Ausbaupläne Luftschlösser am Nürburgring
Hamburg - Es gibt nicht viel zwischen Koblenz und Trier, womit man Geld verdienen kann. Es existieren kaum große Firmen, die Entfernungen sind weit, und wer jung ist, muss schauen, wo er einen Job bekommt. Eines der wenigen Highlights der Region ist da der Nürburgring, der als Formel-1-Strecke weit über Deutschland hinaus bekannt ist. 100 Autorennen und 200 andere Events finden hier nach Angaben der Veranstalter im Jahr statt, zwei Millionen Besucher sollen es jährlich sein. Davon profitieren bislang auch die Gasthöfe, die Hotels, Kneipen, Restaurants und Geschäfte in der Region.
Ob das aber so bleibt, darüber wird derzeit heftig gestritten. Denn die Nürburgring GmbH, die den Ring betreibt und zu 90 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz und zu zehn Prozent dem Landkreis Ahrweiler gehört, hat in den vergangenen zwei Jahren massive Verluste geschrieben. Neun Millionen Euro waren es in den Jahren 2004 und 2005, für 2006 liegt das Ergebnis noch nicht vor. Grund für die Verluste waren zum einen hohe Lizenzgebühren der Formel 1, zum Teil aber auch - wie der aktuelle Bericht des Landesrechnungshof zeigt - überzogene Manager-Gehälter und die deutlichen Verluste verschiedener Tochterfirmen.
Mit der Formel 1 werden auch in Zukunft keine schwarzen Zahlen zu schreiben sein, zumal der Grand Prix ab dieser Saison nur noch auf einem deutschen Austragungsort und zwar abwechselnd auf dem Hockenheim- und dem Nürburgring ausgetragen wird. Um die Verluste auszugleichen, hat sich die Nürburgring GmbH unter ihrem Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz deshalb ein umfassendes Konzept für die Weiterentwicklung der Rennstrecke ausgedacht.
"Erlebnisregion Nürburgring" heißt der Plan für ein riesiges Freizeit- und Businesszentrum, der unter anderem eine Flaniermeile, einen Golfplatz, ein Luxushotel, eine Skipiste und ein Wellness-Zentrum vorsieht. Auf dem Gelände des Nürburgrings sollen 15.000 Quadratmeter "Indoorattraktionen" entstehen, die sich rund ums Auto drehen. Dazu kommen Präsentationsflächen und Showrooms, außerdem ein Boulevard mit 4000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Rund um den Nürburgring plant man einen Golfplatz, außerdem will man mit einem bestehenden Reiterhof und einer Skianlage kooperieren. Nach derzeitigen Planungen soll das gesamte Projekt 150 Millionen Euro kosten.
Obwohl der erste Spatenstich schon im Oktober dieses Jahres erfolgen soll, ist bisher nach Angaben der Nürburgring GmbH noch völlig offen, welcher Investor sich beteiligen wird und zu welchem Teil. War anfangs noch geplant, das ganze Projekt zu 100 Prozent von privaten Investoren finanzieren zu lassen, heißt es im Finanzministerium von Rheinland-Pfalz jetzt, die Erlebnisregion komme nur, wenn mindestens 50 Prozent von Investoren getragen werde. Wer das finanzielle Risiko trägt, sollte das Projekt scheitern, ist ebenfalls noch völlig offen.
Pikant an der Planung ist aber vor allem, dass sich Geschäftsführer Kafitz ausgerechnet mit einem Team umgeben hat, das schon einmal an einem wenig erfolgreichen Projekt beteiligt war: dem Space-Park in Bremen. Ein Prestigevorhaben, das mit Vergnügungscenter und Shoppingmeile ebenfalls Hunderttausende von Besuchern anziehen sollte, aber nach nur sieben Monaten wegen mangelnder Besucherzahlen schließen musste - und insgesamt 450 Millionen Euro an Fördermitteln und Investitionen verschlang.
Besucherzahlen weit überschätzt
So war der heutige Marketing- und Vertriebsdirektor der Nürburgring GmbH, Andreas Bruckner, in gleicher Funktion beim Space Park in Bremen. Wolfgang Wilke, Vater des Space Parks und ehemals Geschäftsführer der Space Park Developement GmbH, arbeitet bei der Nürburgring GmbH inzwischen als Berater. Als Marketingleiter der Nürburgring GmbH fungiert außerdem Stephan Cimbal, ehemaliger Marketingchef der Botanika in Bremen, einem Blumenpark und Naturerlebe-Zentrum, das ebenfalls massive Probleme mit mangelndem Besucherinteresse hatte.
