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WAFFENHANDEL Auf Umwegen

Wegen illegaler Waffengeschäfte müssen sich demnächst Manager des Rüstungskonzerns Rheinmetall vor Gericht verantworten. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Die Auflagen der Richter sind lästig: Wenn der Pensionär Dietrich Falcke sowie die Manager Dieter Köhler und Hans Voss ins Ausland wollen, müssen sie dies dem Düsseldorfer Landgericht mitteilen.

Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Der Prozeß gegen Falcke, Köhler und Voss soll zwei Jahre dauern und 1986 beginnen. Die drei sind angeklagt, für den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall Waffen illegal nach Argentinien, Südafrika und Saudi-Arabien verschoben zu haben. Die Lobby der Rüstungsindustrie ist seit langem bemüht, das gesamte Verfahren zu Fall zu bringen. Zur Freude der Waffenkonzerne hat die Bundesregierung bereits einen Entwurf zur Änderung des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) eingebracht. Danach sollen Verstöße gegen das Gesetz nur noch mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten statt wie bisher einem Jahr geahndet werden. Verbrechen würden damit zu Vergehen herabgestuft.

Der Fall Rheinmetall ist für viele Kritiker von Waffengeschäften ein Beispiel für das gut funktionierende Zusammenspiel von Politik, Behörden und Rüstungswirtschaft. In sechsjährigen Ermittlungen haben die Staatsanwälte dafür reichlich Belege zusammengetragen.

Wenn der bisher größte Strafprozeß gegen einen deutschen Rüstungskonzern jemals beginnen sollte, wird vor allem das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in ein merkwürdiges Licht gerückt werden. Bei einigen der illegalen Geschäfte, für die sich die Manager des rheinischen Rüstungskonzerns verantworten müssen, hat die Behörde in Eschborn sich auf eine bemerkenswerte Weise kooperativ gezeigt.

Nach Recherchen der Staatsanwälte hatte Rheinmetall Ende 1978 beim Bundesamt den Auftrag für ein Exportgeschäft mit Argentinien vorgelegt und eine umfangreiche Liste beigefügt. Da standen nur Einzelteile drauf.

Was in Wahrheit verkauft werden sollte, hätten die staatlichen Prüfer merken müssen; Rheinmetall wollte, fein zerlegt, 75 Kanonenverschlüsse des Kalibers 105 mm ausführen. Lediglich die Verschlußkeile und die sogenannten Kontaktkörper, die wesentlichen Bestandteile eines Zündmechanismus, fehlten in der Liste.

Kaum lag die Genehmigung vor, schob Rheinmetall einen Ausfuhrantrag für 75 Verschlußkeile nach. Auch der kam durch. Nur die Kontaktkörper schleusten die Waffenverkäufer auf anderen Wegen nach Buenos Aires.

Das Bundesamt in Eschborn hätte dieses Kanonengeschäft gar nicht billigen dürfen. Nach den Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes darf nur das Bonner Wirtschaftsministerium in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt den Export von Waffen genehmigen. Die Bonner Zustimmung jedoch lag nicht vor.

Wahrscheinlich hatten die Rheinmetall-Manager sich gar nicht um diese Genehmigung bemüht, weil sie eine Absage befürchteten. Lange vorher schon hatte Bonn Rheinmetall zu verstehen gegeben, daß Waffenexporte nach Argentinien nicht genehmigt würden.

Im Januar 1979 hatte Rheinmetall 100 Maschinenkanonen vom Kaliber 20 mm und 27 Zwillingsflaks an Buenos Aires verkaufen wollen. Das geschah dann auch - allerdings, so die Anklage, über einen verbotenen Umweg.

Der Konzern schaltete die staatliche spanische Waffenfirma Santa Barbara in Oviedo ein. Die Spanier bestätigten Rheinmetall prompt, die 100 Kanonen und 27 Flaks sowie mehr als doppelt soviel Rohre und Verschlüsse als Ersatzmaterial seien für ihre Streitkräfte bestimmt. Die nämlich durften Waffen kaufen, weil sie zum westlichen Verteidigungsbündnis gerechnet wurden.

