WERBUNG Auf den Leim
Es begann vor drei Jahren im Februar mit »diesem scheußlichen Ding, diesem Kartoffelpuffer«, erinnert sich Michael Schirner von der Düsseldorfer Werbeagentur GGK.
Damals erschienen die Knödelmacher des Münchner Pfanni-Werks und wünschten sich: »Macht uns doch zum größten Kartoffelpufferhersteller im ganzen Land.«
Schirners »Creative« wurden schöpferisch und verfielen auf ein altes Werbemedium, das aber im Schatten von Werbefernsehen und Farbanzeigen siech dahinkümmerte: das Plakat. Sie steckten das ganze Pfanni-Werbegeld (800 000 Mark) in eine Puffer-Kampagne auf Grollplakaten und hatten Erfolg.
Die Klebeaktion -- ein auf zwei Meter vergrößerter Kartoffelpfannkuchen, garniert mit Kalauer-Überschriften wie »Das jüngste Gericht« -- brachte die Pfanni-Umsätze so weit nach vorne, daß die Firma im folgenden Jahr auch ihre Erbsenpüree-Werbung auf Großfläche umstellte.
Aus dem Pfanni-Muster machte die Werbebranche eilig einen neuen Trend. Peter Roth, Chef der DSF + R Dorland Werbeagentur in München, registriert mittlerweile »eine erstaunliche Wiederbelebung« des traditionsreichen Werbemediums. Hermann Wündrich, Werbemanager des Waschmittelkonzerns Henkel, verkündet: »Plakatwerbung ist wieder »in«!«
Und Werbemann Schirner ist schon fast euphorisch: »Das Großplakat hat Deutschland zu einem einzigen riesigen Landes-Museum gemacht, in das man hineingehen kann, immer wenn man rausgeht.«
Im Jahr nach der Pfanni-Kampagne stieg der Umsatz der Großflächenvermieter um über 30 Prozent. Und auch letztes Jahr legten sie noch mal 20 Prozent zu und brachten es auf rund 150 Millionen Mark.
Immer mehr Produkte auch gehen auf den Leim. 1972 waren es nur 20 bis 30, letztes Jahr schon über 150 verschiedene Güter und Dienstleistungen, für die auf Großflächen geworben wurde. Selbst Krebsvorsorge und Kriminalpolizei ("Danke für die Aufmerksamkeit. Ihre Polizei") vertrauten den Klebemännern ihre Werbeetats an.
Zwar läßt sich Schirner gern nachsagen, seine Puffer-Kampagne habe »den Anstoß für bessere Plakatwerbung in Deutschland gegeben«. Doch hat auch die Plakatierbranche selber mit massiver Eigenwerbung nachgeholfen.
In einer umfangreichen Studie des Münchner Marktforschungsinstitutes Infratest ließ sie sich ihren Werbespruch »An diesem Medium kommt jeder vorbei« mit Zahlen untermauern. Die Infratester bestätigten dem Plakat große »Kontaktchancen": Bis zu 90 Prozent der Bevölkerung würden innerhalb von zehn Tagen -- der üblichen Plakathängezeit -- mit einer bundesweiten Plakataktion erreicht.
Der Infratest-Meinung folgten die Werbefachleute willig, und so erhielt die Plakatmode ihre eigene Schubkraft. »Versuchen Sie mal«, begeistert sich etwa der Frankfurter Werber Peter Geilenberg, »sich ungeschoren der Außenwerbung zu entziehen.«
Dafür lassen sich die Plakatierer gut bezahlen. Zehn Prozent der rund 110 000 westdeutschen Großflächen, für zehn Tage gemietet, kosten etwa 600 000 Mark -- fünf bis sechs Mark pro Tag und Plakatwand.
Teurer noch als die Großflächen (2,52 mal 3,56 Meter) sind die 12 000 »Ganzstellen": 12 bis 15 Mark am Tag. Dafür hat man eine Litfaßsäule ganz für sich allein -- statt des Plakatsalats an den übrigen 80 000 »Allgemeinen Anschlagstellen«.
An dem sich entfaltenden Plakat-Boom verdienen die westdeutschen Kommunen gleich mehrfach mit. Die auf öffentlichem Grund stehenden Litfaßsäulen und Anschlagtafeln vermieten sie gegen kräftige Umsatzbeteiligung (10 bis 50 Prozent) an Plakatunternehmen.
Liebster Partner ist ihnen dabei die »Deutsche Städte-Reklame GmbH«. Denn »Deutschlands größtes Fachunternehmen« gehört -- wenn auch als privatrechtliche Firma organisiert -- rund 30 westdeutschen Kommunen und füllt mit seinen Gewinnen die Stadtsäckel.
Um sich von der Städtereklame nicht an die Wand drücken zu lassen, hat sich ein Teil der restlichen etwa 100 privaten Plakatunternehmen zusammengeschlossen. Die Privaten konnten besonders bei den Großflächen« die meist auf privatem Grund stehen, Boden gewinnen.
So überrundete das »Außenwerbungskontor Koblenz« (AWK), in dem sechs Firmen zusammengeschlossen sind, die Städtereklame schon bei den Plakatwänden. Mit 23 000 Großflächen machte das AWK letztes Jahr 24 Millionen Mark Umsatz. Die städtischen Plakatvermieter haben nur 14 500 Großflächen anzubieten (Umsatz 16,6 Millionen Mark), liegen dafür aber hei den Litfaßsäulen vorn.
Doch weder private noch kommunale Plakatkleber können so viel Fläche anbieten, wie die Werbeagenturen verlangen. »Für 1978 ist kaum noch Plakatwand zu haben«, meldet der Werbebranchendienst »Kontakter": »Ausgebucht«.
Die Werbeflächen nämlich sind nicht beliebig vermehrbar. Für Litfaßsäulen gilt die fast überall schon erreichte Richtzahl: eine Säule pro l000 Einwohner. Großflächen brauchen eine Baugenehmigung: Sie dürfen den Verkehr nicht behindern oder verunstaltend wirken. Außerhalb geschlossener Ortschaften sind sie ganz verboten. Roland 0. Friedrich vom »Fachverband Außenwerbung« klagt: »Wir sind das am härtesten reelementierte Land«. Die strenge Bauregelung hat zur Folge, daß die Großflächen meist nur dort genehmigt werden, wo am Stadtbild nicht mehr viel zu zerstören ist -- an Trümmergrundstücken, Bunkern oder in Gewerbegebieten. Das Oberverwaltungsgericht Münster deckte diese Praxis sehr einleuchtend: »Reklametafeln ziehen den Blick des Beschauers auf sich selbst und lenken ihn hierdurch von Häßlichkeiten des Aufstellungsortes ab.«
Ob die Plakatkünstler diesen wohltuenden Effekt wirklich schon erreicht haben, scheint manchen noch zweifelhaft. Henkel-Werber Wündrich etwa glaubt: »Die gestalterische Leistung ist derzeit noch der schwache Punkt.«