In der Frage der möglichen Besucherzahlen wird die Nürburgring GmbH außerdem ausgerechnet von Wenzel Consulting beraten, einem Unternehmen für Freizeit-, Tourismus- und Immobilienwirtschaft. Die Fachleute hatten auch schon den Space Park in Bremen beraten und 1,3 Millionen Besucher pro Jahr prognostiziert - womit sie bekanntermaßen weit von der Realität entfernt lagen.
Anwohner sind skeptisch: "Vertrauen in Management fehlt total"
"Diese Besuchszahlen haben wir in Bezug auf das Gesamtkonzept geschätzt", erklärt Silke Petzold von Wenzel Consulting, da das Konzept aber nicht komplett umgesetzt wurde, seien diese Zahlen auch nicht erreichbar gewesen. Allerdings hat Wenzel Consulting auch Schätzungen bei einem Vorläuferprojekt der Botanika - damals noch unter dem Namen "Rhodarium" - abgegeben und 220.000 Besucher prognostiziert. Eine Zahl, die sich nach Angaben von Holger Bruns, Sprecher des Bremer Senators für Bau, Umwelt und Verkehr "sehr schnell als falsch und unhaltbar erwiesen hat".
"Das Vertrauen in dieses Management fehlt deshalb total", sagt Norbert Hanhardt, Vorsitzender einer Bürgerinitiative in Nürburg, die sich gegen diese Pläne wehrt. "Uns überzeugt dieses Konzept nicht und wir haben Angst vor einem Verdrängungswettbewerb, der mit öffentlichen Mitteln und damit quasi von uns selbst finanziert wird." Den Auftrag für die Bewirtung bei Großereignissen hat schon jetzt eine große Cateringfirma aus Düsseldorf bekommen. Die kleinen, lokalen Caterer, die bisher die Verträge hatten, kamen nicht zum Zug, weil sie die angepeilten Umsatzprognosen und die damit anfallenden Pachtgebühren nicht zahlen konnten. Dabei hat die Nürburgring GmbH - auch das betont der Bericht des Landesrechnungshofes deutlich - die Aufgabe, den Fremdenverkehr in der Region und damit die strukturschwache Wirtschaft zu fördern.
"Leute haben Ahnung von ihrem Job"
Bei der Nürburgring GmbH versteht man die Kritik nicht. "Ich habe Leute angestellt, die Ahnung von ihrem Job haben", sagt Kafitz. Er habe seine Mitarbeiter per Headhunter gesucht und gerade Wolfgang Wilke mache einen "exzellenten" Job. Dass seinen Mitarbeitern ihre Arbeit bei den Pleiteprojekten in Bremen vorgehalten werde, sei deshalb "menschenbeschädigend". Die Kritik komme außerdem von einigen wenigen Interessenvertretern, die Angst vor Konkurrenz hätten. "Dabei wollen wir ein zusätzliches Geschäft generieren und nicht Geschäfte auf Kosten von anderen machen."
Doch die Kritik an den Plänen kommt nicht nur von angeblich kleinlichen Anwohnern. Während manche Tourismusexperten das Konzept für richtig halten, sind andere wenig begeistert. "Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, den Nürburgring attraktiver zu machen", sagt Heinz-Dieter Quack, Professor am Europäischen Tourismus Institut an der Universität Trier. Allerdings sei das jetzige Konzept wenig familienfreundlich und richte sich allein an autobegeisterte Besucher. "Die Vorstellung, dass der Vater mit dem Sohn mit leuchtenden Augen an der Rennstrecke steht, während die Tochter alleine auf dem Reiterhof ist und die Mutter sich in einem Wellness-Center vergnügt, halte ich für wenig realistisch. So macht eine Familie nicht Urlaub." Quack plädiert deshalb dafür, einen Freizeitpark zu konzipieren, der den Nürburgring als ein, aber nicht als das zentrale Element integriert.
Bislang hat die rheinland-pfälzische Regierung die Pläne des Nürburgrings rückhaltlos unterstützt. In einem Brief von Wirtschaftsminister Hendrik Hering an die Bürgerinitiative, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, heißt es jetzt allerdings, die Besuchsprognosen als die "wesentliche Grundlage für das Gesamtprojekt" würden noch einmal durch eine "unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" untersucht, die auch die "Plausibilität des Businessplans" überprüfen soll.
Auch die Begeisterung der Landesregierung scheint langsam abzunehmen.