Tatsächlich aber wurde das Kriegsgerät vom Rhein nur in Spanien umgeladen. Es war für die argentinische Armee bestimmt.

Die Kanonen von Rheinmetall wurden, wie die Ermittlungen ergaben, in Argentinien auf Tam- und VCTP-Panzer, Versionen des deutschen Kampfpanzers Leopard I und des Bundeswehrschützenpanzers Marder, montiert. Lieferant für insgesamt 512 Panzerfahrgestelle war die Rüstungsfirma Thyssen Henschel in Kassel (THK).

Auch dieses Kanonengeschäft ist Teil der Anklage gegen die Rheinmetall-Manager. Der Waffenpartner Thyssen Henschel dagegen kam noch einmal davon.

Die Ermittler argwöhnten, daß die hessische Thyssen-Tochter bei dem Waffengeschäft mit Argentinien als Generalunternehmer fungierte. Doch als Staatsanwälte und BKA-Beamte in Kassel nach Einzelheiten des Panzergeschäfts forschen wollten, präsentierte Unternehmenschef Hans Wolf seinen Besuchern überraschend ein Schreiben von Hans-Dietrich Genscher.

»Die Prüfung der Anträge hinsichtlich der Tam- und VCTP-Zulieferungen«, hatte der Außenminister dem Waffenmanager mitgeteilt, sei abgeschlossen. Die zuständigen Stellen würden ermächtigt, die Ausfuhrgenehmigungen zu erteilen. Sie dürften allerdings »den für die Fertigung von 512 Einheiten benötigten Umfang« nicht überschreiten. An dem Schreiben fiel den Fahndern sofort

das Datum auf - der 24. 7. 1981. Damals mußten die Kasseler Manager damit rechnen, daß die Ermittlungen gegen Rheinmetall schon bald auf ihr Unternehmen ausgedehnt würden.

Eigenartig schien auch, daß Genscher die Genehmigung »zuständiger Stellen« für ein Exportgeschäft in Aussicht stellte, das zu einem großen Teil längst abgewickelt war.

Trotz alledem stellten die BKA-Beamten ihre Nachforschungen in Kassel ein. Für sie stand fest, daß Bonn das Panzer-Geschäft erlauben würde.

Von den 512 in Argentinien montierten Panzern, so behaupten die Staatsanwälte, bleibe wohl nur ein Teil im Lande. Als Interessenten haben sich, unter anderen, bereits Pakistan, Libyen und Syrien gemeldet - Länder, die nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz als Spannungsgebiete gelten. Sie dürfen mit deutschem Kriegsgerät nicht beliefert werden.

Für Militärexperten stand stets außer Frage, daß die argentinische Armee niemals so viele Panzer bräuchte. Doch was mit den Waffen geschieht, wenn sie erst einmal außer Landes sind, scheint in Bonn oder Eschborn niemanden so recht zu interessieren.

Bei ihren Ermittlungen in Sachen Rheinmetall stießen die Staatsanwälte beispielsweise auch auf ein Umweggeschäft mit Paraguay und Südafrika. Weil Paraguay versichert hatte, es brauche eine Munitions-Füllanlage des Kalibers 20 bis 125 mm, durfte Rheinmetall das Gerät verschiffen.

Es traf allerdings nie in Paraguay ein - in einem brasilianischen Hafen wurde es auf ein Schiff in Richtung Südafrika umgeladen.

Kritiker sind der Ansicht, daß die Beamten in Eschborn dies hätten vorhersehen können.

Nun muß die Bundesrepublik mit Ärger in der Uno rechnen. Die Vereinten Nationen hatten Mitte der 70er Jahre über Südafrika ein Waffenembargo verhängt.

Daß die Bonner trotz der politischen Querelen der Rüstungsindustrie mit einer Gesetzesänderung beispringen wollen, will Kritikern nicht einleuchten. Die Grünen jedenfalls ahnen Böses: Ob es denn sein könnte, fragten sie im Bundestag an, daß es einen Zusammenhang zwischen Parteispenden und Rüstungsexporten gebe.

Die Antwort steht noch aus.

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