausgasausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 verringern.

kig/dpa-AFX
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