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STEUERN Auf dem Friedhof

Die Zunft der Gebäudereiniger, so enthüllten Kölner Kassenprüfer, ist besonders emsig dabei, Steuern und Sozialabgaben zu hinterziehen.
aus DER SPIEGEL 6/1981

Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung. Den Betriebsprüfern der Kölner Innungskrankenkasse, die bei Gebäudereinigungsfirmen nach dem Rechten sahen, wurden freundlich Listen mit Namen und Einkommen der Mitarbeiter präsentiert.

Doch als die Prüfer nachforschten, fanden sie Erstaunliches. Auf den Gehaltsabrechnungen standen Greise und Kleinkinder, auch längst Verblichene waren darunter, die seit Jahrzehnten auf dem Melaten-Friedhof an Kölns Aachener Straße ruhen.

Nicht nur die Gebäudereiniger in Köln kennen den Trick mit den erfundenen Mitarbeitern. Überall in der Bundesrepublik, wo stundenweise gearbeitet wird, etwa bei Taxiunternehmen oder in der Gastronomie, lassen sich so Millionen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sparen.

Denn für »geringfügig Beschäftigte« sind keine Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 15 Stunden beträgt und das monatliche Entgelt 390 Mark nicht übersteigt.

Zudem braucht der Arbeitgeber für Kleinverdiener, die nicht mehr als 440 Mark im Monat bekommen, nur eine Lohnsteuer-Pauschale von zehn Prozent beim Finanzamt abzuliefern.

Wie leicht die Firmen auf viele »geringfügig Beschäftigte« kommen, fanden die Kölner Fahnder bei den Gebäudereinigern heraus.

Da erhalten die Putzfrauen für eine tägliche Arbeitszeit von viereinhalb Stunden einen Monatslohn von 700 Mark netto. Für das Finanzamt aber wird gleich eine zweite Beschäftigte dazu erfunden -- die Oma aus dem Altersheim oder die tote Tante.

Jede verdient offiziell 350 Mark und arbeitet zweieinviertel Stunden täglich; die Bezüge sind daher abgabenfrei. Der Unternehmer zahlt lediglich eine Steuerpauschale von insgesamt 70 Mark.

Würden die 700 Mark Rechtens und brutto gezahlt, dann wären an Steuern und Sozialabgaben bis zu 350 Mark fällig.

Der Trick mit den Verwandten läßt sich im Reinigungsgewerbe besonders gut anwenden. Denn in den Putzgeschwadern sind rund 75 Prozent der Beschäftigten weiblichen Geschlechts, und die Mehrzahl dieser Frauen ist über den Mann auch krankenversichert. Die eigenen Krankenkassenbeiträge, die eigentlich gezahlt werden müßten, brächten also keinen zusätzlichen Versicherungsschutz.

Überdies eignen sich die Reinigungsfirmen für den Schummel mit Steuern und Sozialabgaben auch deswegen so gut, weil in dieser Branche drei von vier Arbeitnehmern als »geringfügig Beschäftigte« eingestuft werden.

Die Kölner Innungskrankenkasse, die jetzt von den zehn überprüften Firmen sieben Millionen Mark Versicherungsbeiträge nachfordert, rechnete hoch, daß allein die Gebäudereiniger den notleidenden Versicherungen jährlich mindestens 175 Millionen Mark durch solche Praktiken abzwacken.

Der Branche waren die Kölner Enthüllungen höchst peinlich. In einem Brief an seine Mitgliedsfirmen äußerte der Innungsverband »Sorge um die Zukunft«, wenn »bestimmte Vorgänge« nicht abgestellt würden. Solche Machenschaften würden die Front der Privatisierungsgegner nur stärken.

Die Vorsicht ist angebracht. Denn daß es mit der Reinigungsbranche in den letzten Jahren so steil bergauf ging, lag nicht zuletzt daran, daß immer mehr Behörden ihre Gebäude von Privatfirmen putzen ließen. So verdreifachte sich nahezu die Zahl der Beschäftigten seit 1970 auf heute rund 330 000. Auch der Umsatz verdreifachte sich auf jetzt etwa 3,3 Milliarden Mark.

Nun aber fürchten die Gebäudereiniger, daß es bergab geht. So hat bereits der SPD-Landesparteitag in Hamburg die Rückkehr zur staatlichen Reinigung gefordert. Die Stadt Oberhausen hat sämtliche Reinigungsverträge mit Privatfirmen S.98 gekündigt. Die Postgewerkschaft möchte wieder von eigenen Mitgliedern säubern lassen. Und erschrocken fragen die Innungsmanager in ihrem Brief: »Wann greift das auf die Bundeswehr über?« Insgesamt stehen eine Milliarde Mark öffentlicher Aufträge auf dem Spiel.

Doch der Steuer- und Versicherungs-Schmu ist kaum dadurch zu beseitigen, daß die Behörden nur noch eigene Putzkolonnen einsetzen. Immerhin kommen zwei Drittel der Reinigungsaufträge von der privaten Wirtschaft.

Wirksame Abhilfe, meint SPD-MdB Klaus Lennartz, Mitglied des Bundestags-Finanzausschusses, kann nur das Bonner Parlament schaffen. Per Gesetz müßte jedes Einkommen versicherungspflichtig gemacht, Beschäftigung ohne Lohnsteuerkarte verboten und der Pauschalsteuersatz angehoben werden.

Das würde nicht nur die Versicherungskassen füllen, sondern auch den Betroffenen zugute kommen -- durch eine spätere Rente.

Die Interessenverbände möchten das Gegenteil erreichen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hat den Bonner Finanzminister aufgefordert, die Einkommensgrenze für die pauschale Zehn-Prozent-Steuer deutlich anzuheben.

Dann könnte noch leichter geschummelt werden.

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