182.000 offene Lehrstellen Ausbilder beklagen »Akademisierungswahn« und Azubimangel

Auch für eine Lehre im Handwerk können sich kaum noch junge Menschen begeistern (Symbolbild)
Foto: Marcus Chung / Getty ImagesDen Start in die neue Ausbildungsperiode hätten sich die Arbeitgeber in Deutschland anders gewünscht. »Die Bilanz zum Start des Ausbildungsjahres fällt trotz hoher Anstrengungen der Unternehmen unbefriedigend aus«, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der »Welt am Sonntag« .
Etwa neun Prozent weniger Ausbildungsverträge als 2019
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im August mehr als 182.000 Ausbildungsplätze unbesetzt – 20 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. »Wir brauchen jetzt eine Gemeinschaftsinitiative von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die duale Ausbildung ist ein Wohlstandsanker unseres Landes«, sagte Dulger.
Ähnlich äußerte sich auch Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, ebenfalls in der »Welt am Sonntag«: »Wir rechnen mit einer rückläufigen Zahl der Auszubildenden und einer steigenden Zahl der unbesetzten Stellen.« Die duale Ausbildung sei in der Krise, so Schneider weiter. »Der Abitur- und Akademisierungswahn muss gestoppt werden und die Gleichwertigkeit von Studium und Ausbildung klarer herausgestellt werden und den Jugendlichen und Eltern klar kommuniziert werden.«
In der Coronakrise haben sich vergleichsweise wenige junge Menschen in Deutschland für eine duale Ausbildung entschieden. Für das vergangene Jahr hat das Statistische Bundesamt 466.200 neue Ausbildungsverträge registriert. Das waren zwar 0,6 Prozent mehr als im ersten Coronajahr 2020, aber erneut rund neun Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019, als noch mehr als 500.000 neue Ausbildungen begonnen wurden.
Kaum Optimismus in der Tourismusbranche
Ende 2021 befanden sich in Deutschland 1,26 Millionen Menschen in einer dualen Berufsausbildung, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Das waren drei Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Beliebt sind weiterhin Ausbildungen im Einzelhandel, im Büro und im Kfz-Bereich. Verschiebungen sind unter anderem in IT-Berufen wie Fachinformatik (Anstieg um fünf Prozent) oder bei E-Commerce-Kaufleuten (Anstieg von 26 Prozent) zu erkennen. Wie zu Beginn der Coronakrise, begannen auch 2021 wenige junge Menschen eine Kochlehre, dafür stieg die Zahl der Auszubildenden in der Systemgastronomie (Anstieg um 18 Prozent).
Wenig Zuversicht gibt es bei den Kaufleuten in der krisengebeutelten Tourismusbranche. Dort gingen die Zahlen der Neuverträge nach dem starken Einbruch von 2020 um 61 Prozent noch einmal um 26 Prozent zurück.
Auch das Deutsche Handwerk beklagt schon lange, dass sich viele junge Menschen für ein Studium anstelle einer Lehre entschieden. Erst Ende Juli hatte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer angesichts des Fachkräftemangels eine »Bildungswende« in Deutschland gefordert.